„Wir haben hier draußen oft mehr Zuhörer als im Keller“
Interview mit Rolf Sackers vom Jazzklub Krefeld
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Wenn das Publikum mitgerissen wird und sich auf neue musikalische Erfahrungen einlässt, kommt Freude auf. Beim Konzert mit der Band „1000“ tat dann auch noch das Wetter sein übriges für einen perfekten Abend. Solche Freiluftevents versteht Sackers auch als Geschenk an die Vereinsmitglieder, die dem Jazz in Krefeld treu die Stange halten. Mit nrwjazz sprach er über die Herausforderungen bei der Programmplanung für den Herbst.
Dass heute Jazz, der auch ans Eingemachte geht, mal aus dem Keller herauskommt, hat ja fast etwas Symbolisches!
Auf jeden Fall haben wir hier draußen oft mehr Zuhörer als im Keller. Wir sehen hier jetzt viele andere Leute, die sonst nicht in den Keller-Konzerten sind. Viele bleiben stehen, werden neugierig. Es zählt einfach das Liveerlebnis. Das genießen alle zusammen und das sind immer die besten Voraussetzungen, um sich auf etwas Neues einzulassen. Beim letzten Mal hat Mike Roelofs „Analog Smog“ mit Ryan Carniaux gespielt. Die Leute waren hin und weg. Obwohl Nieselregen herrschte, ist keiner gegangen.
Habt ihr viele ausgefallene Konzerte auf die zweite Jahreshälfte verschoben?
Zunächst haben wir nach Absprache mit den Bands einige Konzerte ins nächste Jahr verschoben, da wir die weitere Entwicklung der Pandemie einfach nicht einschätzen konnten. Vieles ist auch definitiv ausgefallen. Ab September werden wir den Krefelder Jazzherbst aufleben lassen mit zwei Konzerten pro Monat. Wir haben Aussicht auf eine größere Halle und können unsere Konzerte dann flexibel anbieten – was uns natürlich bei der Akquise der Musiker*innen hilft. Unsere Erfahrung sagt, dass das Publikum so etwas gerne mitmacht.
Im Moment ist ja sehr viel von der Benachteiligung/Ungleichbehandlung der Kultur in Corona-Zeiten die Rede. Was sind eure Erfahrungen?
Hier in Krefeld können wir als Musikveranstalter insgesamt noch recht zufrieden sein, auch wenn wir drei Monate gar nichts anbieten konnten. Unser Oberbürgermeister hat gleichzeitig auch das Kulturdezernat und auch eine starke persönliche Affinität zu Kultur. Der Krefelder Jazzklub und die Stadt Krefeld veranstalten beispielsweise seit Jahren gemeinsam ein Doppelkonzert zum International Jazz Day im Rittersaal der Burg Linn – allerdings musste dieses auch gecancelt werden. Aktuell bemüht sich die Stadt den freien Trägern alternative Spielstätten zur Verfügung zu stellen.
Andere hat es ja noch viel schlimmer getroffen: Es gibt die Befürchtung, dass nicht alle Spielstätten dauerhaft überleben können. Der Jazzkeller, in dem das letzte Konzert am 12. März stattgefunden hat, sieht ebenfalls einem ungewissen Herbst entgegen. Wir haben eine Kooperation mit dem Jazzkeller, die ermöglicht, dass wir im wochenweisen Wechsel Freiluft-Konzerte machen. Aber das geht auch nur bis vermutlich Ende September. Eine probeweise ausgesprochene Sondergenehmigung der Stadt ermöglicht das – üblicherweise sind nur zwei Open Air Veranstaltungen im Monat erlaubt. Das ist eine sehr große Hilfe für den Jazzkeller und uns.
Wie geht es konkret weiter?
Wir wollen im September wieder mit größeren Sachen anfangen und dann auch gleich zwei Konzerte im Monat präsentieren - eben weil so vieles ausgefallen ist. Wir hoffen sehr, dass wir dann mit der Kulturfabrik zusammen arbeiten können. Wir basteln aktuell noch an den Terminen. Unser Publikum ist zum Glück sehr flexibel.
Hat man bei internationalen Bands überhaupt Planungssicherheit im Moment?
Wir mussten nochmal eine ganz neue Planung starten, da wir im Moment „nur“ deutsche, niederländische und französische Bands bekommen. Schweiz geht vielleicht auch noch, Musiker aus Schweden zu bekommen, wird aber schon schwieriger sein.
Viele Bands können nicht kommen, dafür steht in der hiesige Szene viel würdiger Ersatz in den Startlöchern. Hat in diesem Jahr dadurch nicht die Szene in NRW ihre große Stunde?
Auf jeden Fall. Es gibt ganz viele ganz tolle deutsche Gruppen. Die Kölner Szene ist unglaublich stark und das Konzert heute, wo Wilbert de Joode den Bass spielt, zeigt ja auch eine sehr fruchtbare Verbindung in die Niederlande auf. Berliner Musiker nach hierhin zu holen wird schon etwas schwieriger. Es ist nicht gerade die Zeit für Tourneen und da spielen dann die Reisekosten schon eine Rolle.
Auf jeden Fall hat es sich hier schon herumgesprochen, dass wir hier ein gutes Publikum haben und natürlich die Musiker*innen gut behandeln.
Es sind viele Konzerte geplant, aber die Venues haben aufgrund der Beschränkungen geringere Kapazitäten. Wie geht ihr damit um?
Unser Festival „Jazz an einem Sommerabend“ ist zum ersten Mal nach 35 Jahren ausgefallen, ebenso ist der Jazzherbst im Krefelder Theater leider gecancelt. Die haben ja dasselbe Problem wie wir und mussten von wenigen großen Events auf viele Kleinveranstaltungen umsatteln, womit die alle Termine selber brauchen.
Aber dafür haben wir eine neue starke Perspektive mit der Kulturfabrik. Wir können dort eine geräumige Halle mieten. Unsere Mietzahlungen sind dann eine kleine finanzielle Überlebenshilfe für die Kulturfabrik, die ja keine ihrer großen Events wir Disco zum Beispiel mehr machen darf, was bis dahin eine wichtige Einnahmequelle war.
Also eine winwin-Situation?
Absolut. Die freien Träger in Krefeld unterstützen so weit wie möglich sich gegenseitig, um diese schwierigen Zeiten zu überstehen. Gleichwohl ist für die Betreiber der Spielstätten seitens der Politik – bei allen guten Ansätzen - definitiv mehr Hilfe zu leisten.
Nach außen hin und fürs Publikum sieht alles immer sehr schön aus, aber vom Finanziellen her ist die Situation doch bestimmt desaströs, oder?
Im Jazz ist das ja eigentlich der Normalzustand – aber für die Künstler ist es wirklich schlimm. Für uns als Jazzklub ist jedes Konzert immer ein Zuschussgeschäft – aber letztlich verstehen wir darin auch unsere Aufgabe. Wir haben zum Gück einen starken Verein mit über 360 Mitgliedern. Denen jetzt mal ein kostenloses Konzert zu bieten, ist gelebte Mitgliederpflege. Nach drei Monaten Livemusik-Pause wollen wir ihnen mal ein Dankeschön für ihr Engagement und auch ihre Beiträge entgegen bringen. Ich finde, dass dies selbstverständlich ist.