„Das Geheimnis eines guten Clubs ist Qualität“
Jochen Axer, Martin Sasse und das King Georg
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Gerhard Richter (Martin Sasse-Bild)
Das King Georg ist Kölns jüngste Jazzlocation und will vor allem ein „echter Jazzclub“ sein. Mit Streaming-Konzerten in Corona-Zeit, einem sehr informativen Internetauftritt bietet das King Georg im Moment vor allem der hiesigen Szene eine Plattform. Ein moderates Bezahl-Modell für Streaming-Konzerte ist dabei eine Absage an die Umsonst-Kultur und hilft, in Krisenzeiten Musikergagen zu sichern. In Gespräch mit Stefan Pieper redeten Martin Sasse und Jochen Axer über die hohe Kunst, Jazz zu veranstalten.
Was macht den Erfolg und die Anziehungskraft des King Georg aus?
Wir haben eine Lücke gefüllt, die nach dem Wegfall des Subways nie geschlossen wurde. Wir hörten oft: Das, was in Köln fehlt, ist ein echter Jazzclub - etwas mit Bar und so weiter. Das Alte Pfandhaus ist ja eher ein Konzertsaal. Wir wollen eine stilistische Bandbreite anbieten, eine ausgewogene Mischung aus lokalen Musikern, und internationalen Stars. Die Bands bei uns sollen swingen und grooven. Dafür stehen wir.
Damit wollen wir eine uns wichtige und in Köln seit längerem nicht mehr gut repräsentierte Ergänzung zur zeitgenössischen freien Szene in Köln bieten. Die Bandbreite im Jazz ist wahnsinnig groß. In erster Linie geht es uns darum, Qualität zu bieten und ein breites Publikum zu interessieren. Eben, dass auch Leute etwas außerhalb ihrer erklärten Lieblings-Stilistik hören und hinterher sagen, das war aber faszinierend und spannend.
Wie kamst Du auf die Idee, einen Jazzclub zu gründen?
Jochen Axer:
Mir hat diese Musikrichtung immer viel Spass gemacht und ich war verwundert, dass Freunde von mir so wenig damit anfangen konnten. Das wollte ich ändern. Wir haben dann im Pfandhaus einmal im Jahr eine Veranstaltung mit vielen Menschen aus meinem persönlichen und beruflichen Umfeld gemacht. Da war sofort spürbar: Diese Leute hatten sich vorher nie für Jazz interessiert, waren aber vom Konzert total begeistert. Das ist genau der Effekt, den ich so mag. Beim ersten Konzert waren es gerade mal 80 Leute und einige Jahre später 400. Ein solcher Mitzieheffekt ermutigte mich, immer weiter zu machen. Und dann tat sich plötzlich die Chance auf, das King Georg zu betreiben.
Wir haben das Lokal dann umgebaut, weil die technischen Voraussetzungen noch nicht da waren. Im September 2019 ging es mit dem Konzertbetrieb los. Der Fokus liegt auf Straight Ahead und Modern Jazz. Leider war es mit den Konzerten am 13.3.2020 schon wieder vorbei. Dabei hatten wir immer wieder Hoffnung, dass wir mit gemindertem Publikum weiter machen können. Wir hatten ja eine Lüftungsanlage neu eingebaut und dann zusätzlich eine Luftfilteranlage angeschafft. Aber dann war es mit der „analogen“ Welt endgültig vorbei. Ende April haben wir dann die ersten „Konserven-Streamings“ gemacht, und sind dann aber schnell auf Übertragungen in Realtime übergegangen.
Wollt mit Streamings auch als Ergänzung zum Livekonzert weiter machen?
Jochen Axer:
Auf jeden Fall möchten wir das. Wir haben sehr viel gelernt in den ganzen Monaten und sind jetzt auf einem professionellen Stand der Technik. Von diesem Wissen möchten wir weiterhin profitieren, auch wenn wieder Publikum kommen darf. Daraus ergibt sich die Chance, auch neues Publikum zu erreichen, indem die digitale Welt die räumliche Welt überspannt.
Das klingt nach einem ganzheitlichen Konzept. Also war die Krise eine Chance für euch?
Jochen Axer:
Ohne die Krise hätten wir die digitale Welt für unseren Jazzclub wahrscheinlich nie erschlossen. Heute empfinden wir die Entwicklung als Chance, mehr Publikum zu erreichen.
Wie geht es den Musikern und Bands auf den Streaming-Konzerten?
Jochen Axer:
Sie alle sind zufrieden, überhaupt spielen zu können. Zu Anfang war es für viele sehr ungewohnt. Man musste erst mal mit den Kameras umgehen, aber das hat sich flott gegeben. Jetzt ist eine gute Routine entstanden und es gibt auch einen künstlerischen Erfahrungsgewinn.
Ohne Publikum spielen wird immer eine Notlösung bleiben Die Situation hat etwas von einer CD- Aufnahme und ich bin mir sicher, dass Musik ohne Zuschauer auf die Dauer sterben wird. Für uns wird sich die Zweigleisigkeit aus Livekonzert und Streaming hoffentlich auszahlen, es ist einfach attraktiv, sich ein Konzert auch später anhören zu können. Im Moment freut es mich, wenn da 150 Leute an ihren Endgeräten sitzen und zuschauen. Sich dies als Musiker auf der Bühne klar zu machen, ist ein erhebendes Gefühl. Zugegeben: Man muss erst einmal den Respekt ablegen, den man im Studio hat, damit sich die Lockerheit eines Livekonzerts einstellt. Aber für mich ist es mittlerweile schon zur Routine geworden.
Jochen Axer:
Ich veruche ja auch schon, die Tontechniker zu animieren, wenigstens etwas Lärm zu machen, dass wenigstens ein bisschen Applaus da ist.
Euer webportal zeugt davon, dass ihr sehr breit aufgestellt seid. Erzählt mir mehr darüber.
Jochen Axer:
Wir wollen im Publikum und auf der Bühne mehrere Schienen – jung und alt, ausgewiesene Könner und Talente - miteinander verbinden. Dazu gehört zum Beispiel auch Nachwuchsförderung. So pflegen wir Verbindungen zu Musikhochschulen - insbesondere in Köln - und geben einmal in der Woche jungen Jazzern die Möglichkeit, ihre Ideen präsentieren zu können (in den Reihen „First Steps Together“ und „Young Talents“). Das ist mir wichtig, auch wenn die Profis im Mittelpunkt stehen und das Programm insgesamt prägen.Das ist die künstlerische Seite. Davon abgesehen denken wir sehr viel über unser Publikum nach: Wer kommt überhaupt? Wer ist unser Gast? Wer hört online zu? Unser Publikum kommt aus einer interessierten Szene, es ist dabei etwas älter als im Loft oder im Stadtgarten, aber das ist so gewollt. Ich möchte erreichen, den Zugang zum Jazz zu erleichtern und Vorurteile abbauen, dass Jazz zu verkopft und intellektuell ist. Wir wollen Zugänge zu dieser Musikform leichter machen. Wenn man die Leute einmal gewinnt, hat man große Chancen, dass sie einem gewogen bleiben.
Habt ihr schon Rückmeldungen und Erfahrungen?
Jochen Axer:
Es ist zwar noch zu früh, unsere Resonanz präzise einzuschätzen, aber wir hatten auch schon Rückmeldungen etwa aus Braunschweig oder Frankfurt. Das lässt hoffen in Bezug auf eine überregionale Ausstrahlung.
Wie hat die Covid-Krise die Programmplanung beeinflusst?
Jochen Axer:
Da das Reisen im Moment schwierig ist, können keine Leute aus Übersee eingeflogen werden oder auch aus anderen europäischen Ländern einreisen. Deswegen gucken wir vermehrt auf unsere Künstler aus der Region; deren Aktivitäten sind ohnehin unser Schwerpunkt
Also einmal mehr eine Chance in der Krise, dass die reiche Szene in NRW mal richtig groß rauskommt...
Absolut, das sehe ich auch so. Ich hoffe, diese Gewichtung wird auch länger Bestand haben.
Habt ihr Zukunftsvisionen?
Jochen Axer:
Vision ist immer ein sehr großes Wort. Aber vielleicht sollte es mittelfristig auch mal darum gehen, dass wir den europäischen Jazz auch stärker über den großen Teich bringen. Die digitale Ebene birgt die Chance, so etwas viel einfacher zu machen.
Wie stemmt ihr den ganzen Aufwand?
Jochen Axer:
Ich bin kein Anhänger des Systems der öffentlichen Förderung. Ich sage, wer eine bestimmte Musik an sich rankommen lässt und begeistert ist, soll auch dafür bezahlen. Wir haben auch Sponsoren, die das mittragen. Unter dem Label des digitalen Clubs haben wir zum Glück eine beachtliche Förderung bekommen für technische Ausstattung und Bedienerpersonal. Unser ganzes Konzept ist in gutem Sinne ökonomisch ausgerichtet. Deswegen machen wir unsere Streams auch mit Bezahlschranke, denn wir müssen natürlich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen erreichen. Dies alles setzt aber bei den Nutzern ein Umdenken voraus: nicht alles Digitale ist kostenlos.
Meiner Ansicht nach ist im Jazz die Abhängigkeit von öffentlichen Förderungen viel zu groß. Man muss das Publikum unmittelbar gewinnen und überzeugen, dass es für sein Geld eine gute Gegenleistung bekommt und außerdem ein gutes Gefühl damit vermitteln, Kultur zu fördern. . Diese Wertigkeit ist beim Publikum zu schwach ausgeprägt. Auch da muss man versuchen, ein Umdenken Schritt für Schritt hinzubekommen und die Abhängigkeit von der öffentlichen Seite zu reduzieren.
Wie sind die Konditionen für auftretende Musiker und Bands?
Jochen Axer:
So, als wäre die Welt analog.
Besser als vermutlich anderswo.
Jochen Axer:
Wir wollen das Überleben der Bands und Musiker ermöglichen. Wenn die Szene 12 oder 18 Monte zumacht, hast du die Hälfte davon als Taxifahrer oder in andere prekäre Jobs verloren.
Wir müssen unsere Angebote vor allem als Support für die jungen Musiker sehen. Wenn du jetzt gerade von der Hochschule kommst und eigentlich Konzerte spielen willst, hast du eine ganz bescheidene Basis für deinen Berufsstart.
Bei so viel konstruktiven Ideen, schaut ihr jetzt wohl ganz gelassen nach vorn, was weiter passiert. Liege ich mit dieser Einschätzung richtig?
Es hilft ja nicht, in Depressionen zu verfallen. Bis wir den Laden wieder voll haben, wird es wohl Ende des Jahres sein.
Jochen Axer:
Wir werden es 2021 wohl durchhalten können mit einem so ambitionierten und dichten Programm. Dann machen wir erstmal Kassensturz. Natürlich können wir das nicht über die nächsten 5 Jahre auf diesem Level durchhalten. Aber wir fühlen uns einfach in einer Start-up-Phase, wo man etwas riskieren muss. Aber wirkliche Gelassenheit sieht natürlich ganz anders aus.
Wenn es dann erstmals los geht, wird das Interesse und der Run auf den Club riesig groß sein. Und natürlich leben ein Club und der Jazz vom Live-Erlebnis.
Sagt doch jetzt auch mal ein paar kritische Sachen zur aktuellen Situation!
Jochen Axer:
Natürlich gibt es Facetten, die einen ärgern. Wir hatten im letzten Jahr zum Beispiel relativ früh entschieden, Luftfilteranlagen anzuschaffen. Es ärgert mich sehr, dass die Politik dies ein paar Wochen nicht als relevant ansieht. Es gibt mittlerweile mehrere Studien, die belegen, dass die Luftqualität in einer Konzertvenue nicht schlechter ist, als draußen auf dem Bürgersteig. Wir haben sogar ein Gerät angeschafft, um Staubpartikel zu testen und können dies daher konkret belegen. Und generell gilt: In der öffentlichen Relevanz ist die Kultur nicht an erster Stelle, um es ganz vorsichtig zu sagen. Es gibt aber zwei Dinge, die eine Gesellschaft zusammenhalten – es ist die Kultur und die soziale Begegnung. Genau diese beiden Aspekte werden aktuell in die Tonne getreten, wenn auch gezwungenermaßen. Aber ich bin sehr enttäuscht und beunruhigt, dass diese Aspekte in der Wertigkeit sehr tief unten sind.
Wie seht ihr den Stellenwert einer guten PR?
Jochen Axer:
Ich habe den Vorteil, dass ich aus einer ganz anderen Branche komme, wo so etwas seit jeher üblich ist. Nichts läuft in der freien Wirtschaft ohne Werbemaßnahmen drumherum. Also leiste ich mir auch hier Profis.