Auf ein Wort
Musik ist Liebeserklärung und nicht Waffe
TEXT: Stefan Pieper |
„Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben, noch wird uns lächeln, junge Ukrainer, das Schicksal. Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne, und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein“ lautet die erste Strophe der ukrainischen Nationalhymne – nein, dieses Lied ist nicht gerade aktuell in diesen Tagen geschrieben worden, auch wenn dies in so tragischer Weise naheliegt.
Der ukrainische Dichter Pawlo Tschubynskyj schrieb im Herbst 1862 dieses patriotische Gedicht, das später zur Hymne wurde, lange bevor es die Ukraine als eigenständigen Staat gab. Vielleicht sind diese Zeilen ein Schlüssel für das Verständnis, warum die Menschen in diesem nahen osteuropäischen Land mit ihrer vielseitig gelebten kulturellen Nachbarschaft so handeln und fühlen.
Die Welt ist seit dem 24. Februar nicht mehr so, wie sie vorher war. Und ja – der Kölner Stadtgarten wurde an einem Abend der letzten Woche zur Zuflucht, wo Musik Menschen verbindet, welche zusammenstehen, ihre Gesichter zeigen. In einer Weltlage, die erst zögerlich in der Alltagsnormalität vieler Menschen ankommt und jeden Tag aufs Neue das bis dahin Vorstellbare sprengt.
Ein spontan organisierter Konzertabend präsentierte Jazzmusiker, die sich auch in einer Ausnahmesituation mit ihrem professionellen Handwerkszeug ohne lange Vorbereitung auf Unvorhergesehenes einlassen können. So weit, so gut. Aber das ganze ist mehr. Viel mehr! Da agieren (unmittelbar betroffene) Menschen, auf deren emotionale und produktive Energie im Zentrum von Bedrohung, Verzweiflung und Ohnmacht Verlass ist. Wie klein sind doch dagegen viele Luxusprobleme und Befindlichkeiten, welche bis dahin mit viel Lärm die Sinne und Diskurse verstopft haben und oft spaltend wirkten. Wo es doch Verbindung braucht.
Tamara Lukasheva hatte irritiert gewirkt bei der Frage eines Radiojournalisten, ob sie Musik „als Waffe“ sehe. Musik und Waffen – irgendwie passt dies überhaupt nicht zusammen. Das Repertoire an diesem Abend zeigte, dass Musik doch immer in erster Linie Liebeserklärung und eben nicht Waffe ist. Wir wissen leider im Moment nicht, ob solche überlegenen, von zahllosen Menschen geteilten Ressourcen irgendwann den Wahn eines einsamen Despoten zu brechen vermögen.
Kann es eigentlich sein, dass sich Herr Putin in seiner hermetischen Abschottung von allen Menschen und seinem wahnhaften Bestreben, die Welt anzuzünden, verdammt einsam fühlt?
https://www.betterplace.org/de/projects/106523-freiheit-und-frieden-solidaritaetskonzert