Farewell
Ornette Coleman ist in New York verstorben
TEXT: Stefan Pieper |
Ornette Coleman, der legendäre Pionier des freien Jazz ist verstorben - ein großer Erneuerer und Querdenker, der immer nach vorne blickte! Vor vier Jahren noch hinterließ er unvergessliche Eindrücke als Überraschungsgast beim 40. Moers-Festival. Um mit Musik etwas auszusagen, brauche man den Blick in die Zukunft – gemäß diesem Credo hatte er eine seiner frühen Schallplatten Tomorrow ist the question genannt.
Coleman war ein erklärter Autodidakt – alles kam aus ihm selbst heraus. So hatte sich der 1930 in Texas geborene Coleman das Saxophonspielen als Kind selbst beigebracht. Seine Mutter schenkte ihm sein erstes eigenes Instrument, nachdem er sich als Schuhputzer Geld dafür hinzuverdient hatte. Er schlug sich zunächst mit kleineren Auftritten in Los Angeles durch. Der Durchbruch erfolgte in den fünfziger Jahren. Vor allem sein Album „Free Jazz: A Collective Improvisation“ machte ihn später weltbekannt, die Platte wurde zu einem ästhetischen Manifest für eine künstlerische Haltung, die viel mehr sein wollte als nur bloß eine Stilrichtung.
Seine Platten und Auftritte wurden immer wieder aufs neue zu Zeugnissen einer quer denkerischen Produktivkraft, die bis ins hohe Alter ungebrochen blieb. Colemens Leben war ein permanenter Prozess des Sich-Neu-Erfindens. Sein Saxofonspiel dachte die Bebop-Linien eines Charlie Parker weiter. Er bereicherte die Aufbruchsstimmung im Jazz Anfang der 1960er Jahre um legendär gewordene Besetzungen. Ständig war er bestrebt, seine Musik – durchaus experimentell – allen möglichen neuen unvermuteten Kontexten einzuverleiben.
So verdichtet etwa sein Spiel die halluzinogenen Welten zu David Cronenbergs Naked Lunch – Verfilmung. Das improvisatorische Spiel auf dem Saxofon (aber auch auf Violine und zuweilen auch Trompete...) jenseits konventioneller Schablonen war ihm gleichermaßen Anliegen wie die Ausforschung neuer kompositorischer und auch theoretischer Konzepte. Er komponierte für Streichquartette und hat über Bach-Suiten improvisiert.
Seine Vorliebe für Johann Sebastian Bach teilte er mit dem Pianisten Joachim Kühn. An Joachim Kühn schätzte Ornette Coleman dessen Weitblick auf die Gesamtheit der Musik. So komme der Pianist aus Leipzig eben nicht nur aus dem Jazz allein, sondern aus der ganzen Musik, so Colemans Credo. Die Duo-Einspielungen mit dem deutschen Pianisten wurden auf jeden Fall in beider Biografie zu einem weiteren Meilenstein.
Aber wie es so oft der Fall ist – Ornette Colemens Unangepasstheit und ein konsequenter Wille für die eigene Sache haben ihn Zeit seines Lebens kommerziell relativ wenig erfolgreich sein lassen.