Preview Moers Festival 2023
Viele Buntstufen zwischen schwarz und weiß
Das 52. Moers-Festival hat einen guten Start hingelegt – und das bei bestem Wetter, wie es schon lange nicht mehr wahr. Das Konzertprogramm ging am ersten Festivaltag gleich in die Vollen – mit der ganzen Vielschichtigkeit, für die Moers weltweit steht. Der “Dreiklang” aus drei Konzertlocations, mit dem das Festival im letzten Jahr neue Wege ging, bewährt sich weiter. Wer jetzt kurzentschossen nach Moers kommt, kann auf jeden Fall noch ein Ticket erwerben.
“Viele Bands haben eine ähnliche Intenstität wie es damals in den Gründerjahren des Festivals gewesen sein muss”, hatte Tim Isfort bei der Eröffnungs-Pressekonferenz die augenblickliche Stimmung in den weltweiten Musikszenen beschrieben, für deren aktuelle künstlerische Gegenwart das Moers-Festival auch im Jahr 2023 wieder eine Bestandsaufnahme darstellt.
Aufbruch, Afrika, Kylwiria, Wert, Befreiung
Viel Überbau schwebt über den durchdacht kuratierten Konzertereignissen. Damit will das Festival einmal mehr „ein Seismograph für neue wegweisende Entwicklungen“ sein. Das manches Experiment auch mal polarisiert, ist ausdrücklich gewollt. "Schwarzweißdenken passt nicht zum Moers-Festival. Dem setzen wir viele Bunt-Stufen dazwischen entgegen"sagt der Festivalleiter Tim Isfort .
Hommage an Györgi Ligeti
Am 28. Juni, also dem Festivalsonntag, wäre Györgi Ligeti, einer der bedeutendsten Komponisten dees 20. Jahrhunderts 100 Jahre alt geworden. Viele Musikerinnen und Musiker auch im Jazz bezeichnen den Ungarn als wichtige Inspirationsquelle. Das Moers-Festival gratuliert dem innovativen Neutöner ganz groß mit einem ehrgeizig realisierten Themenschwerpunkt, einem „György Ligeti Spezial 2023“ unter Beteiligung der Musikhochschule Düsseldorf. "Ligetis Musik wird aber unter dem spezifischen Blickwinkel von Moers interpretiert werden" betont Tim Isfort die programmatische Idee.
Mehr noch: Nach Moers eingeladen wurde Lukas Ligeti, der 1965 geborene Sohn des Jahrhundertkomponisten. Schon gestern abend hat er gezeigt, wie er sich kreativ vom großen Erbe seines Vaters emanzipiert und heute stilistisch breit aufgestellt ist - als Komponist, Schlagzeuger und Elektro-Perkussionist gleichermaßen. Noch mehrmals wird er in Moers überaus kreativ in Europa, den USA und Afrika unterwegs. In Moers tritt er unter anderem mit seinem Projekt Burkina Electric auf. Kultcharakter haben heute die vokalen Klangvisionen des Chorstückes „Lux Aeterna.“Davon ließen sich die norwegischen Sängerinnen der Trondheim Voices inspirieren, die in Moers einen „Remix“ uraufführen werden. Ebenso wird das SWR Vokalensemble zu erleben sein, das sich mit mehreren Kompositionen Ligetis befasst. Das moers festival hat außerdem einen Kompositionsauftrag an sechs Komponistinnen und Komponisten vergeben, die ihre Werke in Moers uraufführen werden.
Musik, Politik, Synapsenbildung
Der Austausch mit afrikanischen Musikkulturen ist seit langem eine programmatische Säule beim Moers-Festival. In diesem Jahrliegt der Fokus auf Äquatorialguinea, wo unter anderem die Stimme Nelida Karrsherausragt. Das zwölfköpfige Red Desert Orchestra unter der Leitung der französischen Komponistin und Pianistin Eve Risser will europäische Orchesterfarben mit westafrikanischen Klangteppichen verschmelzen. In Zusammenarbeit mit dem Londoner Cafe OTO entstanden Kollaborationen mit Musikerinnen und Musiker aus Nordrhein-Westfalen und Großbritannien, die Ergebnisse werden in Moers und Lonson uraufgeführt. Neben Ligeti gehört der amerikanische Saxophonist Kenny Garrett mit seinem aktuellen Projekt „Sounds From The Ancestors“ zu den Höhepunkten im diesjährigen Programm. Ein weiterer US-Saxofonist ist der ehemalige Miles-Davis-Mitstreiter Gary Bartz, und der ist special guest in der Formation „Scatter the Atoms that remain“, deren Emancipation Suite in Moers erklingen wird. Marilyn Mazur, die ebenfalls im Miles-Davis-Kosmos mitmischte krönt einen Live-Performance der dänischen Gruppe Slvhenter. Das Projekt Sun Hand Guild bedient sich koreanischen Ritual-Traditionen für seine spirituelle Klangreise, die durch seine Trance-Zustände einem „vollkommenden Synapsenschluss“ nahe kommen will. Der litauische Pianist und Keyboarder Slava Ganelin findet musikalisch den Weg zurück in seine litauische Heimat, indem er freien Jazz mit der klassischen und traditionellen Musik Litauens verwebt.
Beachtung verdienen außerdem die zahlreichen Workshops und Aktionen für das Musikpunlikum von Morgen. Wo die wilden Kinder wohnen finden zahlreiche Workshops und Projekte statt – und bei denen sind zahlreiche verdiente Protagonisten aus den Moers-Konzerten beteiligt: Etwa Bart Maris, der auf Plastikposaunen eine Chaosorchester niccht von dieser Welt in Aufruhr versetzt. Mehr Spaß am trommel als mit der Britin Bex Burch, die letztes Jahr in ihrer Band ihr Bestes gab, kann man wohl kaum haben.
Medienkunst
Das Moers-Festival hat vor allem seit der Corona-Zeit neue digitale Formate erforscht und ist heute nicht zuletzt auch ein Event der Medienkunst. Neben denSpielortenauf dem Festivalgelände und in der Moerser Innenstadtwird das 2022 entstandenehybrideFormat@thesametimefortgeführt:DabeitretenMusiker*innen gleichzeitig auf zwei Bühnen auf und spielen miteinander, während das Publikum vor Ort nurdashört,wasesauchsieht.DiebeidenKonzertteilewerdenanschließendzusammengeschnitten und können einige Stunden später in der virtuellen Realitätdes moerslandsVRals Ganzes erlebt werden.
