Zurück im Haus der Berliner Festspiele
Jazzfest Berlin 2022 meldet Rekordauslastung
FOTO: Roland Owsnitzki, Camille Blake, Anna Niedermeier
Das Jazzfest Berlin 2022 ist zurück im Haus der Berliner Festspiele und das Publikum ebenso: An den vier Festivaltagen, vom 3. bis 6. November, strömten rund 7.000 Besucher*innen zu den meist ausverkauften Konzerten ins Haus der Berliner Festspiele, in die Clubs A-Trane und Quasimodo sowie in die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Gestern fand die 59. Ausgabe des Festivals ihren Abschluss, gewohnt vielseitig und mit gleich drei Berlin-Debüts auf der Großen Bühne – das Borderlands Trio, ein Quartett um Ben LaMar Gay und das Supersonic Orchestra begeisterten das Publikum. Drei Konzertabende des Festivals wurden im Hörfunk live übertragen und sind – wie auch die lange ARD Jazznacht – online nachhörbar u. a. bei Deutschlandfunk Kultur, rbbKultur, in der ARD Audiothek und in der Berliner Festspiele Mediathek.
»Die Gesamtauslastung von über 96 % ist in den heutigen Zeiten etwas sehr besonderes – ich danke dem Publikum für seine Neugier und Offenheit, sich auch auf die vielen Premieren und neuen Gesichter beim diesjährigen Festival eingelassen und sie auf Händen getragen zu haben. Das Festival war wieder ein wichtiger Raum der Auseinandersetzung und Begegnung, und ich danke den 150 Musiker*innen für ihre Beiträge, in denen sie auch den gesellschaftlichen Fragen, Krisen und Herausforderungen unserer Zeit auf so vielfältige Weise in ihrer Musik begegnet sind.«
‒ Nadin Deventer, Künstlerische Leiterin Jazzfest Berlin
Zeitgenössische Projekte, traditionsreiche Folklore, Avantgarde und Improvisation: Im diesjährigen Programm des Jazzfest Berlin fand das komplexe Verhältnis von Tradition und Erneuerung im Jazz auf vielfältige Weise Widerhall. 150 Künstler*innen aus über 25 Ländern, darunter die USA, Südafrika, Brasilien und Europa brachten insgesamt 43 Projekte auf die Bühnen des Hauses der Berliner Festspiele und der umliegenden Spielstätten, wovon die Hälfte aller Projekte von Frauen geleitet oder co-geleitet wurden. 15 Acts feierten ihre Deutschland-, Europa- oder gar Weltpremiere in meist ausverkauften Spielstätten – insgesamt besuchten rund 7.000 Musikbegeisterte die künstlerischen Beiträge an vier Festivaltagen.
Die Lebendigkeit der globalen zeitgenössischen Improvisationsmusik wurde spürbar
Das Jazzfest Berlin eröffnete am Donnerstag, 3. November mit den Hommagen an Julius Hemphill durch Cellistin Tomeka Reid mit Streichquartett und an Alice Coltrane durch Perkussionist Hamid Drake und Ensemble sowie einer Premiere des New Yorker Pianisten Craig Taborn. Nach diesem Start ins Festival mit US-amerikanischen Wurzeln, ließen die folgenden knapp über 40 Konzerte des Festivals die Lebendigkeit und Innovationskraft der globalen zeitgenössischen Improvisationsmusik spürbar werden. Zu den Höhepunkten gehörten: die Auftritte der Newcomer*innen Immanuel Wilkins, Isaiah Collier und Kirke Karja sowie das offene Festspielhaus am Freitagabend „Playing the Haus“ mit insgesamt neun Acts und einem swingenden Abschluss der Umlaut Big Band aus Frankreich mit Sven-Åke Johansson als Sänger. Dem vielseitigen Künstler war im Festival ein Fokus mit mehreren Performances, Film- und Gesprächsbeiträgen sowie einem eigenen Digital Guide gewidmet. Zu den sehr bewegenden Momenten des Festivals gehörten die Verleihung des Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik an Peter Brötzmann mit anschließendem Konzert im Trio mit Hamid Drake und dem marokkanischen Gimrid-Spieler Majid Bekkas sowie Standing Ovations des Publikums; außerdem Matana Roberts’ einzigartige musikalische Reise in die frühe Familiengeschichte in Memphis.
Entdeckungsreisen in folkloristische Musiktraditionen
Neben den gefeierten Beiträgen aus der südafrikanischen Jazz-Szene mit Schlagzeuger Asher Gamedze und dem Johannesburger Kollektiv The Brother Moves On boten zahlreiche Konzerte eine Entdeckungsreise in Improvisationsmusik, die von folkloristischen Musiktraditionen geprägt ist. Mit dabei u. a. Kateryna Ziabliuk und Maryana Golovchenko aus der Ukraine, Olga Kozieł aus Polen, Sanem Kalfa aus der Türkei, Silvia Tarozzi und Deborah Walker aus Italien, das Gurdjieff Ensemble aus Armenien oder Lucian Ban aus Rumänien.
Enthusiastisch feierte das Publikum den Abschlussabend des Festivals am Sonntag mit dem Borderlands Trio um die New York lebende Pianistin Kris Davis, dem Quartett von Ben LaMar Gay aus Chicago und dem Supersonic Orchestra um Gard Nilssen mit 18 Musiker*innen aus der skandinavischen Avantgarde-Szene.