ODYSSEE: Musik der Metropolen
Zum letzten Mal 12 Konzerte in 4 Städten
FOTO: Philipp Solenski, Ane Hebeisen, Ketekalles
Zum letzten Mal erklingen in diesem Sommer die Klänge der ODYSSEE im Ruhrgebiet - und mit ihnen verstummt nach 26 Jahren eine bedeutende Stimmen für kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. Was als harmloser Abschied daherkommt, entpuppt sich als Offenbarungseid einer Kulturpolitik, die ihre gesellschaftliche Verantwortung gründlich verfehlt hat. Die finale Ausgabe der ODYSSEE präsentiert vom 9. bis 26. Juli ein Programm von außergewöhnlicher Qualität - als wäre es ein letzter verzweifelter Versuch, es noch einmal den Verantwortlichen zu zeigen.
Die Band Da Cruz verschmilzt brasilianischen Pop und Bossa Nova mit Afrobeat, Hip-Hop und Dub zu einem elektro-akustischen Sound, der pure Körperlichkeit ausstrahlt. Frontfrau Mariana navigiert virtuos zwischen kämpferischen Protestsongs und sinnlichen Balladen. Ihre charismatische Stimme verkörpert ein modernes Brasilien, das sich für politische und wirtschaftliche Gerechtigkeit einsetzt. Die afro-brasilianische Formation liefert autarke, kraftvolle Rhythmen, die weltweit Dancefloors erobern - und nebenbei politische Botschaften transportieren.
KIBAB präsentiert als zehnköpfige Combo einen rhythmusorientierten Stilmix zwischen Balkanbeats, Jazz und elektronischer Tanzmusik, der aus der Fusion mehrerer Bands entstanden ist. Satte Percussion, virtuose Bläsersätze, Piano und Bass verschmelzen zu groovigen Arrangements mit pulsierenden Beats und mehrstimmigem Gesang. Die Formation garantiert sommerlich-luftiges Vergnügen - und beweist nebenbei, wie aus kultureller Fusion grenzüberschreitender Sound entsteht.
Ketekalles liefert als Quintett aus Spanien, Chile, Venezuela und Argentinien energetische Rhythmen gepaart mit leidenschaftlichen Songs. Roher Rock- und Punksound verschmilzt gefühlvoll mit katalanischer Rumba, Flamenco und Soul zu einem unverkennbaren Amalgam. Die fünf Musikerinnen knüpfen an die frühe Mestizo-Bewegung Spaniens an - politische Ambitionen verbinden sich mit ausgelassener Spielfreude zu einem Sound, der Grenzen sprengt.
Kulturpolitische Kurzsichtigkeit als System
Dass ausgerechnet dieses Festival dem "Festivalsterben" zum Opfer fällt, ist beschämend. Die ODYSSEE stand seit 1998 für Weltoffenheit und Toleranz. In Zeiten gesellschaftlicher Spaltung und drohender Rechtsradikalisierung ein solches Festival nicht mit angemessenen Mitteln weiter zu fördern, grenzt an unterlassene Hilfeleistung. Die Zahlen sind eindeutig: Kosten für Gagen, Technik, Security, Transport und Catering haben sich in sieben Jahren fast verdoppelt. Die öffentlichen Zuschüsse sind aber nicht mitgewachsen. Eine solche, sich weiter öffnende Schere ist aber kein Naturgesetz, sondern Ergebnis einer Prioritätensetzung, bei der die Kultur mal wieder das Nachsehen hatte, eben weil die Weitsicht für kulturelle Leuchtturmprojekte fehlt. Geld ist durchaus vorhanden - es fließt nur systematisch dorthin, wo es am wenigsten gesellschaftlichen Nutzen stiftet.
Die Veranstaltergemeinschaft aus Altstadtschmiede Recklinghausen, Kulturzentrum Pelmke Hagen, Ringlokschuppen Ruhr Mülheim und Kulturzentrum Bahnhof Langendreer hat über ein Vierteljahrhundert hinweg eine große Verlässlichkeit bewiesen. Auch hier wurden die Veranstalter regelrecht in die Aufgabe hineingetrieben - durch eine Förderpolitik, die stur auf dem Niveau von vor sieben Jahren verharrt.
Ein Symbol wird vernichtet
Wer seine Kulturpartner derart systematisch in die Aufgabe treibt, untergräbt aktiv die Grundlagen einer offenen Gesellschaft. Die ODYSSEE hätte nicht nur gerettet, sondern gestärkt werden müssen - als Festival, als Symbol und als praktische Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Stattdessen bleibt die Erkenntnis: Wenn es darauf ankommt, wird die Kultur im Stich gelassen. Wieder einmal.
Die letzten Konzerte der ODYSSEE 2025
Da Cruz
- Mittwoch, 9. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
- Donnerstag, 10. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
- Freitag, 11. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
- Samstag, 12. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße
KIBAB
- Mittwoch, 16. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
- Donnerstag, 17. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
- Freitag, 18. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
- Samstag, 19. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße
Ketekalles
- Mittwoch, 23. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
- Donnerstag, 24. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
- Freitag, 25. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
- Samstag, 26. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße
Alle Konzerte sind eintrittsfrei.