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Ein Abschied mit Dankbarkeit

Uli Beckerhoff und die Škoda Allstar Band

Bremen, 12.10.2015
TEXT: Stefan Pieper | 

Zum letzten mal sponsert Skoda in diesem Jahr den Jazz. Davon betroffen ist auch jene ŠkodaAllstar Band, mit welcher der Trompeter Uli Beckerhof vor 15 Jahren eine Pioniertat in Sachen Vernetzung mit Sponsoren betrieb. Der ehemalige Folkwang-Professor und Jazzahead-Mitbegründer zeigt sich tief dankbar für diese Verbindung. Trug das ökonomische Rückgrat durch einen soliden Sponsor doch entscheidend dazu bei, die hochkarätige Klasse dieser Band in die Welt hinaus und vor allem die vielen, auch kleineren Spielstätten der Regionen in Deutschland zu tragen.

Uli Beckerhoff sprach mit nrwjazz über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Sponsoring, über ideologische Barrieren und deren Überwindung. Es ging aber auch um improvisatorische Lebenshaltung und die Wirklichkeit des heutigen Musikmarktes. Fazit: vom respektvollen Sozialgefüge innerhalb einer Jazzcombo kann jeder von uns lernen.

Was steht aktuell bei Dir an?

Es steht jetzt die letzte Tournee nach 15 Jahren bevor. Wir haben circa 120 Konzerte gespielt, auch gab es Rundfunk- und Fernsehauftritte. 15 Jahre mit derselben Band zu spielen, ist ja in der heutigen Zeit schon sehr ungewöhnlich. Und mit so einer großen Formation zu spielen, ist heutzutage auf der Live-Ebene nicht mehr finanzierbar.

Skoda zieht sich ja jetzt als Sponsor zurück. Was sind für euch die Folgen?

Ein Tourbetrieb in dieser Größenordnung ist nicht ohne einen Sponsor zu stemmen. Wir sind sechs feste Musiker und ein Gast und wohnen in Italien, Deutschland, Belgien und England. Der Gast kommt noch aus einem anderen Land dazu. Allein von der Logistik her ist so etwas überhaupt nicht mehr auf dem freien Markt zu finanzieren. Deswegen sind ja meist nur noch kleinere Besetzungen, Duos, Trios und Quartette unterwegs.

Wo liegt für Dich der Reiz in großen Besetzungen?

In großen Besetzungen hast Du viel mehr Farbmöglichkeiten bei der Instrumentierung. Du kannst viel mehr arrangieren. Kleine Besetzungen finde ich auch spannend - und wir treten mit der Škoda Allstar Band ja auch in unterschiedlichen Besetzungen in den Konzerten auf. Man muss es ganz klar sagen: Der Markt ermöglicht keine großen Besetzungen mehr. Das ist nicht mehr finanzierbar. Es sei denn, man will draufzahlen.

Was sind nun Deine Empfindungen, wenn Deine Band vom Rückzug des Sponsors betroffen ist?

Das ist natürlich schade, aber das Leben wird weitergehen. Man darf nicht einfach davon ausgehen, dass einem die Sponsoren aus der Wirtschaft einfach zufliegen. Ich sehe es positiv: Ich habe fast 18 Jahre mit Skoda zusammen gearbeitet und bin sehr dankbar. Das ist auch immer etwas traurig, aber natürlich haben wir keinen Einfluss auf die Politik eines so großen Konzerns. Kunst und Kultur sind von Sponsoring und öffentlichen Förderungen abhängig. Wir haben eine unfassbar vielfältige Kulturlandschaft in Deutschland - das darf man nicht vergessen! Viele andere Länder beneiden uns darum.

Umso mehr ist es angezeigt, dass wir mit unserer Studie zu Situation NRW Argumente liefern wollen, dass es sich lohnt, wenn die Wirtschaft in den Jazz investiert...

Auf jeden Fall! Die Szene in Nordrhein-Westfalen ist sicher die interessanteste in Deutschland. Das hat etwas damit zu tun, dass es hier so viele große Städte und vor allem zwei Musikhochschulen gibt. Die stilistische Bandbreite ist groß und wir haben mit Moers eines der wichtigsten Festivals in Europa, das sich die freien Spielformen auf die Fahnen geschrieben hat. Genauso gibt es Festivals, die andere Schwerpunkte haben. Ebenso ist die Musikerszene sehr unterschiedlich. Es gibt viele, sehr etablierte und bekannte Musiker in Nordrhein-Westfalen und ganz junge, die gerade erst in den Markt hinein strömen. Das alles ist nicht einfach unter einen Hut zu bekommen. Vor allem muss hier jeder für sich selber kämpfen. Dankenswerterweise gründen sich jetzt Organisationen wie nrwjazz, aber auch Festivals und Clubs wie die Schmiede in Düsseldorf, die sich daran begeben, um dieses weite Feld besser zu bearbeiten. Es gibt viel zu tun. Aber es wird auch sehr viel Gutes gemacht.

Zurück zu Deiner Kooperation mit Skoda. War der Deal, den Du mit dem Autokonzern hinbekommen hast, eine Pioniertat in Sachen Jazz-Sponsoring?

So etwas ist immer an Personen gebunden. Vor ungefähr 30 Jahren fragte mich der Betreiber des Jazzclubs in Trier, Thomas Schmitt, ob ich eine internationale Dozenten-Band für einen Workshop in Trier zusammenstellen könnte, den die Firma Reynolds Tobacco finanzieren und unterstützen mochte. Wir haben damals eine Band zusammengestellt, in der u.a. Arild Andersen, Norma Winstone und John Abercrombie dabei waren. Uwe Gabler hat damals für Reynolds gearbeitet und ist später dann zu Skoda gegangen.

Was war das besondere an Uwe Gabler?

Uwe Gabler war vor allem eins - nämlich sehr kunst- und musikbegeistert.

Also kommt es darauf an, dass man eine gute Spürnase entwickelt, wo es in der Gschäftswelt kulturaffine und gebildete Menschen gibt?

Ja, natürlich. Dabei war die Geisteshaltung damals eine völlig andere bei meiner Generation: Ich bin ein Alt-68er. Du weißt ja noch, wie der Zeitgeist damals war. Für uns waren Manager aus der Großindustrie und aus den Konzernen der kapitalistische Erzfeind. Aber dann hat sich allmählich ein neuer Geist etabliert. Es gab dann in zunehmender Zahl Firmen, die auf dem Feld der Beratung für mittleres und gehobenes Management von Firmen und Konzernen tätig wurden. Man entdeckte damals Modelle zur Verbesserung von Kommunikation, Arbeitsabläufen, flacheren Hierarchien und Verbesserung des sozialen Klimas in den Firmen – wie sie letztendlich schon erfolgreich in Gruppen auf den kulturellen Ebenen von Jazzcombos, Orchestern, Theaterensembles usw. existierten.

Dass hierfür schließlich auch Jazzmusiker gefragt waren, hatte wieder mit persönlichen Konstellationen zu tun. Der Chef einer solchen Beratungsfirma hatte einen Sohn, der an der Berkley School in Boston Jazz studiert hatte. Nach der Rückkehr des Sohnes nach Deutschland fragte er uns: Meint ihr, wir können anhand dieser Musik den Managern aus großen Firmen zeigen, wie Teamwork in einer Jazzcombo funktioniert? Also konnten wir Jazzmusiker demonstrieren, wie es in einem Team zugeht, das nicht unbedingt der Wirtschaft und Industrie angehört. Wir haben dann für das Management von großen Firmen in Deutschland Konzerte gegeben und dabei gezeigt, wie Kommunikation in unserer Musik funktioniert, in der der größte Anteil an Abläufen auf Improvisation basiert.

Was zeichnet die Jazzcombo als Sozialgefüge aus?

Ich denke, dass eine Jazzcombo eine ideale Gruppierung ist, an der man Kommunikation studieren kann. Jeder kann sowohl als Solist nach vorne treten, jeder kann auch wieder zurück treten, um den anderen den Vortritt zu lassen. Weil improvisiert wird, muss permanent eine extreme Aufnahmebereitschaft von allen Seiten der Musiker vorhanden sein. Und wo gibt es eine Gruppierung von Menschen, wo Alter, Geschlecht, Hauptfarbe, Nationalität und unterschiedlicher kultureller Hintergrund keine Rolle spielen? Wenn in Musik kommuniziert wird, braucht es Respekt. Nenn mir eine Berufsgruppe, wo dies auf Anhieb funktioniert.

Kommt da die These vom herrschaftsfreien Diskurs ins Spiel?

Den gibt es so nie wirklich. Das war so eine These wie die von der antiautoritären Erziehung in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Aber ich finde, dass Combojazz ein idealer Platz ist, um zu demonstrieren, wie Gesellschaft funktionieren kann und sollte

War der Zeitgeist damals anders?

Gab es mehr Offenheit für solche Ideen? So etwas war auf jeden Fall neu. Vor allem: In die entscheidenden Positionen bei den Firmen kamen jüngere Generationen hinein. Die standen unserem Ansatz schon aufgeschlossener gegenüber. Heute ist so etwas ja Standard geworden. In der Klassik sind sie ja noch viel weiter: In der Kammerphilharmonie Bremen werden Management-Trainings mit klassischer Musik gemacht. Das heißt, die stellen Manager vor das Orchester und lassen diese dann das Orchester dirigieren. Aber das ist nicht vergleichbar. In der Klassik ist von vornherein klar, was die Musiker zu spielen haben. Im Jazz ist der eigene Anteil der Musiker an den Inhalten der Musik viel größer.

Wie beurteilst Du die öffentliche Wahrnehmung des Jazz überhaupt? Verdient die improvisierte Kultur nicht einen viel größeren Anteil?

Ja, natürlich. Aber so etwas ist immer abhängig von Menschen, die dafür offen sind und so etwas fördern wollen. Aber das kann aus vielen Richtungen heraus bewertet werden. Wir sehen gerade diese fürchterliche Katastrophe mit den Flüchtlingsströmen. Wie oft wird in diesen Tagen das Wort „da müssen wir improvisieren“ herangezogen? Improvisieren muss man, wenn etwas schief läuft. Das ist ein negativ besetzter Begriff. Ein Jazzmusiker aber sagt voller Stolz: Ich KANN improvisieren. Im Management heute wird diese Begrifflichkeit wieder positiver bewertet. Man muss flexibel sein, auf unvorhergesehene Situationen reagieren können. Das ist nichts anderes als improvisieren.

Zurück zur Škoda-Allstar Band! Ihr habt durch dieses Sponsoring ja außerordentliche Möglichkeiten genossen und habt den Jazz in viele neue Kontexte hinein gebracht. Vor allem: Durch den Sponsor konnten auch kleine Veranstalter mit schmalen Budget in den Genuss einer hochkarätigen internationalen Jazzformation kommen.

Genau das war mir ganz besonders wichtig. Ich habe darauf geschaut, dass kleine Veranstalter, die seit Jahren in kleineren Städten breit aufgestellte kulturelle Veranstaltungen machen, diese Band bekamen. Mir ist es unheimlich wichtig, dass eben nicht nur in den Zentren Jazz passiert, sondern eben auch in kleinen entlegeneren Gegenden und Städten. Es gibt so viele wunderbar arbeitende Kulturclubs überall! Ebenso war es mir ganz wichtig, dass die Veranstalter Geld an uns verdient haben, weil die meisten Kosten der Konzerte von Skoda getragen wurden.

Wie wird man als Jazzband wahrgenommen, die zugleich ein Werbeträger ist?

Es ist sehr schade, dass manche Presse- und Rundfunkleute sofort Abstand nehmen, wenn der Name Škodafällt. Das geht so weit, dass die den Namen Škoda oft nichtmals drucken wollten.

Haben die Medienvertreter Angst, dass Jazz als gesponserte Kunstform nicht mehr authentisch ist?

Das wird als Schleichwerbung betrachtet. Aber hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Niemand hat Probleme damit, Spiele von von „Bayer“-Leverkusen zu berichten oder diese im Fernsehen zu übertragen. Da fragt man sich doch wirklich: Wo bleibt hier die stimmige Kette? Es findet doch heute sowieso überall ein Image-Transfer statt. Man denke an die großen Kulturfestivals, die ohne Sponsoren überhaupt nicht laufen könnten oder die ganzen Public Privat Partnerships im Hochschulbereich. Ideologische Barrieren tragen hier wirklich nicht mehr der Wirklichkeit Rechnung.

Hat Deine Zusammenarbeit mit Skoda irgendeinen Einfluss auf die künstlerische Arbeit der Band gehabt?

Überhaupt nicht. Einen besseren Sponsor kann man sich nicht wünschen. Wichtig ist, dass man von Anfang an seine Grenzen abzustecken weiß. Bei mir kommen zum Beispiel keinerlei Werbemittel auf die Bühne. Wir haben Banner in den Foyers aufgestellt und die Autos von Skoda, die uns für die Tournee zur Verfügung gestellt wurden, vor den Eingang geparkt.

Wie hat sich das Jazzbusiness gewandelt?

Ich sage es mal etwas provokativ: Die Qualität der Musik ist nicht mehr oberstes Kriterium, sondern das Marketing. Es gibt unfassbar gute Musiker, die Weltstars sein könnten, aber die nicht die Möglichkeiten bzw. das Geld haben, um eine Karriere aufzubauen.

Was ist für einen jungen Musiker wichtig, damit er in den Markt hinein kommt?

Überspitzt gesagt, sieht es heute so aus: Man sollte erst mal 70000 bis 80000 Euro in die Hand nehmen, um eine super Produktion zu machen und mindestens die Hälfte dieses Betrages für Marketing, Werbung und Booking aufwänden. So hart es klingt, so hat es heute vor allem mit Geld zu tun, wenn Musiker Aussicht auf eine professionelle Karriere haben wollen. Solange die Unterstützung für ein solches Ziel nicht von außen kommt, (also durch Sponsoren, Produzenten, Agenturen, reiche Eltern, Erbschaft und das ist ja in der Regel nicht der Fall), muss man sich eine Art Business-Plan machen mit kurz-,mittel- und langfristigen Zielen, die erreichbar erscheinen.

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