Stefan Schultze Large Ensemble
The Buchla Suite
TEXT: Uwe Bräutigam |
Die “Buchla Suite“ von Stefan Schultze ist ein monumentales Werk, dass nun als Doppel CD bei dem Label Jazzwerkstatt erschienen ist. Stefan Schultze hat das 1967 entstandene elektronische Musikstück “Silver Apples of the Moon“ von Morton Subotnick als Inspiration für sein Werk benutzt und “Handcrafted Music“, die völlig ohne Synthesizer auskommt komponiert. Angeregt von Subotnick hat Stefan Schultze etwas Neues und Eigenständiges mit seinem Large Ensemble geschaffen. Fazit vorweg: Dem Stefan Schultze Large Ensemble ist mit “The Buchla Suite“ ein Geniestreich gelungen. Nach über zwei Jahren Arbeit an diesem Werk liegt nun ein beeindruckendes Ergebnis vor.
MORTON SUBOTNICK - EIN PIONIER DER ELETRONISCHEN MUSIK
Der amerikanische Komponist Morton Subotnick hat zusammen mit dem Ingenieur Don Buchla (1937-2016) Anfang der 60er Jahre in San Francisco den ersten Synthesizer, den Buchla-100, entwickelt und 1967 als Auftragsarbeit des Labels Nonesuch ein rein elektronisches Album auf diesem Gerät produziert. Das Werk mit dem Titel “Siver Apples of the Moon“ hat eine ganze Generation von Musikern und Bands beeinflusst von Tangerine Dream bis zu Graetful Dead und genießt heute absoluten Kultstatus. Stefan Schultze hat sich von Morton Subotnicks anregen lassen, ohne ihn kopieren zu wollen. Wie lassen sich die komplexen elektronischen Prozesse auf Instrumente übertragen?
Das Subotnick Album nachzuspielen war nicht die Absicht von Schultze. Es ging ihm darum, herauszufinden, wie die Logik eines Oszillators, eines Sequenzers, eines Filters oder eines Chaosgenerators auf den Kompositionsprozess angewendet werden kann, um dadurch neue, bisher nicht gehörte Klänge zu entwickeln. „In manchen Stücken stecken vielleicht 80% Prozent Morton, in anderen nur 20 Prozent,“ sagt Schultze. Das STEFAN SCHULTZE LARGE ENSEMBLE besteht schon 2017 und versammelt herausragende MusikerInnen der Jazz- und Improvisationsmusikszene. Für Stefan Schultze ist dabei der Aspekt der Improvisation sehr wichtig. Die MusikerInnen sollen während des Spielens Visionen entwickeln, die zu seiner Musik passen und ihn auch mit neuen musikalischen Lösungen überraschen. Die Einspielung der CD fand im Kammermusiksaal des Deutschlandfunkes statt, mit folgender Besetzung des Large Ensembles:
Leonhard Huhn Altsaxofon und Klarinette, Peter Ewald Tenor- und Sopransaxofon, Elena Kakaliagou Horn, Magnus Schriefl Trompete, Roland Neffe Marimba und Percussion, Shiau Shiuan Hung Vibrafon und Percussion, Peter Meyer E-Gitarre, Felix Henkelshausen Bass, Tom Rainey Schlagzeug, Almuth Kühne Gesang und Stefan Schultze Piano.
THE BUCHLA SUITE
“The Buchla Suite“ ist auf zwei CDs verteilt, mit jeweils sieben und sechs Stücken. Die Musik ist ungemein vielfältige experimentelle Musik, mit tonalen und atonalen Passagen, im Grenzbereich von Freier Improvisation, Jazz und Neuer Musik. Die CD 1 beginnt mit dem Titel “Tripsody“, mit 12:17 min das längste Stück der Suite. Der Ausgangspunkt ist das Stück “Dripsody“ von dem kanadischen Komponisten Hugh Le Caine (1914-1977), der das Geräusch eines Wassertropfen als Ausgangspunkt nahm. Eines der bekanntesten Stücke der Music concrete. Der Beginn des Stückes “Tripsody“ klingt völlig nach elektronischer Musik, obwohl alles handgemacht ist. Aber das ändert sich relativ schnell. So sind in diesem Stück wilde freejazzige Passagen, sogar einige fast symphonisch anmutende Stellen und in die ostinaten Passagen am Ende kommen Stimmen hinzu.
Das Stück “Golden Apples of th Sun“ in dem Almuth Kühne ein Gedicht von William Butler Yeats spricht, könnte auch etwas experimentellere Musik von Kurt Weil zu einem Brecht Stück sein. Bei dem Titel “Spectral Sample“ hat Stefan Schultze ein Stück aus dem Morton Subotnick Original gesampelt, und dann in Noten für sein Ensemble transponiert.
Das letzte Stück von Disc 1 “Electric Circus“ ist wieder ein langes Stück, in dem Magnus Schriefl an der Trompete gefeatert wird. Im Intro sind einzelne kurze Töne der Bläser zu hören und dann setzt ein Trompetensolo ein, das sich mit Unterbrechungen durch das Stück zieht. Das Stück wird immer schneller mit prominenter Rhythmusgruppe und so entsteht eine nach vorn drängende Stimmung.
Auf der zweiten Disc hat das Eingangsstück den Titel “Beginning“, in diesem Stück wird Leonhard Huhn auf dem Altsaxofon gefeatured. Stefan Schulze gibt den einzelnen MusikerInnen immer wieder Raum für ihre Solo-Improvisationen. So entstehen spannende Passagen, die die notierten Teile der Stücke hervorragend ergänzen. Die Suite ist ein wahres Wunderhorn an musikalischen Ideen und spannenden Klängen. So heißt ein Stück nicht zufällig “Arpeggiator“, während das Stück “Fragments“ auf seine Entstehung hinweist. Stefan Schultze wählte Fragmente aus Subotnicks Werk, sortierte sie neu und passte sie an das Ensemble an. Im Stück “Shapes“, das ursprünglich den Arbeitstitel “Buchla 5“ hatte, steht das Altsaxophon von Leonard Huhn im Mittelpunkt. Er spielt sein Saxofon über einen dumpfen Klangteppich, den man, wüsste man es nicht besser, für Synthesizer Klänge halten würde. Aber mit Bläsern, Bass, Schlagzeug und Marimba und Vibrafon lässt sich dieser Sound auch produzieren.
Das Doppelalbum “The Buchla Suite – A Handcrafted Tribute to Morton Subotnick“ ist prall gefüllt mit über eineinhalb Stunden großartiger Musik. Manchmal erinnert sie auch an elektronische Musik, sehr oft auch nicht. Von feinen Melodien bis wildem Free Jazz, von zarten Klängen bis zu rauen Improvisationen, ist so ziemlich alles in dieser Suite zu finden. Ein opulentes Werk, das sicher vielfaches Hören erfordert, um sich in seiner ganzen Tiefe zu erschließen. Stefan Schultze zeigt mit diesem Werk erneut, dass er einer der wichtigsten und originellsten Komponisten im Bereich von zeitgenössischer Musik, Jazz und Improvisationsmusik ist. Aber er hat auch einen guten Griff mit den MusikerInnen des Large Ensembles getan, die bereit waren sich auf diese komplexe experimentelle Musik einzulassen, sie mitzugestalten und sie auf herausragende Weise umzusetzen. Auch die ZuhörerInnen sind gefordert sich mit offenem Geist auf die Musik einzulassen, aber dafür werden sie mit spannenden musikalischen Erfahrungen belohnt, die sich mit jedem neuen Hören mehr vertiefen.
Stefan Schultze Large Ensemble – The Buchla Suite –
A Handcrafted Tribute To Morton Subotnick
Label: Jazzwerkstatt 249 – Unterstützt durch Deutschlandfunk