# 18 „Time remembered“
Erinnerungen an John Taylor (1942-2015)
TEXT: Karl Lippegaus |
Dann setzte ich mich zum Spielen hin, und für mein Empfinden hatte das Klavier Persönlichkeit und stellte sich mir liebenswürdig zur Verfügung. Alle Kompositionen, die ich spielte, erschienen mir neu; ihre Klangfarbe, ihr Ausdruck und selbst ihre Rhythmik waren anders. (Felisberto Hernández)
Der britische Jazzpianist John Taylor starb am 17. Juli, als er während eines Konzerts beim Saveur Festival in Segré, einem kleinen Ort im Westen Frankreichs, eine Herzattacke erlitt. Taylor hatte einen Auftritt mit dem Stéphane Kerecki Quartet aus Paris, mit dem er im letzten Jahr ein vielbeachtetes Album mit französischer Filmmusik (‚Nouvelle Vague‘) aufgenommen hatte. Taylor, der im Alter eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schriftsteller Kurt Vonnegut hatte, dem er ein schönes Album widmete, gehörte zu den herausragenden Künstlern im britischen Jazz. Auch die Jazzszene NRW hat ihm viel zu verdanken, jahrelang unterrichtete er junge Jazzpianisten an der Kölner Musikhochschule und wirkte auch in Großbritannien als Jazzpädagoge. Auf die Tatsache, dass dieser freundliche und weltoffene Zeitgenosse einer der größten Jazzpianisten unserer Zeit war, ließ sein unprätentiöses und bescheidenes Wesen nicht ohne weiteres schließen. Mit seiner leisen und sanften Stimme erzählte er mir bei einem letzten Treffen in einem alten Hotel in Paris – unweit der Jazzclubs ‚Sunside/Sunset‘ und ‚Duc des Lombards‘ – von seiner Herkunft und der nie verblichenen Bewunderung für den großen Vorgänger Bill Evans. In diesen Tagen erscheint „duets“, ein Album mit Richard Fairhurst, einem seiner talentiertesten Studenten.
Wie sind Sie zur Musik gekommen, John?
Ich wurde in Manchester geboren, verließ jedoch die Stadt, als ich ungefähr zehn Jahre alt war. Meine Schwester, die fünfzehn Jahre älter ist als ich, übte viel Klavier zuhause, als ich auf die Welt kam. Mein Eintritt in die Welt geschah also durch ihr Klavierspiel. Und als ich groß genug war, um zum Klavier heraufreichen zu können und ein paar Klänge erzeugen konnte, da muss ich so ungefähr sechs gewesen sein, da fand ich es schön, zu imitieren, was sie gerade gespielt hatte. Sie spielte Chopin, Rachmaninoff, Bach usw. Ich versuchte das nach Gehör nachzumachen. Sie war sehr gut, und irgendwann – mein Vater hatte sich das Klavierspiel mit ungefähr vierzig Jahren selber beigebracht – irgendwann zeigte er mir, wo die Töne auf dem Klavier waren. So konnte ich mir die Notenhefte meiner Schwester anschauen und dann anfangen, vom Blatt zu spielen. Aber da hatte ich vermutlich schon ein gewisses musikalisches Gehör mir gebildet, mein Hören trainiert, um Dinge auf die Weise aufzuschnappen.
Wann setzte Ihr Interesse am Jazz ein?
Als Teenager. Ich glaube, ich habe irgendwo zufällig etwas gehört, das muss Bebop gewesen sein. Aber was es genau war, weiß ich nicht mehr. Es hat mich jedenfalls begeistert. Dann gab es in den 50er Jahren einen britischen Trompeter namens Humphrey Lyttelton, der eine eher traditionelle Mainstream-Band leitete. Aber, sie hatten einen Hit! Ihr „Bad Penny Blues“ kletterte damals rauf in die Hitparaden. Der Pianist spielte mit der linken Hand eine Boogie Woogie-Figur und der Schlagzeuger trommelte in doppeltem Tempo, das fand ich toll. Danach kaufte ich Noten über meine Klavierlehrerin, bei der ich ein paar Jahre Unterricht hatte. Sie mochte das nicht, was ich spielte, und wollte andere, klassische Musik von mir hören. Bald fand ich heraus, wie man von Platten lernen und was man sich aus dem Radio fischen konnte, was ich mit vollem Eifer tat.
Kannten Sie da schon Ihren späteren Weggefährten John Surman?
Noch nicht, erstmal zogen wir an die englische Südküste. Ich schloss Freundschaft mit anderen Jazzfans, und wir begannen zusammenzuspielen. Surman traf ich erst, als ich nach London kam, das war einige Jahre später. Zu lernen was zu tun war, wie das alles funktioniert, das war ein langer Prozess. Es gab keine Jazzabteilungen an den Konservatorien zu der Zeit. Das Einzige, was dem entfernt nahekam war ein Jazz-Weekend, organisiert von der Zeitschrift Jazz Journal. Man konnte ein Wochenende in dieses Haus gehen und eine Menge andere Jazzfans treffen, da gab’s auch eine Hausband, die Bruce Turner Jump Band. Man zeigte uns einen kleinen Film der Band, wie sie irgendwo live auftraten und wie sie dort hingereist waren.
Die Hauptsache waren diese Begegnungen mit Gleichgesinnten aus anderen Teilen des Landes, miteinander reden und gemeinsam Platten hören. Damals war ich ein großer Oscar Peterson-Fan und hatte alle seine Platten. Aber dieser junge Typ aus London sagte, „Hast du mal Bill Evans gehört?“ Ich sagte nein, und er meinte, „solltest du aber unbedingt! Der spielt super.“ Also bestellte ich in meinem lokalen Plattenladen ein Bill Evans-Album, „Explorations“, und verliebte mich in diese LP.
Ein paar Fakten zur Biografie:
John Taylor war schon in den sechziger Jahren in diversen Tanzorchestern (die „populäre Bühne“, laut Anthony Burgess, der auch aus Manchester kam) aktiv. 1964 zog er nach London um und arbeitete mit hochtalentierten jungen Musikern wie John Surman und in Alan Skidmores Band, bald darauf mit einem eigenen Sextett, sowie in den Ensembles von John Warren, John Dankworth und Ronnie Scott. Taylor begleitete viele Sängerinnen – vor allem Cleo Laine und Norma Winstone, die er später heiratete. Mit Norma hatte er zwei Söhne, die beide Musiker geworden sind. Und wenn keine Sängerin da war, sang Johns Klavier – es sei denn, die Trompete bzw. das Flügelhorn seines langjährigen Weggefährten Kenny Wheeler übernahmen diese Rolle…
Kenny Wheeler erfindet wunderbare Melodien. Und wenn’s ans Improvisieren geht, ist es manchmal schwer, etwas zu finden, dass mit seinen Melodien zu konkurrieren vermag. Sie sind so gut strukturiert und sie haben ihre Besonderheiten: Ideen, die Kenny oft in die Form eines Stückes eingeschrieben hat und worauf sie basieren. Er ist wirklich ein einzigartiger Komponist.
1977 formierten Sie mit Norma und dem wortkargen Kenny das Trio Azimuth. Sie experimentierten, ermutigt durch Manfred Eicher, mit neuen, erweiterten Songformen, stark beeinflusst von der Minimal-Music. Dabei entstanden fünf ungewöhnliche Alben für das ECM-Label. „Jeder hat eine andere Idee davon, was Jazz bedeutet“, sagte mir Norma Winstone. Aber darüber denke sie nicht viel nach, für sie sei es einfach Musik. Dieser Hauch der Freiheit weht auch durch die Musik, die Sie machen.
Was die herkömmliche Songform im Jazz, die AABA-Form betrifft, ist es schwer, ihr zu entkommen…. ´cause it works so well! (lacht) Wenn man im Mittelteil eines Stückes hineingleitet in die Improvisation und dann wieder zum Thema zurückkehrt. Man muss ihr nicht immer entfliehen, sondern kann auch versuchen, diese Dinge weiterzuentwickeln. Ich erinnere mich noch genau, wie ich meine erste Bill Evans-Platte „Explorations“ hörte. Sie enthielt zwei Standards, wo Evans die Melodie nicht gleich am Anfang spielte, sondern zuerst improvisierte und erst am Ende die Melodie brachte. Ich fand das für die damalige Zeit, 1961, ziemlich ungewöhnlich. Das habe ich immer im Kopf behalten – auch wenn bei uns heute die Songform nicht immer dieselbe ist. In jedem Fall kann die Melodie eines Stückes eine besondere Atmosphäre erzeugen, einen Charakter hergeben: für den Zuhörer. Und diese Form wird verstanden. Sie funktioniert einfach gut.
Sie haben leider nicht viele, aber sehr gelungene Soloalben aufgenommen…
Im Trio gibt es natürlich viel mehr Interaktion als wenn man solo spielt. Aber ich habe vor 25 Jahren mit dem Solospiel angefangen - und es birgt noch immer Herausforderungen. Ich muss mir klar darüber sein, dass ich mich nicht wiederhole und nicht allzu sehr wegtragen lasse. Sich der Gangart bewusst sein, die man einschlägt, wenn man sich durch die Musik bewegt. Mit dem Energielevel wird bewirkt, dass man aus der gesamten Performance eine Art Welle erzeugt. Und weil ich natürlich dabei allein bin - nicht mit einer Rhythmusgruppe arbeite, vor allem weil ich keinen Bassisten neben mir habe -, bin ich da in gewisser Hinsicht freier. Kann etwas aus dem Moment heraus zu entwickeln, wie es gerade kommt. Ohne anderen Spieler Zeichen zu geben und ohne Arrangements.
Glenn Gould sagte, dass man sich, um Klavier zu spielen, nicht frontal davor setzen müsse, sondern seitwärts zur Tastatur. Der Engel lässt sich nicht frontal bei den Haaren packen. (Pierre Michon)
Die Studioarbeit ist natürlich eine ganz eigene Disziplin. Ich finde es gut, wenn man sich darauf entsprechend vorbereitet, auf die Akustik, und entscheidet, ob man Kopfhörer benutzt usw.. Natürlich kommt es auch sehr auf das Instrument an. Solo spielen birgt echte Herausforderungen. Aber ganz allein ist man auch da nicht, im allgemeinen arbeitet man mit einem Toningenieur und einem Produzenten; da sind Leute, mit denen ich reden und von denen ich mir Rat über die Musik einholen kann, und doch es ist in der Tat eine völlig andere Umgebung. Und natürlich versucht man alle Möglichkeiten zu nutzen, die diese Umgebung einem bietet.
Das Ideal wäre, alles in einem Atemzug zu sagen, in derselben Tonalität und mit gleicher Intensität. Als sei alles von echtem Schrot und Korn, der Beweis, das echt Klingende. (Pierre Michon)
Während eine Platte entsteht, hörst du die Musik natürlich die ganze Zeit, du bist ein paar Tage lang völlig damit beschäftigt. Dann hörst du dir die Abmischung der Tonspuren an; du wirst dir also dessen sehr bewusst, was du gespielt hast, und stehst dadurch unter einem gewissen Druck. Danach ist es gut, eine Pause zu machen, bevor du die Platte wieder hörst, um eine objektivere Sicht der Dinge zu erlangen.
Können wir ein wenig über Klaviere reden? Nach Ihrem Konzert im Sunset hier in Paris wollten Sie den Deckel des Flügels schließen und wir konnten sehen, wie er sich von alleine senkte. Da haben Sie gesagt, „Wenn das passiert, weiß man immer sofort, dass es sich um einen neuen Yamaha-Flügel handelt.“
Ja, ich finde das eine wunderbare Idee, wenn einem der Deckel auf die Finger und Armgelenke knallt. Oder jemand den Deckel rasch zuknallt. Ein sehr gutes Bild…
…das oft auch in Filmen Verwendung fand.
Das Theater, in dem ich die Konzerte gab, hatte wenig Menschen, und darin eingezogen war das Schweigen; ich sah es größer werden auf dem schwarzen Deckel des Klaviers. Das Schweigen hörte gern Musik; es hörte bis zum letzten Nachhall zu und dachte dann nach über das, was es gehört hatte. Seine Ansichten ließen auf sich warten. Aber war das Schweigen erst einmal vertraut, griff es in die Musik ein; es ging zwischen den Tönen herum wie ein Kater mit seinem großen schwarzen Schweif, und danach waren sie voll von Absichten. (Felisberto Hernández) (58/9)
Ein Pianist, der viel herumreist, steht natürlich jeden Tag vor einem anderen Klavier. Ich bin heute in der glücklichen Lage, dass meine Wünsche nach einem Instrument meistens erfüllt werden. Ich finde, dass die Klaviere in der Praxis mittlerweile besser geworden sind. Vor ein paar Jahren kam ich in einen Jazzclub in der Schweiz, wo ein neuer Steinway B stand. Er war von den Clubmitgliedern gekauft worden; sie hatten jeder eine Taste des Klaviers gekauft! Einen Ton! (lacht) So waren alle daran beteiligt, dass der Musiker, der kommen würde, ein sehr gutes Instrument vorfand. Ich fand das eine sehr schöne Idee, vor allem in einem so kleinen Club, wo es fast unmöglich ist, mehrere tausend Euros in ein solches Instrument zu investieren. Ich habe dann auch in anderen Clubs davon erzählt, wie man sowas machen kann.
Wie arbeiten Sie zuhause am Klavier? Improvisieren Sie viel und nehmen Sie sich auf, um Teile daraus für etwas Neues zu verwenden?
Nein, eigentlich kaum. Weil man dann mit dem Spielen aufhören und mittendrin zuhören muss. Ich finde, es ist eine nützliche Idee und in der Vergangenheit bin ich auch so vorgegangen, aber in letzter Zeit nicht mehr. Ich übe richtig, wenn ich mich auf ein Konzert vorbereite. Zuhause besteht meine Aktivität meist darin, dass ich neue Musik spiele, die ich beim nächsten Mal öffentlich präsentiere. Manchmal improvisiere ich und versuche, neue Ideen für ein Stück zu finden, aber ich bin nicht gut, was Routine betrifft. Einer der Gründe dafür ist, dass ich nicht jeden Tag daheim bin und ein geregelter Ablauf sich kaum ergibt.
Paul Bley sagte einmal, er könne sich gut an die zehn Klaviere in seinem Leben erinnern, die die 88 Tasten hatten…
Zehn? Hm. (lacht)
Dann gibt es diese berühmte Platte von Thelonious Monk, wo er gerade besonders die Tasten spielte, die falsch klangen, um regelrecht darauf „herumzureiten“.
Ja, hab’ ich auch gemacht, vor allem wenn es eine falsche Taste eines ansonsten tadellos gestimmten Klaviers war. Da ist sie. Vielleicht war es eine neue Saite, die gerissen war oder so was. (lacht)
Das Trio mit Peter Erskine und Palle Danielsson war eine fantastische Gruppe.
Ich habe ziemlich viel Material dazu beigetragen, Peter ebenfalls, und manchmal hat auch Palle etwas komponiert. Es war ein sehr kooperatives Ensemble, aber es war Peters Gruppe. Er ist ein sehr talentierter Musiker und ungemein erfahren, spielt Schlagzeug seit frühestem Alter und sammelte viele Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Musik. Deshalb verfügt er über dieses breite Spektrum und kann eigentlich alles spielen. Irgendwann fokussiert man auf einen bestimmten Aspekt der Musik, je nachdem mit wem man zu der Zeit arbeitet. Peter hat mit Weather Report gespielt, mit Bigbands und in so vielen Projekten mit Musikern in der ganzen Welt. Ich habe ihn jetzt eine Weile nicht gesehen, aber meine Kollegen sagen mir, er sei sehr beschäftigt.
Es gibt immer noch etwas Neues zu lernen und zu tun. Ich mache jetzt schon seit langem Musik und mag Herausforderungen wie diese: eine neue Musik. Ich arbeite gerne mit jungen Künstlern. Wie macht man das, wie fügt man sich da ein? Ich muss helfen, damit diese Zusammenarbeit klappt. Das gehört für mich zum Faszinierendsten überhaupt: etwas Neues mit Leuten zu erarbeiten, die man noch nicht kennt; ein musikalisches Gespräch führen können und der Musik dienen.
Was wird anders, wenn man älter wird?
Im Grunde ändert sich die eigene Spielweise mit zunehmendem Alter nicht grundlegend. Der Charakter, den sie besaß, bleibt wie er war. Man entwickelt Dinge weiter, sie verändern sich: der Feinschliff, sagen wir, im harmonischen Bereich; oder es gibt Veränderungen bei der Form. Aber in technischer Hinsicht…? Als ich viel jünger war, übte ich viel, um am Instrument flexibler zu werden. Ich hoffe mir diese Flexibilität bewahrt zu haben. Wer älter wird, feilt mehr an Details. Und ich mochte immer sehr lyrische Musik, vor allem die Musik Kenny Wheelers. Ich bin sehr von ihr beeinflusst: was die ganze Art betrifft, wie Kenny diese Kunst zur Blüte gebracht hat. Einige seiner Techniken versuchte ich auf meine eigene Musik anzuwenden: um diese wunderbare Balance zu erreichen zwischen Melodie und Harmonik und Rhythmus. Melodisch gesehen ist er einer der großartigsten Musiker, die mir je begegnet sind, die ich je gehört habe. Daran werde ich natürlich weiter arbeiten.
Wie kamen Sie zum Unterrichten?
Ich begann, als es diese Sommer-Camps in England gab, in meinen vierziger Jahren. Ich fuhr dafür immer nach Barry in Wales. Natürlich braucht es Zeit, um zu lernen, wie man man Anderen Dinge erklären und ihnen helfen kann. Als ich fünfzig wurde, ging ich nach Köln an die dortige Musikhochschule. Fünfzehn Jahre war ich die halbe Zeit als Gastprofessor in Köln tätig und lernte eine Menge dabei – über mich, die Musik… Ich hatte wunderbare junge Studenten, sie kamen und gingen, mit einigen habe ich immer noch Kontakt. Da ist mir klar geworden, wie viel ich nicht wusste (lacht), was die Vermittlung von Informationen betrifft, um jungen Musikern beim Einstieg zu helfen. Ich fand es sehr lohnend, es hat mir großen Spaß gemacht.
Wenn man sich allein die Liste Ihrer Meisterschüler in Köln anschaut – Florian Weber, Florian Ross , Hubert Nuss und andere - einige sind schon jetzt großartige Jazzpianisten geworden.
Ja, und haben sie nicht alle ihre eigene Persönlichkeit, in der Musik? Ich denke, man möchte versuchen, ihnen zu helfen, das für sich selbst herauszubilden. Wer sie sind und was sie tun können, mit dieser Gabe, die sie haben. Aber am wichtigsten ist doch, dass man man selbst ist. Natürlich fangen wir alle erstmal damit an, dass wir unsere Lieblingsjazzmusiker oder -helden kopieren. Doch irgendwann findet man seinen eigenen Pfad. Und die, die Sie erwähnt haben, haben ihn mit Sicherheit gefunden.
In ein paar Sekunden kann ein geübtes Ohr herausfinden, um welchen Jazzmusiker es sich handelt. Aha – das ist Bill Evans.
Oh ja. Es ist dieser Sound, der Anschlag, der Ausdruck, das Herz, nicht nur der Kopf. Ja. Es ist eine einzigartige Musik. Keine andere kommt ihr gleich, wenn es darum geht: seine eigene Stimme zu entwickeln. Und ich weiß, heutzutage ist es für ein breites Publikum nicht so leicht, zu verstehen, worin dieses Besondere am Jazz liegt. Denn es ist nicht – modisch scheint mir nicht das richtige Wort dafür – die Neugier der Zuhörer ist manchmal heutzutage nicht so ersichtlich. Ich denke, die mächtigen Musikmedien haben das zermalmt, was nicht so leicht verkäuflich, nicht so leicht kopierbar ist. Vielleicht pickt sich der durchschnittliche Hörer, der sich in dieser Musik nicht so auskennt, irgendeine Berühmtheit heraus, und das bildet dann die Basis seiner Urteilskraft. Eine bedauerliche Tendenz, wenn man bedenkt, was die Leute aus der Musik beziehen könnten, wenn sie bloß mehr darüber wüssten.
Gibt es viele gute Spieler heutzutage?
Aber ja. Musiker wie die, mit denen ich einige Zeit in Köln verbracht habe, gibt es heute in der ganzen Welt. Natürlich lässt das für die Zukunft hoffen, denn es hört nie auf. Die Musik wächst und verändert sich, sie nimmt neue Einflüsse auf und beeinflusst selbst alles andere. Und das ist immer noch da, es ist eine Kraft.
CD-Tipp:
Richard Fairhurst & John Taylor, „duets“ (Basho, 2015)
www.bashorecords.com