Vadim Neselovskyi beim Jazzclub Hürth
Eine Hommage an die Heimatstadt Odessa
Eindrücke, die lange nachwirkten, hinterließ ein vielbeachtetes Solo-Recital mit dem ukrainischen Pianisten Vadim Neselovskyi im Jazzkeller Krefeld. Am Mittwoch, 4 Mai gibt es im Jazzkeller Hürth-Gleuel eine weitere Auflage dieses besonderen Abends, an dem Neselovskyi seine Heimatstadt Odessa musikalisch portraitiert. Auch dieses Konzert ist eine Benefiz-Veranstaltung.
Als Vadim Neselovskyi die Stücke komponierte, war die Welt in Odessa noch in Ordnung. Er hätte nie gedacht, welche Aktualität sie zur Zeit besitzen und wie weit Odessa heute im Zentrum des Krieges in der Ukraine steht.
Er kommt aus Odessa, ist in dieser hinreißenden Hafenstadt am Schwarzen Meer geboren und aufgewachsen. Mit “Odessa” hat er die bisher persönlichste Musik seines Lebens komponiert.
In Westeuropa und auch in den USA hat fast jeder schon von Odessa gehört und dennoch wissen die Wenigsten wirklich etwas über die Stadt. Einige verbinden ihren Namen mit Sergei Eisensteins Film Panzerkreuzer Potemkin, andere kennen sie als Geburtsort des Geigers Dawid Oistrach. Viele erinnern Odessa als ein sehr wichtiges Zentrum jüdischen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
In seinem neuen Projekt kreiert Vadim Neselovskyi einen musikalischen Spaziergang durch seine Heimatstadt, gefüllt mit Erinnerungen, historischen Referenzen, Rückblenden und Träumen.
„Ich habe irgendwann als Komponist angefangen, und als Komponist werde ich irgendwann sterben. Komponieren ist das Wichtigste in meinem musikalischen Schaffen.“ In seiner Selbsteinschätzung ist der Komponist und Pianist Vadim Neselovskyi ganz klar: so sehr er Jazzmusiker ist, so sicher ist er sich selbst, dass der Kern seiner Musik in der Komposition liegt.
Keine Scheu vor der Nähe vor großen Namen
„Frederic Chopin hatte kein I-Phone, mit dem er alles aufnehmen konnte“, erklärt Neselovskyi. „Deshalb musste er alles aufschreiben. Aber es gibt in seiner Musik Stellen, wo er wirklich komponiert hat und andere, wo er einfach improvisiert und etwas ausprobiert. Ich kann das genau zeigen. Eigentlich ist das gar kein Unterschied, denn die Musik ist einfach genial. Als Komponist ist mir diese Balance wichtig. Da lerne ich von Chopin oder von Rachmaninoff. Und auch von Keith Jarrett und von Ralph Towner und Egberto Gismonti und vielen anderen.“ Neselovskyi hat keine Scheu vor der Nähe zu großen Namen, wozu auch?
In Deutschland, wo er immerhin sechs Jahre lang lebte, noch recht unbekannt, ist er in der obersten Musikerliga in den USA längst ein hochgeschätzter Musiker, der zuletzt mit Musikern wie Lee Konitz oder Randy Brecker unterwegs war. Neben dem elastischen und explosiven Anschlag und der verblüffenden Unabhängigkeit der Hände, mit der er noch die komplexesten Polyrhythmen lebendig hält, schätzt man an ihm ganz besonders die enorme musikalische Reife, die er sich in vergleichsweise kurzer Zeit erarbeitet hat.
Jiddische Sprachmelodien und sarkastischer Humor
Geboren ist Vadim Neselovskyi 1977 in Odessa, in einer besonderen Stadt seit jeher. Die Hafenstadt an der ukrainischen Schwarzmeerküste ist jüdisch geprägt, und auch für Neselovskyi gehörte die jiddische Sprachmelodie der Großmutter und ein ganz besonderer, sarkastischer Humor zur Kindheit. Dazu hatte der Hafen in den alten Zeiten Reichtum in die Stadt gebracht, und auch in der Sowjetzeit stellten die Matrosen eine Verbindung zur weiten Welt her. Gelegentlich führten sie auch Neues aus dem Reich des Jazz im Gepäck. Der junge Vadim war begabt, schon als er sieben war, war er mit den Tasten vertraut, die russischen Komponisten, Rachmaninoff, Mussorgski, usw. erweckten seine Musikalität. Ein Jahr später erhielt er seinen ersten regulären Kompositionsunterricht. Als die Sowjetunion zerfiel, Neselovskyi war gerade 14, sah er den Pianisten Jury Kusnetzow, einen der wichtigen Jazzpianisten aus Odessa, im Konzert, frei improvisiert, ohne Netz und doppelten Boden. Der junge Vadim Neselovskyi war am Haken. Nachdem Kusnetzov in diesem Mai einem Krebsleiden erlag, gab Neselovskyi im Oktober ein Gedenkkonzert in Odessa.
Sprung über den Atlantik
Drei Jahre nach der Begegnung des jugendlichen Vadim Neselovskyi mit dem Jazz siedelte die Familie nach Deutschland über, nach Dortmund, wo er das Konservatorium besuchte. Um die Jahrtausendwende wagte er mit einem Stipendium für das Berklee-College den Sprung über den Atlantik. Sein Traum war es, einmal in der Band des Vibraphonisten Gary Burton, des Berklee-Direktors, mitzuspielen. Als sich der erfüllte, wollte Burton auch gleich noch die Kompositionen spielen, die Neselovskyi schrieb, denn er schätzte den jungen Pianisten nicht nur als ebenso virtuosen wie einfühlsamen Instrumentalisten, sondern als eine sehr strukturierte, ausgereifte Musikerpersönlichkeit. Mit seiner Begeisterung für Neselovskyis Kompositionen blieb Burton nicht alleine. Auch im klassischen Lager stehen Orchester Schlange, die Musik des jungen Musikers aus Odessa zu spielen. Seine letzte größere Komposition, ein Konzert für Orchester und Klavier, sieht er dabei als Meilenstein: „Da schließt sich für mich der Kreis. Da bin ich alles zugleich: Komponist, Improvisator, Pianist.“
So stellt sich Vadim Neselovskyi, der längst ein Weltreisender in Sachen Musik geworden ist, nun endlich dem Publikum in Deutschland, seiner zweiten Heimat vor: als ein mit allen Wassern gewaschener Jazzmusiker, der die Improvisation schätzt „wenn die musikalische Situation so ist, dass nur durch Improvisation das Richtige zum Ausdruck kommen kann“, und sich ansonsten seinen Ursprüngen in der klassischen, komponierten Musik nähert.
Mittwoch, 4. Mai, Jazzkeller Hürth-Gleuel
Einlass 19:00 Uhr; Beginn 20:00 Uhr
Eintritt 15€; nur Abendkasse; freie Platzwahl