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Auf jeden einzelnen Ton Wert legen

Im Funkhaus mit der WDR-Bigband arbeiten

Köln, 23.03.2022
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

An unzählige Mathestunden werden sich unsere Schülerinnen und Schüler wohl später nicht mehr erinnern, aber dieser Tag hier wird wohl über viele Jahre in Erinnerung bleiben“, Musiklehrer Dominik Hummel und Leiter der Schulbigband in Bielefeld gibt sich selbstbewusst. Er ist an diesem Samstagvormittag mit seinem talentiertem Nachwuchs nach Köln gereist – zum Gruppenchoaching mit der WDR-Bigband als Höhepunkt beim diesjährigen Jazz@ School-Programm, mit dem eines der weltweit profiliertesten Jazzorchester jedes Jahr eine verdienstvolle Breitenarbeit leistet.

Noch ganz frisch in den Ohren haben die circa 80 jungen Musikerinnen und Musiker ihre Schulkonzerte in Bielefeld, Dinslaken und Stolberg, wo die WDR Bigband vorm gesamten Schulpublikum konzertiert hat und auch die eigenen Schulbigbands am Programm mitwirkten. Eben hier vollziehe sich für viele Menschen der so wichtige „Erstkontakt mit Jazz“, wie es Mirjam von Jarzebowski, die beim WDR die Education-Projekte betreut, formuliert.

Im Klaus von-Bismarck-Saal demonstrierte ein Exklusivkonzert unter Leitung von Torsten Maaß, warum die WDR-Bigband als Institution für musikalische Qualität und Präzision weltweit geachtet wird. Danach wird in mehreren simultan laufenden Gruppen-Coachings intensiv gearbeitet. Zwei Koryphäen aus der WDR-Bigband leiten das Coaching im Klaus von Bismarck-Saal, nämlich Schlagzeuger Hans Dekker und der Saxofonist Martin Grasser. Sie assistieren und beraten aber nur, die Leitung seiner eigenen Bigband liegt noch in Dominik Hummels Händen.

„One, two, three, four….“ immer wieder. Auf den Notenpulten stehen die Basic Riffs von Troy Andrew „Backatown“, später wird noch der Anfang von John Coltranes Blue Train durchexerziert, zum Schluss geht es mit dem „Pink Panther“ in die Zielgerade. Aber es geht dabei vor allem um das, was Pflicht ist, die Kür folgt später. Die Teilnehmenden überrascht, wie lange und akribisch nur an einem einzigen Riff gearbeitet wird. Man könnte sich in diesem Moment auch bei einer Studioaufnahme wähnen, wo ein unerbittlicher Tonmeister Regie führt. Vor allem geht es um Achtsamkeit für das Detail. Denn erst dadurch entsteht Musik, die als ganzes wirkt. Artikulation ist gerade das Stichwort. Immer wieder unterbrechen Hans Dekker und Martin Gasser, um zu kommentieren, zu präzisieren – nicht ohne lockeren Spaß dabei zu verlieren, denn nur eine positive Arbeitsatmosphäre führt zu kreativen Resultaten. „Ihr müsst die Töne noch starker artikulieren und noch mehr zwischen lang und kurz unterscheiden“ lautet eine der zahllosen Anregungen. „Jetzt noch etwas aggressiver im Ton.“ Hans Dekkler demonstriert durch Händeklatschen, wie der offbeat funktioniert, räumt ein, dass dies schon eine recht schwierige Sache ist. Er gibt dem Schlagzeuger Hilfestellung, klopft den Beat auf dem Ride-Becken mit, als die Musik wieder anläuft.

Aufeinander Hören macht 90% beim Musikmachen aus“

„Es geht darum, dass Dinge bewusst gemacht werden, wenn man spielt“ beschreibt Hans Dekker die Philosophie. Dominik Hummel ist sich derweil sicher, dass seine Schülerinnen und Schüler diese Wahrheiten aus dem Munde hochkarätiger Vollprofis an diesem exklusiven Ort viel stärker an sich heranlassen, als sonst im normalen Alltagsgeschäft des Unterrichts. Noch viele grundsätzliche Sätze werden an diesem Tag hängen bleiben. Etwa wenn von Hierarchie beim Musikmachen die Rede ist: „Ihr müsst aufeinander Hören. Darüber definieren sich 90% beim Musikmachen. Noten und auch Dirigent machen den Rest aus.“

Und ja, und gerade beim Bigband-Spiel, welches viele Profi-Jazzer als wichtige Lehrinstanz für den eigenen Werdegang betrachten, geht es darum, „gleich“ zu denken. Aber das ganze ist auch – und das zählt im Schulkontext noch viel mehr – eine prägende soziale Erfahrung, die zur Persönlichkeitsbildung beiträgt. Und darum – und eben nicht nur um einen möglichst guten Abinoten-Durchschnitt – geht es in der Schule ja auch. Bzw. sollte es idealerweise gehen.

Auf jede einzelne Note Wert legen!“

Jede Schule, in der es eine eigene Bigband gibt, kann sich für das Jazz@School-Programm bewerben. Mirjam von Jarebowski, welche die Education-Projekte des WDR betreut, betont ausdrücklich, dass hier nicht in künstlerischer Konkurrenz ausgewählt wird. „Wichtig ist uns, dass es wirklich eine echte Jazzbigband ist und irgendein vermischtes Orchester. Ebenso brauchen wir gute Räumlichkeiten, wenn wir die WDR-Bigband auftreten lassen wollen. Die jeweiligen Schulbigbands bestreiten das Vorprogramm. Aber wir helfen ihnen auch gerne mit Profi-Aushilfskräften aus eigenen Reihen aus, wenn dies gewünscht ist.“

Am Ende sind alle Beteiligten erschöpft, aber glücklich. Die junge Saxofonistin Arven Dühmeier schildert spontan ihre Erfahrung: „Ich kann bei mir jetzt einen Unterschied zwischen Vorher und Nachher feststellen. Mir ist auf neue Weise bewusst geworden, wie viel Kleinigkeiten in der Musik ausmachen.“ Auch der Klarinettist Konstantin Kühn freut sich über künstlerische Bewusstseinserweiterung: „ Es ist eine tolle Erfahrung, mit Profis zusammen zu spielen. Wir haben viele Tipps mitbekommen und neues gelernt, was wir jetzt aufs eigene Spiel übertragen können und sehr individuell dran feilen können. Vor allem wurde mir klar, dass man wirklich auf jede einzelne Note Wert legen muss.“

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