"Eine Chance, dass noch mehr Menschen der Duduk folgen"
Interview mit André Meisner
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Als im letzten Jahr André Bttler zum ersten Mal über seine Ideen für ein neues Uraufführungsojekt redete und seine Neugierde auf den Klang der Duduk zur Sprache kam, lag es auf der Hand, dass ich ihm sofort André Meisner als geeigneten Spieler für dieses Projekt empfahl. Was für eine Freude: Ein Telefonat zwischen André Buttler und André Meiser machte klar, dass die Chemie für eine Kooperation beim Projekt „Voyagers“ (Uraufführung am 16. November im Marler Theater) stimmt. Am Rande der ersten gemeinsamen Probe kam es zum Gespräch. Fazit schon mal vorweg: In einem kammermusikalischen Ensembles plus Tanzchoreografie Teil eines großen Ganzen zu sein, ist für André Meisner eine wertvolle neue Erfahrung, ebenso wie eine solche Aufführung in einem neuen Kontext dazu beiträgt, die Fangemeinde für die Duduk noch weiter wachsen zu lassen.
Du kommst ja auch ursprünglich aus dem Jazz und bist dann tief in die traditionelle armenische Musik eingestiegen. Was für eine Erfahrung ist es für Dich, hier in einem kammermusikalischem Projekt mit notierter Musik aufzutreten?
Das ist für mich und auch für die Duduk Neuland. Es gibt wenig komponierte Musik für dieses Instrument, da dieses Instrument davon lebt, dass die Musik eher durch Vorspielen und aktives Zuhören weitergegeben wird. Deswegen finde ich es total spannend, hier in einen neuen Kontext einzutauchen. Das ist für mich auch ein Lern- und Weiterbildungsprozess. Und für die Duduk ist es auch schön, sich in einem anderen Rahmen präsentieren zu können.
Fühlst Du Dich wie ein Botschafter für dieses Instrument, dass hier noch weitgehend unbekannt ist?
Auf jeden Fall. In anderen Projekten habe ich oft einen Untertitel hinzugefügt: „Die Welt entdeckt die Duduk - die Duduk entdeckt die Welt“. Ich möchte meinem Publikum eine neue Klangfarbe zeigen und verdeutlichen, welche Nähe zu diesem Instrument in kurzer Zeit entstehen kann. Die Duduk soll sich aber auch in stilfremden Kontexten ausprobieren dürfen.
Was unterscheidet die Duduk für dich vom Saxophon, das du ja auch studiert hast?
Was das Spielerische angeht, hat das Saxophon unglaublich viele Möglichkeiten, verleitet aber dazu, meist sehr viel und sehr schnell zu spielen. Der Holzkorpus der Duduk ist hier schon äußerlich ein großer Unterschied in der Schlichtheit seiner Herstellung. Die Duduk ist tonal sehr begrenzt. Sie führt dich eher in die Ruhe, in die Feinheit und in die Schönheit. Da geht es mehr um Verzierungen, um Klangästhetik, um Dynamik.
Wie funktioniert das Spiel auf der Duduk, vor allem wenn es um Tonhöhen und so weiter geht?
Die Tonerzeugung läuft über ein normales, sehr breites Doppelrohrblatt. Wenn das Material gut und alles richtig justiert ist, pustet man mit gesunder Spannung hinein und bekommt so recht schnell einen Ton zustande. Dabei bläst man die Backen auf, die im Prinzip wie der Luftsack beim Dudelsack arbeiten. Mit diesem Luftreservoir steuert man die Tonlänge, das Vibrato und die Phrasierung. Oft laufen dabei drei Dinge gleichzeitig: Man gibt einmal mit dem Kehlkopf einen Impuls, gleichzeitig mit den Backen und Lippen und synchronisiert das Ganze mit der Fingerbewegung. So entstehen die typischen Ornamente.
Wo und wie hast du das erlernt? Wo fange ich an?
Ich habe die Duduk auf einem Festival in der Schweiz kennengelernt. Da hat Djivan Gasparyan gespielt. Als ich ihn spielen gehört habe, war es Liebe auf den ersten Ton. Nach ersten eigenen Gehversuchen bin ich nach Armenien gereist, hatte Unterricht bei Arsen Petrosyan und habe ordentliche Instrumente gekauft. In Duisburg habe ich dann Hovhannes Margaryan kennengelernt, einen sehr berühmten, unglaublich tollen Duduk-Spieler, der mich sozusagen in die Lehre genommen hat. Es gehört unbedingt dazu, ins Herkunftsland dieses Instrumentes zu reisen, um professionelle Spieler, Instrumentenbauer und die Menschen, die die Blätter herstellen, kennenzulernen. Hier ist alles sehr persönlich und man trifft auf höchste Handwerkskunst - nichts ist industrialisiert. Es sind alles begeisterte Menschen, die ihr Handwerk lieben und vorantreiben. So fügte sich eins zum anderen. Man lernt Leute kennen, bekommt Möglichkeiten, und das Ganze wächst ganz natürlich.
Gibt es mittlerweile eine Szene für dieses Instrument?
Ja, es gibt immer mehr interessierte Spieler. Besonders in den sozialen Medien lässt sich das gut beobachten. Damit steigt natürlich auch die Zahl der zuhörenden Liebhaber, und immer öfter fragen auch Veranstalter gezielt nach der Duduk.
Siehst Du im Projekt „Voyagers“ eine Chance, dass die Bekanntheit dieses Instruments noch mehr wächst?
Selbst, wenn man sagt, die Musik ist nicht ganz mein Ding, ist der Tenor auf Konzerten doch immer derselbe: "Wow, die Duduk klingt schön." Wenn wir viele Zuschauer haben, hoffe ich, dass einige Lust entwickeln, der Duduk weiter zu folgen und diesen Klang in ihr Leben aufzunehmen. Wir haben einen so beschränkten Kosmos an Instrumenten - warum sollte man nicht dieses Geschenk annehmen und sagen: "Hey, dann habe ich noch eine neue Klangfarbe, auf die ich zugreifen kann?" Wenn ich diese Botschaft oder diese Farbe in die Welt streuen kann, dann bin ich froh. Ein Geschenk annehmen und weitergeben.
Uraufführung: Samstag, 16. November 2024, Theater Marl, Beginn 19 Uhr