Applaus – Beifall - Klatschen
Applaus im Jazz
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Ein Konzert ohne Beifall? Das gibt es kaum, besonders nicht im Jazz. In der Corona-Zeit haben viele MusikerInnen gemerkt, wie wichtig dieses unmittelbare Feedback für sie ist.
Applaus – Beifall - Klatschen
Klatschen ist eine spezielle Form von Applaus bzw. Beifall. Forscher der Cornell University und der University of Mississippi haben herausgefunden, was beim Klatschen wirklich passiert. Beim Aufprall zweier Hände wird zwischen den Handflächen eine Luftkammer gebildet. Die Luft wird komprimiert und herausgepresst, es entsteht ein Knall. Dieses Geräusch, das wir in der Wiederholung als Klatschen bezeichnen, ist abhängig von Faktoren wie Größe und Form der Hände, Weichheit der Haut und Klatschtechnik. Das bedeutet auch, dass jeder Mensch beim Klatschen seinen eigenen individuellen Klang erzeugt. In Zukunft könnte dieser auch zur Identifikation von Personen genutzt werden.
Klatschen kann auch in der Musik selbst zur rhythmischen Begleitung eingesetzt werden. 'Hand Clapping' ist oft im Jazz zu hören, 'Palmas' (spanisch 'Handinnenfläche') sind elementar im Flamenco, in dem drei Arten unterschieden werden. Und selbst das Schenkelklopfen der belederhosten Voralpenbewohner hat diese Funktion.
Applaus ist generell ein wichtiger Bestandteil der Interaktion zwischen Musiker und Publikum, denn mit dem Beifall bekommen die Musiker eine direkte Rückmeldung. Glückshormone werden ausgeschüttet beim Hören der Musik, bei den Musikern besonders beim Applaus. Und der kann sehr unterschiedlich ausfallen, besonders was Dauer, Art und Intensität angeht. Doch Klatschen ist nicht die einzige Form von Applaus, auch mit Rufen kann Gefallen oder Missfallen ausgedrückt werden, manchmal auch mit Trampeln auf Böden oder Klopfen auf Tische. Zischen steht für Ablehnung.
Applaudieren als sozialer Prozess
Applaudieren ist auch ein sozialer Prozess. Wenn einer klatscht, machen die anderen mit? Wie verstärkt sich der Beifall, wann hört er auf? Der Physiker Guoqin Liu von der University of Mississippi hat untersucht, wie sich Gruppen beim gemeinsamen Klatschen mit der Zeit synchronisieren. Dieses Phänomen sei „ein reizvoller Ausdruck sozialer Selbstorganisation, der ein Beispiel auf menschlicher Ebene für die Synchronisationsprozesse liefert, die in zahlreichen natürlichen Systemen auftreten, von blinkenden asiatischen Glühwürmchen bis hin zu oszillierenden chemischen Reaktionen“.
Applaus kann auch Ritual-Charakter haben, besonders im Theater und bei klassischen Konzerten. Dort wird meist nur am Ende des Stücks bzw. Konzerts geklatscht mit Verbeugungen der Schauspieler bzw. des Dirigenten. Auch der Wunsch nach einer Zugabe ist mit intensivem und langem Klatschen ritualisiert, im Theater Blumensträuße inklusive. Auf die Spitze getrieben wird dies beim aus der Zeit gefallenen Radetzkymarsch, der oft am Ende der Neujahrskonzerte gespielt wird, wobei das gebildete Publikum gnadenlos in einen stupiden 4/4 Klatschrhythmus verfällt.
Applaus im Jazz
Bei Pop- und Rock-Konzerten klatscht das Publikum nach jedem Stück, im Jazz oft auch nach einzelnen Soli, also mittendrin. Die MusikerInnen bekommen dabei eine unmittelbare Rückmeldung.
Christian Müller spricht in seinem Buch ‚Doing Jazz‘ von einer Art "Feedback-Schleife oder Resonanzzusammenhang, in dem der Musiker seine Umwelt zunächst ungerichtet und weltoffen perzipiert, sie durch die eigenen klangerzeugenden Handlungen immer auch miterzeugt und verändert, was wiederum auf ihn rückwirkt und sich auf die anschließenden Handlungen auswirkt“. Ein wichtiger Bestandteil dieser ‚Umwelt‘ ist neben Ort, Raum und Tageszeit das Publikum selbst, vor allem dessen Rückmeldung durch Beifall. So kann beim Zwischenapplaus schon während eines Stücks ein Dialog zwischen Publikum und Band erfolgen. Er kann die MusikerInnen anspornen zu noch intensiverem Spiel, kann sie aber auch demotivieren, wenn er nur spärlich ist. Dann gehört es zur Professionalität der Musiker damit umgehen zu können.
Standing Ovations sind höchstes Lob für die Musiker, den die Zuschaueri müssen aufstehen und sich exponieren. Doch was passiert da im Publikum? Wer steht zuerst auf, wer schließt sich an? Steht man in den hinteren Reihen nur auf, um überhaupt etwas sehen zu können oder herrscht eine Art Gruppenzwang? Traut sich jemand sitzen zu bleiben, obwohl rundherum alle stehen?
APPLAUS steht auch für „Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten“. Mit diesem Preis werden im Auftrag der Bundesregierung Konzertprogramme unabhängiger Musikclubs geehrt. Auch dies ist natürlich eine Form von Feedback und Wertschätzung, eben auch eine Art Applaus.
Foto: Standing Ovations beim Konzert von Chris Hopkins & Scott Hamilton beim Zeltfestival Ruhr Sept. 2023