"Wir sind auf neue Art geflogen"
Tim Isfort und sein Team ziehen erste Bilanz
FOTO: Stefan Pieper
Abgesagt wurde es nie und das war richtig so! Denn gerade unter den aktuellen Bedingungen ist es zum Ereignis wie keinem anderen geworden. Dass viele ausländische Beiträge absagen mussten, bot im übringen die Chance, noch stärker als sonst die Szene aus NRW in den Fokus zu rücken. In einem ersten Festival-Resume ziehen Tim Isfort und das Team des Moers-Festival Bilanz:
„Komponierende Kinder trafen auf Improvisationslegenden im Hochrisikoalter, polyrhythmische Punks auf glockenhellen nordischen Gesang und selbst Beethoven wurde zu Ehren seines 193. Todestages mit Free Jazz und Remix konfrontiert und wir sind sicher, er hätte seinen Spaß gehabt. Die notwendigen Absagen ausländischer Künstler*innen konnten durch eine bärenstarke mitteleuropäische Szene mehr als kompensiert werden und wir können stolz sagen, dass unsere Hotspots Berlin und Köln/Ruhrpott locker zur Weltklasse gezählt werden können.
Wir können stolz sagen, dass unsere Hotspots Berlin und Köln/Ruhrpott locker zur Weltklasse gezählt werden können. In diesem Jahr gab es ein ganz anderes mœrs festival, ein Wagnis analog und online zu sein, maximale Nähe innerhalb strikter Distanzregeln zu erzeugen. Unser Publikum sollte wirklich dabei sein, ein Festival erleben und nicht nur ein Fernsehprogramm. Zugleich galt es, ein neues Erzählformat abseits des klassischen Konzertfilms zu entwickeln. Vereinzeltversammelt wollten wir uns begegnen, austauschen und Emotionen teilen. Hat das funktioniert? Wir glauben: ganz bestimmt! Die enorme Flut der Kommentare, Botschaften und Videos, die uns erreicht hat und unsere social-media-Crew zu Schichten jenseits jeder Belastungsgrenze trieb, war schlicht überwältigend. Uns schlug eine Dankbarkeit und Freude – buchstäblich aus der ganzen Welt – entgegen, mit der wir nicht gerechnet hatten. Den etwa 35.000 Menschen, die das Festivaldorf, den Park, die große Festivalhalle und die vielen kleinen Spielorte im letzten Jahr besuchten, steht nun die mindestens dreifache Zahl viraler Zuschauer weltweit gegenüber, die den Stream auf arte concert verfolgten oder die Live-Sendung am traditionellen Samstag Abend auf WDR 3.
Trotz Abstandsregeln, Mundschutz, Einbahnstraßen und Plexiglasscheiben haben wir ein großes Gemeinschaftsgefühl erlebt, im Festivalteam, mit unseren Künstler*innen, mit all den Helfern, Technikern, Volunteers, Köchen, Reinigern und Aufpassern. Das weltweit grassierende Meeresungeheuer hat uns nicht auseinander gebracht. Das mœrs festival hat Position bezogen. Es hat die viel beschworene Systemrelevanz von Kunst und Kultur spürbar gemacht, war Arbeitgeber für zahlreiche Menschen, war Rettungsreifen in stürmischer See. An dieser Stelle möchten wir einen Dank an unsere Unterstützer, Partner und Fördergeber senden, die den Mut, das Vertrauen und die Zuversicht hatten, das Festival in diesem Jahr zu wagen. Wir freuen uns darauf, Sie alle im kommenden Jahr zum 50. Jubiläum wiederzusehen. Ihr Tim Isfort und das Team des mœrs festival.
Ausführliche Berichterstattungen über Musik, Stimmung, Hintergründe folgen in den nächsten Tagen in den Rubriken rewies und jazzreports