Bild für Beitrag: Bragança – Bottrop – Berlin – Lissabon | Telmo Pires
Bild für Beitrag: Bragança – Bottrop – Berlin – Lissabon | Telmo Pires
Bild für Beitrag: Bragança – Bottrop – Berlin – Lissabon | Telmo Pires
Bild für Beitrag: Bragança – Bottrop – Berlin – Lissabon | Telmo Pires

Bragança – Bottrop – Berlin – Lissabon

Telmo Pires

Lissabon, 17.10.2012
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese

Der Herbst ist ein paar Tage zuvor in Lissabon eingetroffen, das herrlich spätsommerliche Wetter plötzlich verschwunden. Es regnet. Aber passt so ein trübes Wetter nicht wunderbar zum Bild des ach so immertraurigen Fado? Auf dem Weg von der Graça, diesem so lebendigen Viertel im oberen Teil von Portugals Hauptstadt, in dem Telmo Pires inzwischen ein Apartment hat, runter in die Alfama durch die dunklen und aufgrund des Regens menschenleeren, kleinen, verwinkelten Gassen zu laufen, um dann plötzlich an einer Ecke an einer Kneipe mit offenen Türen vorbeizukommen, an der eine Frau direkt am Eingang stehend in den Regen hinaus Fado singt, eigentlich für fast niemanden, auch das passt in das Bild von Fado. Ein Bild, das nach Klischee duftet, aber im gleichen Moment angenehm real ist.

Telmo Pires ist in Lissabon. Immer öfter. Seine Berliner Wohnung ganz aufzugeben, darüber denkt er gerade nach. „Ich habe mich nie getraut, in Portugal was zu machen“, gesteht der sympathische Sänger und Songschreiber. Vielleicht, weil er zwar in seiner Heimatstadt Bragança ganz im Norden Portugals geboren wurde, aber als Kleinkind schon dem Vater ins Ruhrgebiet folgte und dort aufwuchs. Da fühlt man sich in der portugiesischen Sprache dann erst einmal doch nicht ganz so sicher. Den Sommer 2010 aber verbrachte Telmo Pires in Portugal und vor allem in Lissabon. „Ich habe mir alle Fado-Restaurants angeguckt, alle Festivals besucht. Ich war auch enttäuscht, vieles klang nach Musik für Touristen. Aber es gab auch tolle Momente, etwa bei einem Radiointerview neben Dulce Pontes zu sitzen.“

Für Dulce Pontes spielt auch der Cellist Davide Zaccaria, der schon für Mariza und Ana Moura arbeitete und jetzt die neue CD von Telmo Pires produziert hat. Ein Album, das ganz nach Telmo Pires klingt. Denn: „Ich bin ja nicht in Fadokneipen aufgewachsen, sondern in Deutschland.“ So findet sich auf seiner jetzt erscheinenden CD „Fado Promessa“neben überwiegend eigenen Songs mit „Os Navios“ auch ein Stück der kanadischen Musikern Lorenna McKennitt. Kein Fado, meint Telmo Pires, aber: „Ich fand die Melodie so stark und wollte das Stück unbedingt singen.“ Mit eigenem Text, versteht sich. Auf der ganzen Platteentpuppt sich Telmo Pires ohnehin als fantasievoller und poetischer Texter mit eigener Note.

Zum Fado gekommen ist der Sänger durchs Radio. Mit dem Weltempfänger klangen portugiesische Sender selbst bis nach Bottrop durch. Und die Mutter liebte die große Amália, die Fado-Ikone Amália Rodrigues. „Ihre Stimme und die von Carlos do Carmo sind bei mir hängengeblieben“, erinnert sich Telmo Pires. Und doch singt er erst andere Musik, viel Chanson, lernt Gitarre spielen, nimmt zwei Jahre lang Schauspiel- und Sprechunterricht, um dann immer mehr zu spüren, dass der Fado seine Art und Weise ist, sich künstlerisch, sprachlich und musikalisch auszudrücken. Und sein Stil entwickelt sich. Telmo Pires tritt zunächst mit Bands auf, die von der Besetzung mit Kontrabass und Klavier eher einer Jazzcombo gleichen. Ein Kontrabass im Fado, das war mal ein Skandal, als der ebenfalls zwischen Berlin und Lissabon pendelnde Carlos Bica ihn bei Carlos do Carmo einführte. Inzwischen ist der Kontrabass Fado-Normalität und auch auf „Fado Promessa“ zu hören, ebenso wie ein Klavier, auch das nicht unbedingt ein klassisches Instrument des Fado. Das ist die portugiesische Gitarre. Auch sie ist auf dem Album, das „am meisten ich, am meisten Telmo, am meisten das ist, was für mich Fado ist.“ Musik aus der tiefsten Seele, der Seele Portugals.

Vor zwei Jahren noch fühlte sich Telmo Pires in Lissabon wie ein Alien, wie er selbst sagt. Aber jetzt, man kann es spüren, wenn man ihn in der Stadt am Tejo begleitet, fühlt er sich wohl. Ein umjubeltes Konzert in Bragança vor ein paar Monaten, sein erstes in Portugal, hat sicher auch dazu beigetragen. Kontakte zu Musikern sind entstanden und selbst der legendäre Jorge Fernando, der mehr als zwei Jahrzehnte bei Amália Rodrigues spielte und Fado-Künstler wie Ana Moura, Mariza oder Camané produzierte, umarmt ihn bei einem spontanen Treffen schon sehr freundschaftlich.


Jetzt gilt es nur noch, die Verwunderung bei vielen im Ausland, einen männlichen Fadokünstler auf der Bühne zu sehen, in Überzeugung umzuwandeln. „Außerhalb Portugals ist es mit dem männlichen Fado nämlich immer noch schwierig“, weiß Telmo Pires aus eigenen Erfahrungen nur zu gut. „Amália hat den Fado definiert und sie war eben eine Frau. Auch heute noch kommen Leute nach Konzerten zu mir und wundern sich, dass auch Männer Fado singen.“ Tun sie, und im Falle von Telmo Pires auch noch mit sehr viel Qualität.


Suche