Die Hilfen bleiben halbherzig
Musiker mit Auftrittsverbot sind KEINE Arbeitssuchenden!
TEXT: Stefan Pieper |
Das Land NRW zeigt Verständnis und hat bei den Soforthilfen für Soloselbständige rückwirkend ein mildes Feintuning betrieben: Ab jetzt dürfen von den 9000 Euro also doch einmalig € 2000 für die eigenen Lebenshaltungskosten eingesetzt werden. Aber nur für alle, die schon für April und Mai das Geld erhalten und bewilligt bekommen haben. Eine freundliche Geste -aber es ist noch viel mehr zu reparieren, wenn der Kultur geholfen werden soll.
Die Soforthilfe war ja so schön gedacht: Als effektives, gerechtes, pragmatisches Tool, damit freiberufliche Kreative das beste aus ihrer Situation machen können. Die Gesellschaft braucht sie ja schließlich. Weiterleben, komponieren, Miete zahlen. An kreativen Konzepten für die Zeit „danach“ und die Vermarktung ihrer Tonträger arbeiten. Dem sozialen Abstieg vorbeugen. Dem sozialen Zusammenhalt durch schöpferische Kulturleistungen dienen. Um dafür den Rücken zu gestärkt zu bekommen, haben viele Betroffene den Soforthilfe-Antrag gemäß der FAQ nach bestem Wissen und Gewissen gestellt - und zeitnah zu den in diesem Moment verbindlich gültigen Konditionen bewilligt und ausgezahlt bekommen.
Wenn nun Vertreter aus dem Bundeswirtschaftsministerium proklamieren, dass dieses Geld gar nicht für diese Klientel von Antragsteller gedacht gewesen sei, kommt eine uralte Karikatur ins Bewusstsein: Wir sehen Robin Hood, der das Geld an die Armen verteilt. Gefolgt von einem merkwürdigen Büttel, der es wieder einsammelt - und dem König gibt.
Rechtsgrundlagen prüfen
Spaß beiseite: Gehen wir einfach mal davon aus, dass es „auch in Zeiten von Corona“ noch so etwas wie Rechtstaatlichkeit gibt. Die Beweislast, dass hier etwas nicht so gemeint und gedacht war, obwohl es ausdrücklich in den Schriftsätzen der Bezirksregierung so stand, liegt grundsätzllch bei den staatlichen Behörden und wohl kaum bei den Betroffenen. Genau dies ist jetzt erstmal von unabhängiger juristischer Seite nachzuprüfen - in Bezug auf jeden Satz in den rausgegangenen Antrags- und Bewilligungschriftsätzen zur Soforthilfe! Formulierungen in Antragsverfahren (und eben auch das Fehlen einschlägiger Klauseln, etwa, dass das Geld NICHT auch z.B. für private Mieten etc. genutzt werden soll) haben in der Regel Rechtsverbindlichkeit - egal ob elektronisch oder auf dem Papier! Zu klären wird sein: Haben wirklich zum Zeitpunkt des Antrags so deutliche Ausschlussklauseln dringestanden, dass sie eine behördliche Rückforderung in irgendeiner Weise juristisch stützen würden? (Berechtige Zweifel daran erheben mehrere Expertisen, unter anderem eine der GEW, siehe news unterhttps://nrwjazz.net/jazzreports/2020/Lebenshaltungskosten_sind_in_Soforthilfe_mit_abgedeckt_/.....).
Wirrwarr und Verunsicherung
Nicht falsch verstehen: Die Schadensbegrenzung durch die einmalige Gewährung von € 2000 seitens des Landes NRW ist ausdrücklich zu loben. Es wurde auf die Forderungen und Petitionen reagiert, Einsicht und Gespür gezeigt, durchaus unter limitierten Vorgaben das Beste gegeben, während sich der Bund hartnäckig stur stellt. Aber diese Finanzspritze hilft trotzden nur kurzfristig, wo das wirtschaftliche Überleben für viele freie Kulturschaffende auch nach den ersten Lockerungen noch auf lange Sicht prekär bleiben wird. Trotz dieser freundlichen Geste aus Düsseldorf fühlen sich viele Betroffene nach wie vor allein gelassen in einem konfusen Wirrwarr aus konkurrierenden, sich gegenseitig ausschließenden „Hilfsangeboten“ , Verunsicherungen, Widersprüchlichkeiten und kryptischer Bürokratie. Nur ein Beispiel: Wer im April die Soforthilfe beantragte, sich dann aber voreilig verrückt machen ließ und verzweifelt einen Antrag beim jobcenter stellte, der hat die € 2000 von vornherein verwirkt, vmtl. auch wenn später der Grundsicherungsbescheid abgelehnt wird oder lächerlich mager ausfällt.
Ja, hier bleibt wieder der Eindruck von Halbherzigkeit. Sind sämtliche gestalterischen Energien und finanzielle Ressourcen der Politik schon wieder für Rettungsschirme für Konzerne, „Abwrackprämen“ und andere Fetische der Wirtschaftseliten restlos vereinnahmt?
Musiker mit Gagenausfall sind nicht arbeitssuchend
„Lasst euch nicht kleinmachen!“ sollte erstmal der dringende Appell an alle Betroffenen gelten. Bewahrt einen kühlen Kopf, tut euch zusammen, um Klarheit und Rechtssicherheit zu erkämpfen. Sich vorauseilend in die Grundsicherung der jobcenter drängen zu lassen, ist definitiv der falsche Weg. Wieso eigentlich „jobcenter“?– Musiker machen auch in Zeiten von Auftrittsverboten ihren „Job“. Sie sind in keiner Weise „arbeitssuchend“ und brauchen auch keine „Eingliederungsvereinbarungen“ in was auch immer.