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"Eine Wand aus Nichtwahrnehmung"

Ein offener Brief an den Bundestag

Bochum, 28.05.2020
TEXT: Milli Häuser | 

Milli Häuser, Sängerin und Initiatorin der Tatort-Jazz-Konzertreihe in Bochum sieht in dem krassen Missklang zwischen den vollmundigen Versprechungen zu Beginn der Corona-Krise und dem Versagen der meisten bisherigen Hilfsleistungen für freiberuflichen KünstlerInnen eine beschämende Abwertung eines ganzen Berufsstandes. Stellvertretend für zahllose weitere Betroffene erhebt sie ihre Stimme in einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag. Warum ist es so schwer, endlich dem Beispiel von Bayern zu folgen, um- zumindest vorübergehend - ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstlerinnen und Künstler während der Krise zu realisieren?

„Noch immer stehen wir Freischaffenden vor einer Wand aus NICHTWAHRNEHMUNG seitens der Politik, was unsere vernünftige Forderung für ein Art „BGE“ in Corona-Zeiten für nachweisbar freiberufliche Künstler* innen betrifft. Wir freiberufliche Kulturschaffenden werden mittlerweile in den meisten Medien, ins besondere im TV, seit geraumer Zeit totgeschwiegen.

Wo ist unser „Schutzschirm“ geblieben? Die Politik lässt uns im Regen stehen! Wir warten. Auf was? Unsere winzigen Rücklagen neigen sich zum Ende oder waren erst gar nicht vorhanden. Die Einmalzahlung 2.000€, als ausgleichende „Soforthilfe“ für nachweisbare, ausgefallene Jobs (März / April) sind lange verbraucht. Da wir nicht klar informiert werden, müssen wir selbständig im Wust der Maßnahmen forschen, was für uns angedacht ist oder nicht. Es gibt zwar Versuche von Hilfsmaßnahmen, die vor allem wirksam für Stadttheater und Opernhäuser etc. sind, aber für uns Freischaffende nicht wirklich überlebenserhaltend hilfreich sind. Außerdem sind sie verwirrend und auch nicht für uns nutzbringend bzw. es steht das Problem einer Doppelförderung dabei im Vordergrund, so dass es bei den 2.000€ für uns bis jetzt geblieben ist. Was erwarten Sie von uns? Sollen wir in dieser Zeit von Luft und Liebe Leben? Vom Applaus, der momentan ausbleibt? Sollen wir im Wald Pilze sammeln? Bisher haben wir uns mühsam, aber gern selbst ernährt und hingen nicht an der „Mutterbrust“ des Staates. Jetzt aber ist es Zeit für einen regelmäßigen, kleinen Tropfen Milch, der uns am Leben hält. Auch wir haben Familien, die ernährt werden müssen! Wir fühlen uns als Hofnarren, die in Krisenzeiten vor die Tür gesetzt werden, weil „der Hof“ uns gerade nicht gebrauchen kann.

Ein Grundeinkommen ist unerlässlich

Dass aber Autokonzerne, Flugkonzerne oder der Fußball etc. mit Milliarden in diesen Zeiten gefördert werden und wir kaum, macht das Bild auf die Politik in unserem Lande für uns noch unbegreiflicher! Wo bleibt die Wertschätzung unseres Berufsstandes? Auch die Öffnungen bringen für unser Überleben momentan so gut wie gar nichts, um Geld verdienen zu können. Außerdem wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob diese Öffnungen nicht wieder eine zweite Corona Welle hervorrufen. Dann stehen wir wieder bzw. weiterhin ohne Mittel da. Große Veranstaltungen können nicht stattfinden. Kleinere Veranstaltungen haben hohe Hygieneauflagen und Publikumseinschränkung, wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr. Die vielen kleineren Veranstaltungen, die vor Corona an der Tagesordnung waren und sehr oft „auf Hut“ oder „umsonst und draußen“ gelaufen sind, bringen jetzt gar nichts ein, außer einen hohen Arbeitsaufwand, wenn sie dann überhaupt stattfinden. Viele Veranstaltungshäuser oder Bars haben wieder geschlossen oder erst gar nicht geöffnet, da der Aufwand in Relation zur Anzahl des zahlenmäßig eingeschränkten Publikums, sowie personaltechnisch zu hoch und in Verbindung mit den Hygienemaßnahmen zu teuer ist. Unser dringendes Anliegen an die Politik ist also weiterhin: Um im Alltag zu Überleben- und um in unserem schönen Beruf in unserer Kulturlandschaft weiter vorbereitend für unsere Zukunft Arbeiten zu können, ist eine Art “Bedingungsloses Grundeinkommen” von 1.000€ monatlich, für nachweisbar freiberufliche Künstler*innen unumgänglich.

Das muss aus Bundesmitteln übergangsweise während der Corona Krise an uns gezahlt werden. Schließlich sorgen auch wir als Steuerzahler dafür, dass „der Laden läuft“. Möglich gemacht wurde es in Berlin, da gab es bisher schon einmalig 5.000 Euro zum Lebensunterhalt für freiberufliche Künstler*innen. Und im Bundesland Bayern wird 1.000€ an ansässige Künstler*innen in der Corona – Krise gezahlt!

NRW hinkt hinterher

Für NRW ist das nicht möglich? Warum? Das ist eine ungerechte Situation in unserem Land. Das muss sich ändern. Wir haben ein vorübergehendes Berufsverbot und sind nicht arbeitslos! Daher gehören wir nicht in Hartz 4! Das ist von der Politik eine erzwungene gesellschaftliche Herabsetzung unseres Standes. Und genau dahin will die Politik uns abschieben. Das wollen wir nicht! Wieso darf die Politik nun Künstler*inne einfach so als Arbeitslose abstempeln? Auch erhalten wir kein Kurzarbeitergeld, was aber andere arbeitende Bürger*innen, zu denen wir auch gehören, in diesen Zeiten bekommen. Bei Hartz 4 müssen wir uns “komplett ausziehen” und Mengen an Berechtigungsnachweisen liefern, bis man diese Unterstützung bekommt. Und zu allen weiteren einzuhaltenden Hartz-4-Auflagen für diese kleine Summe kommt noch dazu, dass wir kaum etwas Dazuverdienen dürfen. Man muss alle Zuverdienste angeben und dann wird das mit der Hartz-4-Zahlung verrechnet, so dass wir innerhalb dessen, kaum Chancen haben uns wieder wirklich etwas aufzubauen, was mehr Einkommen bringen könnte.

Also gehst Du als Künstler*in möglichst nicht in Hartz 4, bist Ärmer als die Armen, um in Ruhe Deine Arbeit tun zu können. Dabei wäre es so einfach und kostensparend für den Staat, eine Art BGE in Corona Zeiten an Freischaffende zu zahlen. Als Berechtigungsnachweise sind ganz einfach die Nachweise durch unsere Einkommensteuerbescheide und die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu verwenden. Diese Zahlungen würden dann bei unserer jährlichen Steuererklärung ganz normal angegeben und versteuert werden können. Und zum Schluss bitten wir wiederholt um Wahrnehmung unserer Situation und um schnellste Bearbeitung und wohlwollende Lösung des Problems!

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