Fasziniert vom Spiel der Jazzmusiker
„Jazz ist für mich sehr wichtig“
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Marco Borggreve, Mathias Baus
„Jazz ist für mich sehr wichtig“, soPeter Eötvös in der Matinee im Februar in der Kölner Philharmonie. Aber: Eötvös denkt seine Musik und schreibt sie dann auf Papier. Jazzmusiker kommunizieren im Spiel – „das finde ich wunderbar!“. Seine Musik ist genau kalkuliert. Péter Eötvös hatte schon als Vierzehnjähriger bei Zoltán Kodály an der Budapester Musikakademie Komposition studiert und dann in Köln ein Dirigier-Diplom erworben. Die Doppelbegabung vereint er auf grandiose Weise.
Anlässlich Péter Eötvös70. Geburtstags hat die Philharmonie Köln fünf Veranstaltungen im Paket angeboten. Am 22. März wird er mit dem Ensemble „intercontemporain“, dessen Chefdirigent er war, Stockhausens epochale, 1998 überarbeitete Komposition „Momente“ aufführen, und am Mittwoch, 2. April werden die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker nicht nur Bach, Dean, Ellington, Schumann und Simons spielen, sondern Péter Eötvös Kompositionsauftrag „Dodici“ der KölnMusik uraufführen.
Zum Auftakt der Reihe stand er im Gespräch mit dem Musik-Journalisten Stefan Fricke. Diese kleine Talkrunde ergänzte Multipercussionist Martin Grubinger durch Solo-Werke von Péter Eötvös. So entstand ein lebendiges Porträt des Musikers, der am 2. Januar 2014 70 Jahre alt wurde. Mit 22 Jahren kam er 1966 nach Köln. Köln war damals das Zentrum für „Neue Musik“. „Das stand in meinem Interesse“, so Eötvös. Karlheinz Stockhausen suchte einen Kopisten für seine Stücke, und als Eötvös das hörte, wusste er: „Das bin ich!“. Elektronisch komplexe Stücke kopierte er für ihn – alles mit Bleistift geschrieben. Und es ging noch weiter mit Stockhausen, denn der nahm ihn als Pianisten ins Stockhausen-Ensemble. Stockhausen kam zu seiner Abschlussprüfung – Eötvös hatte in Köln weiter studiert - und war begeistert von dem jungen Ungarn.
Selbst fördert Eötvös heute junge Talente in seinem „International Eötvös Institute“ in Budapest. Es ist ihm wichtig, dass junge Dirigenten insbesondere mit dem „Jetzt“ anfangen, also mit dem, was in jüngster Zeit komponiert wurde, von Komponisten, die heute leben. „Es ist eine Pflicht für einen Dirigenten, mehr als das 19. Jahrhundert zu kennen und Kontakt zu haben zu aktuellen Komponisten“, findet er. Kontakt zum Komponisten eines eigens für ihn geschriebenen Stückes hat auch Martin Grubinger. Der österreichische Multipercussionist Martin Grubinger führte „Speaking Drums - Four poems for percussion solo and orchestra“ von Péter Eötvös in der Philharmonie im Rahmen eines Abendkonzertes mit Péter Eötvös auf. Grubinger hat sich in außergewöhnlicher Weise darum verdient gemacht, das Schlagwerk als Soloinstrument in den Mittelpunkt des klassischen Konzertbetriebs zu stellen. Am Sonntagmorgen gab es zudem noch ein Stück, das Eötvös anlässlich des Todes von Frank Zappa geschrieben hatte: „New Psalm“. Das Alte Testament hat 150 Psalmen – Eötvös hat einen 151.. Da wird Zappa mit den Fingernägeln auf der großen Trommel „eingraviert“ - mit einem Schlag auf der Bass-Drum dazwischen. Freie Entscheidungsmöglichkeiten gibt es wenig bei dem Stück. „Es ist genau vorgegeben, wie es zu klingen hat“, so Grubinger und betont, dass er dies sehr schätze. Nur wenige kleine Parts geben die Möglichkeit zur Improvisation. Für seine Präsentation des Stückes erhielt Grubinger vom Komponisten ein „Bravo! Bravo!“ und den Kommentar: „Grubinger ist kein Schüler – er ist ein großer Künstler“.
Die „Neue Musik“ ist – auch wenn sie durchkalkuliert und alles genau geplant ist – gefühlt doch sehr nah am Jazz. „Komponieren“, sagt der Ungar Péter Eötvös, „besteht für mich aus Verzauberung der Zuhörer durch Klang“. Und das gelingt ihm brillant.