Auch nach der Krise mehr Auszeit nehmen
Jens Düppe im Gespräch
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Jens Düppe nutzt die zusätzliche Zeit sich tiefer mit seinen Kompositionen für sein Quartett zu beschäftigen. Er nutzt die geschenkte Zeit, um die musikalische Richtung seiner Band zu reflektieren und hofft, dass er sich auch nach dieser Krise mehr Auszeit für solche Projekte nehmen wird.
Wie geht es Dir und wie geht es Deiner Frau, die aus Sardinien stammt und die Situation in Italien ist ja mehr als ernst?
Mir geht es gut und meiner Frau auch. Als die Region Lombardie abgesperrt wurde, sind viele Leute in ihre Ferienhäuser ausgewichen, eben auch auf Sardinien und die haben einige Corona Fälle eingeschleppt. Nun ist die Lage aber seit ein paar Wochen unter Kontrolle. Meine Schwiegereltern sitzen in ihrem Dorf und es geht ihnen soweit gut.
Was machst Du in einer Zeit ohne Konzerte oder Reisen?
Morgen hätte ich ein Flugzeug bestiegen und wäre zu einem Festival nach Gran Canaria geflogen. Das macht mich natürlich etwas traurig, dass das nun nicht stattfinden kann.
Aber in den letzten Tagen habe ich für mich eine gute Tages- und Wochenstruktur entwickelt.
Das fiel mir in der ersten Zeit schwer. Die unklare Situation, welche Maßnahmen als nächstes beschlossen werden würden, haben bei mir Unsicherheit und Frustration hervorgerufen und dazu geführt, dass ich gar nichts gemacht habe und einfach nur gewartet habe.
Einige Musiker*innen waren von Anfang an sehr aktiv, dazu gehörte ich nicht. Seit ein paar Tagen habe ich nun einen Rhythmus für mich gefunden. Ich bereite Dinge für die Zukunft vor.
Ich arbeite mit der USB Stiftung in Ratingen zusammen. Dieser Stiftung und diesen Menschen liegt die Kultur wirklich am Herzen und sie überlegen, wie sie die Musiker*innen in diesen schwierigen Zeiten unterstützen können. Einige große Konzerte in der Ratinger Friedenskirche, zu denen 400 Leute kommen, mussten abgesagt bereits abgesagt werden.
Die USB Stiftung will, sobald das möglich ist, kleine Konzerte mit kleiner Besetzung veranstalten, vielleicht auch nur mit einer Handvoll Publikum, die dann zusätzlich gestreamt werden. Diese Reihe, die möglichst im Mai starten soll, kuratiere ich.
Bist Du in Deinen eigenen Projekten als Musiker auch aktiv oder ruhen die im Moment?
Ich hatte bereits für Ostern geplant, Musik für mein Quartett zu schreiben. Die nächste Produktion wird im März 2021 für den Deutschlandfunk sein. Es gibt schon einen Release Monat und ein Label, für September 2021. Dafür komponiere ich. Da ich nun mehr Zeit habe, lasse ich mir auch mehr Zeit. So habe ich viel mehr Zeit und die Arbeit hätte sonst viel gedrängter stattgefunden. Durch diese viele Extrazeit, die ich nun zum Komponieren haben, kann ich tiefer in mich gehen, um zu erforschen, was denn der Bandsound sein soll. Wie soll dieses Quartett klingen, wie soll es weiter gehen? Ich habe nun Zeit zu reflektieren, wie der Weg der Band bisher verlief und wie er weitergehen soll. Ich schaue mich auch um, was um mich herum passiert. Ich erlebe, dass eine zusätzliche geschenkte Zeit, mich tiefer in die Musik einsteigen lässt und so zu einem erfreulichen Ergebnis führen kann. Ich hoffe, dass ich in Zeiten, wenn es wieder zehnmal schneller läuft, mich an diese Zeit erinnern werde und mir dann selbst bestimmt eine Auszeit nehmen kann. Vielleicht hat die Erfahrung von Zeit und Ruhe einen positiven Effekt für meine Zukunft. So dass die jetzige Erfahrung eine Nachhaltigkeit hat.
Ich bin auch Im Proberaum und bereite mein Soloprojekt vor, bei dem ich nicht nur Schlagzeug spiele. Das wird in den nächsten Tagen fertig sein.
Viele Künstler berichten, dass sie in dieser schwierigen Zeit viel Solidarität und Zusammenrücken erleben.
Ja, ich erlebe das auch. Viele Menschen sind an mich herangetreten und haben mir in verschiedener Form Hilfe angeboten. Nicht nur aus der Familie, sondern auch von Bekannten oder aus der Jazz Gemeinde. Auch die alltägliche Konkurrenz, die es ja auch beim Streaming gibt, ist deutlich abgeschwächter. Das Gefühl, dass wir alle in einem Boot sitzen überwiegt. Man geht auch gnädiger mit der Kunst der anderen um und beurteilt sie gnädiger als vorher.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl, besondern in der Musik Gemeinde, ist doch gestärkt worden.
Es wird wohlwollender betrachtet, was die anderen Musiker*innen produzieren. In anderen Zeiten wurden härtere Urteile gefällt. Im Kleinen äußert sich das auch darin, dass Kolleg*innen den Youtube Kanal oder die FB Seite von anderen Kolleg*innen liken. Da gibt der frei improvisierende Musiker auch ein Like an den Kollegen der Popmusik macht, das wäre in anderen Zeiten kaum denkbar gewesen. Die Hürde für solche Dinge liegt nun deutlich tiefer.
Es wird viel davon gesprochen, dass Konzerte nicht ausfallen, sondern nur verschoben werden. Aberkönnen die ausgefallenen Konzerte wirklich nachgeholt werden?
Konzerte fallen nicht aus, sondern werden verschoben. Das klingt gut. Aber an den Terminen, an die die Konzerte verschoben werden, fallen dafür andere Konzerte aus. Ein Club macht eine bestimmte Anzahl von Konzerten im Jahr, wenn nun die Konzerttermine, durch Nachholkonzerte belegt sind, dann wird es für die Musiker eng, d.h. wir werden auch im nächsten Jahr noch die Auswirkungen der jetzigen Krise spüren. Vielleicht hilft mir dann mein Soloprojekt, denn es wird leichter sein einen Termin für einen Musiker zu bekommen, als für eine ganze Band. Ich kann mich dann flexibel für eine bezahlbare Gage anbieten. So kann das Soloprojekt auch ein Überlebensprojekt sein.
Übrigens die Konzerte aus der Blind Date Reihe werden auch alle nachgeholt.
Wie bewertest Du die Hilfe der Politik?
Das Land NRW hat wahnsinnig schnell reagiert und auch der Bund war schnell mit Hilfsangeboten. Irgendwie geht hier aber vieles schief. Wahrscheinlich weil alles so schnell ging, bleibt vieles unklar. Das sorgt im Moment für große Unsicherheit. Jeder macht andere Erfahrungen. Kann ich die Hilfsgelder überhaupt beantragen? Der Topf des Landes geht nun in den Topf des Bundes auf. Aber die Hilfe des Landes war auch für den Ausfall von Gagen gedacht. Aber im Bundestopf dürfen keine Gagenausfälle kompensiert werden. Ich würde im Moment nur 100 Euro bekommen, für die Miete des Proberaumes. Das sind die einzigen Kosten, die die Regierung mir zugesteht. Lebenshaltungskosten und Gagenausfälle dürfen nicht abgedeckt werden. Auch die Künstlersozialkasse, meine Kranken- und Rentenversicherung, gilt nicht als unterstützenswürdig. Von was ich meinen Lebensunterhalt bestreiten soll, das sagt mir im Moment keiner. Theoretisch bin ich berechtigt die Unterstützung von 9000 € zu beantragen, da die Regierung mir meine Arbeit verboten hat.
Ich bin Antragsberechtigter, aber ich dürfte davon nur meinen Proberaum bezahlen. Den Rest müsste ich wieder zurückzahlen.
Es herrsch wirklich große Unsicherheit. Wenn Musiker*innen miteinander sprechen, dann ist dies das ständige leidige Thema. Jeder hat andere Informationen. Alles hängt in der Luft und keiner weiß genau Bescheid. Hilfe ist auf dem Weg, hoffentlich kommt sie bald.
Der Staat zeigt Solidarität und das Ausland schaut neidisch auf uns. Aus England und Italien bekomme ich zu hören, das uns doch gut gehe. Aber das Geld kommt im Moment nicht an.
Ich bin froh, dass es solche Verbände gibt, wie die Deutsche Jazzunion, die sich für die Belange von uns Musiker*innen einsetzen.