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30 Jahre Jazzfest Gronau

Interview mit Otto Lohle

Gronau, 17.03.2018
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Gronau im westlichen Münsterland ist als Geburtsstadt von Udo Lindenberg bekannt, sicher hat der ein oder andere Musikliebhaber auch das überaus interessante rock’n’popmuseum besucht. Und: Gronau hat ein Jazzfestival! In diesem Jahr gibt es mit dem 30. Jazzfest ein Jubiläum zu feiern. Aus diesem Anlass führt Heinrich Brinkmöller-Becker ein Interview mit einem der Macher, mit Otto Lohle.

Und wieder eine neue Ausgabe vom Jazzfest Gronau - mit dem 30. Jazzfest ist ja ein Jubiläum zu feiern.

Ja, wer hätte gedacht, dass aus dem zarten Pflänzchen von 1989 mittlerweile ein doch veritables Jazzfest erwachsen ist, das inzwischen national wie international zu einer Marke geworden ist!

Du warst von Anfang an dabei? Wie kam es dazu, in der Udo Lindenberg-Stadt gerade ein Jazzfest einzurichten?

Ja, stimmt. Damals war ich der jüngste in einer vierköpfigen Crew, bestehend aus Theo Eimann, Elmar Hoff und Manfred Haupt, der seine ersten veranstalterischen Gehversuche einige Jahre zuvor im Jugendamt der Stadt unternommen hatte und insofern über ein paar Basisinformationen verfügt, wie man so ein Ding angehen könnte. Kombiniert mit den eigenen musikalischen Vorstellungen und den Fähigkeiten der anderen Mitstreiter ergab sich ein Grundkonzept, das in dieser Form heute sicherlich nicht mehr funktionieren würde. Der Humus für dieses Vorhaben war allerdings schon lange Zeit vorher bereitet, denn nach dem Krieg waren gerade in Gronau Musik, sprich Jazz und Rock'n Roll durchaus akzeptierte Freizeitaktivitäten. Auch Udo trommelte ja bekanntlich in Gronauer Jazzformationen, eher er dann aus Gründen des Jugendschutzes ab 22.00 Uhr durch einen älteren Drummer ersetzt wurde. Konkrete Pläne entstanden dann im Sommer 1988 für eine erste Auflage im April 1989. Begleitet wurden diese Anfangsbemühungen durch ein verständnisloses Kopfschütteln vieler Gronauer, die uns und viele andere fragten, ob wir "sie noch alle beisammen" hätten, warum wir denn bei dem Maß an Arbeitslosigkeit auch noch die "Negermusik" nach Gronau holen würden. Das war - zugegebener Maßen - aus heutiger Sicht nicht unbedingt ein schöner Auftakt. Die Resonanz auf die erste Ausgabe mit einigen Dixieland- und Swingbands in Kneipen und einer umgebauten Textilhalle war allerdings derart positiv, dass wir uns bestätigt sahen, das Konzept weiter zu entwickeln. Mit vielen "Up's und "Down's" in organisatorischer und programmatischer Hinsicht hat sich dies bis in die heutige Zeit fortgesetzt.

Was hat sich in den 30 Jahren verändert?

Ziemlich viel in Richtung Programmatik, Finanzierung und Besucher, ziemlich wenig in der unglaublichen Bereitschaft lokaler Sponsoren, dieses Veranstaltungsformat nach wie vor finanziell zu unterstützen. 80 Prozent unserer Sponsoren sind von Anfang an dabei; u.a. auch sicherlich ein handfestes Bekenntnis zum Standort und zur Region. Das ist eigentlich unglaublich und verdient absolute Anerkennung, wenn auch wir nicht verhehlen können, zukünftig durch die Auswirkungen der Globalisierung Probleme im Sponsoring zu bekommen.

Was ist das Typische des Jazzfestes Gronau, das Gronau von anderen Festivals unterscheidet?

Es war von Anfang an die Absicht, ein "Jazzfest" zu veranstalten, ein Format, in dem Musik gefeiert werden soll, aber kein Festival, das neue Trends und Entwicklungen der Jazzmusik aufgreift und präsentiert. Die bis dato praktizierte genremäßige Vielfalt war und ist charakteristisch für das Programm des Jazzfestes Gronau. Wir sind nie "hippen" Trends hinterher gelaufen. Unsere Programmatik bezieht ihr Selbstverständnis aus der Tatsache, eine große Variationsbreite der verschiedenen stilistischen Möglichkeiten abzubilden, aber auch den Bedürfnissen einer immer bunter werdenden Gesellschaft zu entsprechen. Im Verein mit einer sehr familiären Atmosphäre und einer moderaten Preisgestaltung ist eine Marke entstanden, die es weiter zu entwickeln gilt. Wir bieten den Besuchern die Stars des Business, aber auch erfolgreiche Amateurbands in einem Paket.

Welche besonderen Highlights gab es aus deiner Sicht, aus Publikumssicht?

Aus Publikumssicht sicherlich der nächtliche Auftritt von Fats Domino im April 1991 in den alten Textilsälen, B.B. King im damaligen Jazz-Zelt im Jahre 1998 und Al Jarreau in der neuen Bürgerhalle im Jahre 2013. Ich selbst muss ja immer den Ritt auf der Rasierklinge wagen: Einerseits populäre Programmführung, andererseits guten nachrückenden Bands eine Bühne zu bieten. Emotional berührt hat mich Albert Mangelsdorff 1995 bei seinem Konzert mit den "Old friends", der uns choram publico als ein ausgezeichnetes Festival bezeichnete. Ähnliches hat auch Incognito-Chef Bluey Maunick die Besucher wissen lassen. Das sind für mich Highlights, weil sie uns bestätigen, auf den richtigen Pfaden zu wandeln.

Wie muss man sich die Organisation eines solchen Festivals vorstellen?

Wir sind im Organisationskern 3 Leute, wobei meine beiden Kollegen hervorragende logistische und organisatorische Arbeit leisten, ich selbst beschäftige mich hauptsächlich mit der Programmierung. Wer unseren ( zum Festival hin ) 50-köpfigen Mitarbeiterstab fragt, wird schnell zu hören bekommen, dass es die flachen Strukturen sind, die ein geschmeidiges Arbeiten ermöglichen und uns zu einer schlagkräftigen Einheit haben werden lassen ( "We are family" ).

Wer ist der typische Besucher/die typische Besucherin des Jazzfestes Gronau?

Hinsichtlich der Besucher hat sich in den letzten 15 Jahren so Einiges verändert. Bestand um die Jahrtausendwende das Publikum noch zu 60 bis 70 % aus Musikfreunden aus Gronau und Umgebung, so hat sich dies - sicherlich auch aufgrund der veränderten Programmführung - ins Gegenteil gedreht. Wir haben heute 2/3 Besucher aus dem Umfeld bis zu 120 - 150 km. Darüber freuen wir uns, weil wir das Jazzfest inzwischen auch als ein ausgezeichnetes Stadtmarketing-Tool nutzen. Der klassische Besucher ist um die 40 -50 Jahre und eher konzerterfahren durch die eigene Sozialisation. Probleme bereitet uns - wie auch vielen anderen Festivals - die Öffnung hin zu einem jüngeren Publikum. Wir sind da noch in der Probephase und testen seit einigen Jahren auch andere Möglichkeiten aus, die eher auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten sind. Hier wollen wir das Geld verdienen, das wir später in weniger populäre musikalische Angebote einfließen lassen. Das geschieht nicht immer mit Zustimmung der "Jazzpolizei"!

Wie sieht das Jubiläumsprogramm aus?

Ja, wie gehabt: große Namen - kleine Namen, bunt vielfältig, aber vor allem handgemacht! Das Spektrum reicht von Christian McBride / WDR Bigband über Götz Alsmann, Helge Schneider /Pete York bis hin zu Tower of Power... man könnte auch sagen, es ist für Jeden/Jede etwas dabei....

Euer Erfolgsrezept lautet...

Groove in the Green....

 

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