Ein Jazzgeschichte aus Recklinghausen
Stefan Bauer
TEXT: Ingo Marmulla | FOTO: Ingo Marmulla
Die Geschichte beginnt am Donnerstag-Abend in der Recklinghäuser Altstadtschmiede, die Weihnachtssession unter meiner Ägide ist gerade zu Ende gegangen, ich treffe mich mit Stefan Bauer zum Musikergespräch, um diesen Artikel vorzubereiten. Djamel Laroussi hat gerade das Zepter auf der Bühne übernommen, wir können uns in der „Lobby“ der Altstadtschmiede – der Jazzschmiede Recklinghausens – zurückziehen und ein wenig unterhalten, unterbrochen von gemeinsamen Bekannten und deren Kritiken, Glückwünschen und entsprechenden Kommentaren zur „Weihnachtssession“ bzw. zum morgigen Konzertabend mit Stefan und David Friedman. Nach anfänglichen Lobhudeleien schlüpfe ich in die Rolle des Schreiberlings. “Stefan, wir kennen uns seit unserer Studienzeit. Viele Aspekte deines Werdeganges sind mir trotzdem nicht ganz klar. Hilf mir!
Es kommen Gedanken auf zu unserem Kennenlernen, seinem Musikstudium in Dortmund (Posaune). Wir stellen fest, dass wir schon 1972 auf einem Recklinghäuser Konzert des Vibraphonisten Dave Pike (mit Volker Kriegel) waren, ohne uns zu kennen. Meine Anmerkung, Dave Pike habe ihn also zum Vibraphon gebracht, wird erstaunlicher Weise negiert. Die Posaune war es zunächst, die den Werdegang Stefan Bauers bestimmte. 1977 ist Tyree Glenn sein erster professioneller Arbeitgeber, wie übrigens auch meiner, einige Jahre später. Soulmusik steht also an. Stefan spielt Posaune und jetzt auch Vibraphon. Übrigens genauso wie Tyrees Vater bei Louis Armstrong: Posaune - Vibraphon.
Aber Stefans Weg geht weiter Richtung Jazz. Im Gespräch erfahre ich von ihm, dass wir in unserer Jugend völlig unterschiedliche Hörgewohnheiten hatten. Jimi Hendrix und Blues bei mir und – überraschender Weise - Benny Goodman und Swing bei Stefan. Gene Krupa habe ich fasziniert. Ich bin erstaunt. Sein Vater hatte ihn schon als Kind mit dem Jazz infiziert.
Bei der Posaune soll es jedoch nicht bleiben. Etliche Instrumente werden von Stefan erkundet, unter anderem die Gitarre. Der Name Wes Montgomery fällt. Schließlich dann das Vibraphon! Gary Burton mit Mick Goodrick an der ersten Gitarre, Pat Metheny 12-Saitige Rhythmusgitarre. Auch hier gemeinsame Konzerterlebnisse ...
Nun kommt der Name David Friedman ins Spiel. Mitte der 70er taucht Friedman in Europa auf, nachdem er in New York als Vibraphonist maßgeblich in Erscheinung getreten ist. Er gibt einen Jazzkurs in dem Ort Breukelen, nahe Amsterdam. Stefan hört davon. Das ersparte Geld will er für den Jazzkurs ausgeben, doch alle Plätze sind bereits vergeben. Als Jazzaddict fährt er trotzdem nach Holland und wird dank seiner Unnachgiebigkeit zum Kurs zugelassen.
Er fällt dem Meister als besonders begabt auf und wird von ihm gefördert: Der Beginn einer musikalischen „Vaterschaft“, die sich bis heute als musikalische Freundschaft weiter entwickelt hat. Die Beiden treffen sich wieder, als Stefan während eines Berklee-Sommersemesters etwas frustriert von Boston nach New York reist und Friedman aufsucht. Sie gehen nächteweise in die Jazzclubs und musizieren gemeinsam. Zwar ist dies ein Meister-Schülerverhältnis, aber welchen besseren Lehrer kann man als heranreifender Musiker überhaupt finden. Diese Freundschaft beider Vibraphonisten hält über Jahre an. Sie treffen sich, üben zusammen. Aber diese Dezember-Termine 2012 in Essen, Recklinghausen und Wuppertal sind die ersten wirklichen gemeinsamen Konzerte – eine Premiere. Nun treffen sich gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe und musizieren auf der Grundlage ihrer jahrelangen Freundschaft.