Ohne Vereine wäre es düster in NRW
Gespräch mit Günter Reiners vom Jazzclub Hürth
TEXT: Dr. Michael Vogt |
„Ohne Vereine würde es kulturell in NRW düster aussehen, lautet das Fazit von Günter Reiners vom Jazzclub Hürth. Dr. Michael Vogt sprach mit ihm und Stefan Pieper, Redaktionsleiter von nrwjazz.net über die Situation der Jazzszene in NRW.
Seit 2008 ist Günter Reiners Vorsitzender des Jazzclubs Hürth. 1986 hoben Musikfreunde den gemeinnützigen Verein aus der Taufe, der sich auf die Fahne geschrieben hat, vor Ort für den Jazz aktiv zu werden. Günter Reiners erinnert sich gern an den ersten Vorsitzenden des Vereins Peter Schmitt-Sausen: „Mein Vorgänger war ein wirklicher Experte und hat sehr viel für den Jazz getan“, unterstreicht Reiners im Gespräch und fährt fort: „Peter Schmitt-Sausen teilte sein Wissen und seine Begeisterung mit enormer Großzügigkeit. Ich durfte von ihm lernen, wie wichtig kulturelles Engagement ist. Und das gilt heute mehr denn je, denn ohne Bürgerinnen und Bürger, die ihre Freizeit und ihr Herzblut ehrenamtlich der Kultur widmen, würde es kulturell es an vielen Stellen in unserem Bundesland heute ziemlich düster aussehen!“
Investition in die musikalische Bildung Heranwachsender
Der Jazzclub Hürth bietet mit seinen Konzerten nicht nur Auftrittsmöglichkeiten für Künstler und den Bürgern der Stadt erstklassige Musik. Er investiert bewusst auch in die musikalische Bildung Heranwachsender sowie in vielversprechende Talente aus der Region. Bestes Beispiel hierfür ist der international renommierte Gypsy-Gitarrist Joscho Stephan. Mit 17 trat der damals noch kaum bekannte Virtuose erstmals in der Vereinsspielstätte «Jazzkeller Hürth» auf und wurde auch danach weiter vom Jazzclub gefördert. „Es freut uns sehr, dass Joscho weiterhin in unseren Jazzkeller kommt, den er liebevoll sein musikalisches Wohnzimmer nennt“, strahlt Reiners. Zur Jugendarbeit des Jazzclubs gehören laut Reiners auch die Workshop-Angebote, die der Verein macht. Der bekannte Brühler Violinist Sebastian Reimann wendet sich 2020 in einem Workshop speziell an Streicher im Bereich Jazz. Ein weiterer Workshop, der von den beiden Gitarristen Frank Haunschild und Marius Peters geleitet wird, konzentriert sich auf das Zusammenspiel und schließt alle Instrumente sowie Sänger ein. Günter Reiners erläutert: „Der Jazzclub Hürth ist sich als gemeinnütziger Verein seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Die Konzerte, die wir veranstalten, sind ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit. Unseren Auftrag verwirklichen wir aber auch und gerade durch unsere Jugendarbeit und Angebote, die dem Jazz dabei helfen, in Hürth Wurzeln zu schlagen und zu wachsen“, ist Reiners überzeugt.
„Wichtig, dass wir über den Tellerrand blicken“
Der Jazzclub kooperiert regelmäßig mit Institutionen wie den beiden Musikschulen Hürths, den in der Stadt ansässigen Kulturvereinen, dem Bürgerhaus, der Initiative Lesementoren, dem Berli Theater und dem Lions Club. Das lokale Engagement reicht in Zeiten zurückgehender Kulturförderung und knapper Kassen bei Bund, Ländern und Kommunen aber nicht mehr aus, findet Günter Reiners, der sich deswegen auch im Vorstand der Initiative nrwjazz e.V. engagiert: „Es ist wichtig, dass wir über den Tellerrand unserer Stadt hinausblicken. Nordrhein-Westfalen ist eine der kreativsten Jazzregionen Europas, trotzdem sind andere Bundesländer, was die Förderung und die Unterstützung für Künstler angeht, weiter als wir. Dort werden die vorhandenen Mittel nicht nur wie mit dem Füllhorn über etablierten Spielstätten ausgeschüttet. Sie kommen auch den Künstlern zugute, ohne die Veranstalter ja ihre Läden dichtmachen könnten. Künstler brauchen dringend eine stärkere Lobby. Dafür setzt sich nrwjazz ein“, betont Reiners.
„Wir sorgen für angemessene journalistische Beobachtung“
Stefan Pieper, Redaktionsleiter des Internetportals von nrwjazz, pflichtet Reiners bei und ergänzt: „Wir von nrwjazz sind ein aktiver Verband, der Jazz-Akteuren in Nordrhein-Westfalen eine Plattform bietet. Als Forum für Musiker, Hochschuldozenten, Veranstalter und Jazzinteressierte nehmen wir Stellung zu kulturpolitischen Themen, lenken den Blick auf wichtige Entwicklungen und stellen kritische Fragen. Ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit ist aber auch eine angemessene journalistische Beobachtung der Jazzszene, die von den etablierten Medien aus vielerlei Gründen nur lückenhaft geleistet wird. Umso wichtiger ist es, dass wir Verantwortliche und aktive Kulturförderer unseres Bundeslandes hinter uns versammeln, damit der Jazz mit einer Stimme sprechen kann. Deswegen haben wir ein Internetportal aufgebaut, das sich als wichtige Informationsplattform für die Jazzszene in unserem Bundesland versteht."
„Kultur spielt eine nicht ersetzbare Rolle“
Die vereinseigene Seite nrwjazz.net stellt im Netz eine Jazzdatenbank zur Verfügung, auf der Musiker, Ensembles, Veranstaltungsorte sowie Initiativen und Veranstalter vorgestellt werden. Besucher finden außerdem den umfangreichsten Jazzkalender NRWs, Berichte, Interviews, Portraits, Hintergründen, Links, Tipps und News. Für Günter Reiners ist genau dies die richtige Strategie: „Kultur kann sich in Zukunft nur noch behaupten, wenn alle Akteure sich vernetzen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Es ist nicht absehbar, dass die Politik in naher Zukunft zu einem stärkeren Kultur-Engagement zurückfinden wird. Dabei legen viele Studien nahe, dass Kultur eine unersetzbare Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Das sehen wir direkt vor Ort: Unser Engagement prägt als sogenannter weicher Standortfaktor das Profil der Stadt. Wir fördern Jazz nicht nur als Selbstzweck, sondern dienen damit der Gesellschaft: Wir tragen den Jazz in unsere Region, damit sie zukunftsfähig und lebenswert bleibt.“