Bild für Beitrag: ODYSSEE: Musik der Metropolen | Zum letzten Mal 12 Konzerte in 4 Städten
Bild für Beitrag: ODYSSEE: Musik der Metropolen | Zum letzten Mal 12 Konzerte in 4 Städten
Bild für Beitrag: ODYSSEE: Musik der Metropolen | Zum letzten Mal 12 Konzerte in 4 Städten

ODYSSEE: Musik der Metropolen

Zum letzten Mal 12 Konzerte in 4 Städten

Hagen, 03.07.2025
FOTO: Philipp Solenski, Ane Hebeisen, Ketekalles

Zum letzten Mal erklingen in diesem Sommer die Klänge der ODYSSEE im Ruhrgebiet - und mit ihnen verstummt nach 26 Jahren eine der bedeutendsten Stimmen für kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. Was als harmloser Abschied daherkommt, entpuppt sich als Offenbarungseid einer Kulturpolitik, die ihre gesellschaftliche Verantwortung so gründlich verfehlt hat, dass man von Vorsatz sprechen könnte. Die finale Ausgabe der ODYSSEE präsentiert vom 9. bis 26. Juli ein Programm von außergewöhnlicher Qualität - als wäre es ein letzter verzweifelter Versuch, den Verantwortlichen zu zeigen, was sie da gerade abwürgen.

Da Cruz verschmilzt brasilianischen Pop und Bossa Nova mit Afrobeat, Hip-Hop und Dub zu einem elektro-akustischen Sound, der pure Körperlichkeit ausstrahlt. Frontfrau Mariana navigiert virtuos zwischen kämpferischen Protestsongs und sinnlichen Balladen, ihre charismatische Stimme verkörpert ein modernes Brasilien, das sich für politische und wirtschaftliche Gerechtigkeit einsetzt. Die afro-brasilianische Formation liefert autarke, kraftvolle Rhythmen, die weltweit Dancefloors erobern - und nebenbei politische Botschaften transportieren.

KIBAB präsentiert als zehnköpfige Combo einen rhythmusorientierten Stilmix zwischen Balkanbeats, Jazz und elektronischer Tanzmusik, der aus der Fusion mehrerer Bands entstanden ist. Satte Percussion, virtuose Bläsersätze, Piano und Bass verschmelzen zu groovigen Arrangements mit pulsierenden Beats und mehrstimmigem Gesang. Die Formation garantiert sommerlich-luftiges Vergnügen - und beweist nebenbei, wie aus kultureller Fusion grenzüberschreitender Sound entsteht.

Ketekalles liefert als Quintett aus Spanien, Chile, Venezuela und Argentinien energetische Rhythmen gepaart mit leidenschaftlichen Songs. Roher Rock- und Punksound verschmilzt gefühlvoll mit katalanischer Rumba, Flamenco und Soul zu einem unverkennbaren Amalgam. Die fünf Musikerinnen knüpfen an die frühe Mestizo-Bewegung Spaniens an - politische Ambitionen verbinden sich mit ausgelassener Spielfreude zu einem Sound, der Grenzen sprengt.

Kulturpolitische Kurzsichtigkeit als System

Dass ausgerechnet dieses Festival dem "Festivalsterben" zum Opfer fällt, ist beschämend. Die ODYSSEE stand seit 1998 für Weltoffenheit und Toleranz. In Zeiten gesellschaftlicher Spaltung und drohender Rechtsradikalisierung ein solches Festival zu beenden, grenzt an politische Sabotage. Die Zahlen sind eindeutig: Kosten für Gagen, Technik, Security, Transport und Catering haben sich in sieben Jahren fast verdoppelt. Die öffentlichen Zuschüsse blieben unverändert. Diese Schere ist kein Naturgesetz, sondern Ergebnis zynischer Prioritätensetzung. Wieder einmal erweist sich Kultur als schwächstes Glied öffentlicher Aufgaben. Während für Prestigebauten Millionen fließen, fehlt die Weitsicht für kulturelle Leuchtturmprojekte. Geld ist vorhanden - es fließt nur systematisch dorthin, wo es am wenigsten gesellschaftlichen Nutzen stiftet.

Die Veranstaltergemeinschaft aus Altstadtschmiede Recklinghausen, Kulturzentrum Pelmke Hagen, Ringlokschuppen Ruhr Mülheim und Kulturzentrum Bahnhof Langendreer bewies über ein Vierteljahrhundert Verlässlichkeit. Dass sie nun kapitulieren und der "erwartbaren unzureichenden Förderung" zuvorkommen müssen, spricht Bände. Die Veranstalter wurden regelrecht in die Aufgabe hineingetrieben - durch eine Förderpolitik, die stur auf dem Niveau von vor sieben Jahren verharrt.

Ein Symbol wird vernichtet

Mit der ODYSSEE verschwindet ein Symbol für friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen. Gerade jetzt, wo populistische Kräfte kulturelle Unterschiede instrumentalisieren, wäre ein solches Festival unverzichtbar gewesen. Der öffentlichen Verwaltung muss fahrlässige Ignoranz vorgeworfen werden. Während Kostensteigerungen absehbar waren, blieben Fördersätze eisern unverändert. Das Ergebnis: Die Veranstalter sahen sich gedrängt zwischen Verschuldung und Aufgabe. Wer seine Kulturpartner derart systematisch in die Aufgabe treibt, untergräbt aktiv die Grundlagen einer offenen Gesellschaft. Die diesjährige ODYSSEE bedeutet den bitteren Abschied von einer Vision Deutschlands als Ort kultureller Begegnung. Das Verstummen ist symptomatisch für eine Kulturpolitik, die ihre gesellschaftliche Verantwortung aktiv verrät. Die ODYSSEE hätte nicht nur gerettet, sondern gestärkt werden müssen - als Festival, als Symbol und als praktische Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Stattdessen bleibt die Erkenntnis: Wenn es darauf ankommt, lassen sie die Kultur im Stich. Wieder einmal.

Die letzten Konzerte der ODYSSEE 2025

Da Cruz

  • Mittwoch, 9. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
  • Donnerstag, 10. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
  • Freitag, 11. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
  • Samstag, 12. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße

KIBAB

  • Mittwoch, 16. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
  • Donnerstag, 17. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
  • Freitag, 18. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
  • Samstag, 19. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße

Ketekalles

  • Mittwoch, 23. Juli | Hagen, Konzertmuschel im Volkspark
  • Donnerstag, 24. Juli | Recklinghausen, Stadtgarten am Ruhrfestspielhaus
  • Freitag, 25. Juli | Mülheim, Open-Air-Bühne am Ringlokschuppen
  • Samstag, 26. Juli | Bochum, Freilichtbühne Wattenscheid Parkstraße

Alle Konzerte sind eintrittsfrei.



Suche