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Elisabeth Coudoux

„Warum nicht Jazz Cello studieren?“

Köln, 16.12.2016
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Elisabeth Coudoux, geb. Fügemann (geb. 1985) ist eine junge Cellistin an der Schnittstelle unterschiedlicher musikalischer Genres: freie Improvisation, experimentelle Musik, Neue komponierte Musik und Jazz.

Einem klassischen Studium als Basis schloss sie aufbauend ein Jazzstudium in Köln an. Neben ihren eigenen Projekten ist sie Cellistin in vielen Ensembles und arbeitet in interdisziplinären Projekten mit Tänzern, visuellen Künstlern und Schriftstellern zusammen. Elisabeth ist Gründungsmitglied von IMPAKT, ein Kollektiv für freie Improvisation in Köln. Sie ist fester Bestandteil der Kölner Szene. In den letzten Tagen war sie Solo auf dem Klaeng Festival, in der Band des New Yorker Avantgarde Trompeters Peter Evans und mit ihrem Trio Emißatett in Köln zu hören. Grund genug mit der viel gefragten und viel beachteten Cellistin und Komponistin ein Gespräch zu führen.

Du bist Teil der Kölner Improvisationsszene, was hat Dich nach Köln geführt?

Ich habe in Dresden Cello studiert, die klassische Ausbildung. Aber die Klassik war nie richtig mein Schuh. Ich habe wenig Klassik in meiner Freizeit gehört. Ich wollte keine Orchestermusikerin werden, deshalb habe ich auch keine Orchestermusik studiert, sondern Instrumental Didaktik.

In der zwölften Klasse habe ich Bigband, Streichquartett, Jazzchor und Orchester gleichzeitig gemacht. Im Studium ging das so weiter mit meinen Interessen. Irgendwann begann ich in die Jazzensemble mein Cello mitzunehmen. Dann stellte ich mir die Frage, warum nicht Jazz Cello studieren? Die Jazzimprovisationen fand ich immer sehr interessant.

Dann habe ich mich für Jazz Cello beworben und das geht nicht an allen Hochschulen, weil es eigentlich keine Lehrer dafür gibt. Aus Köln hat mir sofort Dieter Manderscheid geantwortet und mir gesagt, dass ich mich beeilen müsse, da die Anmeldefrist sonst vorbei sei.

Dann bin ich zu den Jazz Geigern gekommen, Michael Gustorff war der Lehrer. Darüber bin ich dann zu Frank Gratkowski ins Hauptfach gekommen und habe auch Stunden bei Dieter Manderscheid gehabt.

Bei Frank Gratkowski habe ich einen Gesamtblick auf Musik geworfen, es war sehr lehrreich.

Wie bist Du zum Cello gekommen, seit wann spielst Du das Instrument?

Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, ich war viereinhalb Jahre alt und mein Bruder spielte Klavier, da wollte ich auch ein Instrument spielen. Da haben meine Eltern, die beide Musiker sind, sich dafür entschieden, dass ich Cello lernen solle.

Ich habe jahrelang nicht besonders viel geübt. Als Teenager fing ich an E-Bass zu lernen. Das wollte ich und so habe ich angefangen zu üben. Ich wollte unbedingt Slappen lernen. Etwas später kam mir der Gedanke, dass ich das Cello doch viel länger und besser kenne. So entschied ich mich schließlich Cello zu meinem Hauptinstrument zu machen. Da war ich in der 11. Klasse.

Welche Musiker oder Musikwerke haben Dich beeinflusst?

Bei den klassischen Cello Werken mag ich auf jeden Fall Bachs Cellosuiten und dann die Arpeggione Sonata von Franz Schubert. Schostakowitsch hat mir gefallen und auch Alte Musik.

In der letzten Zeit sind es vor allem Werke der Neuen Musik, z.B. von Ligeti, besonders Streicherwerke gefallen mir, z.B. von dem französischen Komponisten Michael Jarell, aber auch das Werk von Georg Friedrich Haas für sechs verstimmte Klaviere (Limited Approximations), ebenso Xenakis, dessen Schroffheit mich anspricht. Ich finde bei diesen Komponisten auch Ideen für meine Musik.

Einige Jazz Cellisten finde ich sehr interessant: Ernst Reijseger, Eric Friedlander oder Albert Markos aus Ungarn, der einen ganz eigenen Improvisationsstil hat.

In Köln hast Du IMPAKT (Kollektiv für Improvisierte und Aktuelle Musik) mitgegründet. Was hat zu dieser Gründung geführt?

Ich weiß noch genau, was der ausschlaggebende Moment war. Einige Musiker hatten im Loft improvisierte Musik gespielt und es waren sehr wenig Zuhörer da. Das fand ich sehr Schade und dachte, dass muss doch nicht so bleiben. Es gibt einen Pool von jungen Musikern, die improvisierte Musik machen und wenn wir uns zusammenschließen und gemeinsam werben, dann kommen auch mehr Leute in die Konzerte. Darum ging es am Anfang, Leute für Konzerte zu gewinnen.

Dann haben wir lange diskutiert, ob wir ein Kollektiv wie Klaeng sind, ob es nur um uns als Musiker gehe oder überhaupt um freie Improvisation in Köln. Wir fanden keine befriedigenden Antworten auf diese Fragen. Aber einige haben viel gearbeitet, z.B. Nicola Hein und Stefan Schönegg haben Anträge gestellt, haben sich um Fördergelder bemüht, damit wir Konzertreihen organisieren können. Stefan hat den Internetauftritt organisiert. Durch dieses Handeln ist dann die Richtung klargeworden. Wir sind immer noch auf der Suche, aber durch das Kuratieren von Konzerten, haben wir gemerkt, dass es langweilig ist, wenn wir nur selbst spielen, dass es wichtig ist interessante Musiker von außen einzuladen und so auch ein Austausch stattfindet und diese Musiker sollen natürlich nicht vor einem leeren Haus spielen.

Wir wollen besonders junges Publikum in die Konzerte holen.

Du spielst in verschiedenen Formationen, kannst Du etwas darüber erzählen?

Ich spiele in phase::vier, einer Jazzband mit vier Frauen, drei Streicherinnen (Violine, Cello und Bass) und einer Sängerin. phase::vier ist eine Band, die es schon lange gibt, wir kennen uns alle schon seit acht Jahren, seit wir zusammen studiert haben. Wir haben unser Repertoire immer selbst gesucht, gefunden und weiterentwickelt. Über diese lange Zeit ist die Band sehr eng zusammengewachsen und wir akzeptieren uns alle in unserem Anderssein und spielen eine schöne groovige Musik zusammen. Das merkt man auch immer bei den Konzerten, da strahlt etwas.

Ein anderes Projekt ist die Band The Octopus, ein Cello Quartett, in dem frei improvisiert wird.Wir haben jetzt gerade eine CD herausgebracht. The Octopus besteht aus vier Cellisten, die alle einen anderen Hintergrund haben. Huegues Vincent ist ein Hardcore Improvisator aus Frankreich. Nathan Bontrager stammt aus den USA und macht auch noch gerne Oldtime music. Nora Krahl kommt aus der Neuen Musik. Wenn wir zusammenspielen hört man nicht mehr wer was spielt. Wenn wir auf Konzerten spielen, reden wir hinterher darüber. Der Gedankenaustausch nach dem Improvisieren ist sehr hoch, dadurch verändert sich unsere Improvisation und wird immer besser. Das ist ein tolles Projekt. Wir spielen immer frei, haben keine Konzepte, aber sprechen dann darüber, warum man sich beim Konzert an einer bestimmten Stelle so entschieden hat oder warum man an dieser oder jener Stelle aufgehört oder nicht aufgehört hat.

Organisatorisch ist es nicht immer einfach. Nora wohnt in Berlin und Huegues in Paris.

Aber so haben wir auch schon in Frankreich gespielt. Wir arbeiten auch mit Komponisten zusammen, d.h. die eine Hälfte ist notierte Musik und die andere ist improvisiert. Das machen wir das nächste Mal im April, dann spielen wir in Berlin im Exploratorium.

Dann hatte ich ein Duo mit Xavier Charles, einem französischen Klarinettisten. Wir haben im November zwei Konzerte gespielt und das war sehr schön. Xavier ist jemand, der fern ab von musikanalytischen Begriffen seinen eigenen Weg mit elektro-akustischer Musik sucht und Klänge auslotet. Das hat wunderbar zu meinem Spiel gepasst.

Du spielst nicht nur frei, sondern schreibst auch Stücke für Deine Gruppe Emißatett. Wie gehst Du beim Komponieren vor?

Ich frage mich immer, was möchte ich festhalten, was ist sinnvoll festzuhalten? Da gehe ich natürlich vom Cello und meinem eigenen Improvisieren aus. Was mir gut gefällt oder was eine interessante Struktur ist, das halte ich fest. Meist schreibe ich es für mich selber auf oder auch für den Robert [Landfermann], weil er auch ein Streicher ist muss er dann mit. Die Musiker mit denen ich spiele können alle Improvisieren und sich zu komponierter Musik in Bezug setzen.

Ich finde es gut wenn es eine gute Mischung zwischen dem ganz freien Spiel und den festen Strukturen gibt. Bei einem Stück spiele ich die ganze Zeit meine Linien und das freie Spiel setzt sich dazu ins Verhältnis. Manchmal wird es lauter und die Linien sind kaum noch hörbar, das soll auch so sein. Das Hören wird dadurch vielschichtiger, da man merkt es ist ein geschriebenes Stück. Diese Vielschichtigkeit finde ich sehr interessant. Wenn jemand improvisiert, geht es nicht nur um den Gesamtklang, sondern auch darum seine eigene Sachen nebeneinander zu entwickeln.

Wir haben in Pfaffenhofen mit Emißatett gespielt und danach haben alle gesagt, es war so durchsichtig, jeder war frei und hat gespielt, auch die notierten Teile waren zu erkennen, jeder konnte wahrgenommen werden, aber eigentlich hat jeder etwas anderes gespielt. Das macht alles viel breiter. Es gibt nicht nur den Rhythmus und die Melodie, also nicht nur vertikal, sondern eher horizontal.

Woher kommen die Ideen für Deine Kompositionen?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich hatte einen Moment, da habe ich an einem Abend drei, vier Stücke geschrieben. Aber das gibt es nur alle zwei, drei Jahre einmal. Sonst sammle ich Musikklänge, die mir gefallen, von meinem Cello oder was ich irgendwo gehört habe. Wenn ich dann Zeit habe, verarbeite ich diese Sachen weiter. Ich suche immer nach neuen Wegen um Noten aufzuschreiben. Manchmal verrenne ich mich auch dabei. Das ganze System von Viertelnoten und Halbenoten finde ich so einschränkend. Viele Komponisten haben schon einen Weg dort heraus gesucht.

Für einen Musiker schreibe ich beispielsweise etwas auf, das in Viertelnoten, Achtelnoten usw. notiert ist, aber keine Taktzahl hat. Das spielt derjenige vor sich hin und die anderen spielen ganz frei dazu, sie beziehen sich gar nicht auf das Notensystem, sondern eher auf den Klang.

Mich interessiert vor allem der Klang.

Was machst Du wenn Du komponierst oder auch beim Improvisieren, was ja auch ein Komponieren im Moment ist? Gibst Du Gefühle weiter, malst Du Bilder, erzählst Du Geschichten oder lässt Du Klänge als Klänge wirken?

Das ist eine Mischung von allen, das lässt sich nicht auseinandernehmen, es ist ein Gesamtpaket. Manchmal merke ich, wie ich auf Klänge reagiere. Wenn ein Musiker einen Klang produziert, den ich noch nicht kannte oder den ich interessant finde, dann möchte etwas dazu mischen oder hinzufügen. Da ist der Klang wichtig. Manchmal bleibt man allein übrig mit ein paar Tönen und fängt dann an eine Geschichte zu erzählen. Gefühle sind immer dabei, das lässt sich gar nicht trennen.

Das sind natürlich nicht Gefühle wie in der Romantik, das hat sich verändert. Die Gefühle in der Romantik sind so dramatisch und pathetisch überhöht. Gefühle in der aktuellen Musik sind viel nüchterner, diffiziler und feiner. Man kann ein Gefühl nicht einfach mit Wut benennen. Es ist eher mehr oder weniger Energie. Wir gehen heute anders mit Gefühlen um. Ich gehe doch nicht in ein klassisches Konzert um zu Weinen. Vielleicht kommen Gefühle hoch, aber ich gehe nicht in ein Konzert um alle meine Gefühle tief zu empfinden.

Ich persönlich habe Probleme mit Gefühlsüberschwang, ich mag es lieber nüchterner, manchmal ist das auch ehrlicher. Vielleicht sehen das andere Musiker ganz anders.

Es geht es mehr um einen Gefühlsraum oder aber das Gefühl wird in viele kleine Moleküle zerlegt.

Ich habe mir früher viele Fragen gestellt, woher kommt meine Inspiration, was ist denn Kunst usw.? Im Moment stelle ich mir die Fragen nicht mehr, sondern ich mache einfach. Manchmal kommt es aus mir, manchmal werde ich von außen inspiriert. Oft lässt sich das gar nicht trennen, da es zusammengewachsen ist.

Du hast einen zweijährigen Sohn, welche Auswirkungen hat das auf Dich als Musikerin?

Ein Kind ist ein Einschnitt und ich muss sich verändern. Es ist aber eine positive Veränderung. Alles muss getaktet werden und ich muss meine persönliche Zeit verteidigen.

Ich komme sicher etwas weniger zum Üben und zum Abhängen mit Künstlern. All das ist temporär und dafür habe ich zu Hause ein kleines strahlendes Kind. Wenn ich auf Tour bin habe ich ja immer noch Zeit mit meinen Kollegen zusammen. Bei mir hat es auch zu einer besseren Fokussierung geführt. Wenn ich weniger Zeit habe, muss ich mir darüber klar werden, was ich machen möchte.

Was sind Deine Pläne für 2017?

Wir werden mit The Octopus im April in Berlin spielen und eine Tour im Herbst organisieren. Es wird Konzerte mit Phase 4 und Emißatett geben, wenn möglich auch Solokonzerte und ich möchte gern mit Xavier Charles im Duo spielen und auftreten.

Vielen Dank und alles Gute für Deine Projekte und Pläne.

www.elisabethcoudoux.com

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