"Nicht im Zorn"
Ein persönliches Statement von Reiner Michalke
TEXT: Stefan Pieper |
Der Spruch, wenn es am schönsten ist, soll man aufhören, bekommt einen seltsamen Beigeschmack angesichts des endgültigen Rücktritts von Reiner Michalke als künstlerischem Leiter des Moers-Festivals. Präsentierte sich „Moers“ - längst eine Marke, die für sich steht und als Name keiner weiteren Zusätze mehr bedarf - doch in diesem Jahr zuverlässig wie immer auf der Höhe der Zeit. Seit drei Jahren hat die „Festivalstadt Moers“ sogar eine eigene Spielstätte und es gab einen Publikumsrekord bei der jüngsten Festivalausgabe. Die Querelen um die Finanzierung, das politische Dauertheater zwischen idealistischen Vorkämpfern für das Festival aber auch seiner Gegner sowie Lokalpolitikern, die zwischen den Fronten stehen bzw. aus den polarisierten Personengruppen Wählerpotenziale rekrutieren wollen - davon haben die Musikinteressierten in den Konzerten selten etwas mitbekommen. Wenn erst einmal das Festival lief, war vor Ort doch alles gut, entspannt und euphorisch.
Reiner Michalke hat hinter den Kulissen 11 Jahre lang im besten Sinne gegen Widerstände gekämpft, um weitblickend künstlerische Visionen zu verfolgen, was dem Image dieser Stadt und des ganzen Landes in Bezug auf Toleranz und kultureller Offenheit immer gut getan hat. Dass Reiner Michalke jetzt angesichts der aktuell zugespitzten Situation keine Planungssicherheit mehr für eine seriöse Festivalprogrammierung zieht, muss man akzeptieren. Dankbar sein können wir dem Kölner, dass er über ein Jahrzehnt lang die Geschichte des Festivals kontinuierlich weiter geschrieben hat. Es scheint im Moment vorstellbar, dass „Moers“ einmal nicht mehr einer der großen Höhepunkte im Jahr sein wird. Dies für die Zukunft zu bewahren, ist eine ungeheuer verantwortungsvolle Aufgabe, die jetzt in den Händen eines künftigen neuen Festival-Leiters, der Moerser Stadtgesellschaft, aber auch sämtlicher unterstützender Kräfte in Politik und Wirtschaft (Sponsoren!) liegt. Das Logo für die kommende Festivalausgabe steht schon. Es wirkt jetzt umso mehr wie ein eindringlicher Appell.
Wortwörtlich sei hier Reiner Michalkes persönliches Statement zitiert:
„Liebe Freundinnen und Freunde des moers festival,
Hiermit möchte ich mich von euch verabschieden. Jeder Weg geht einmal zu Ende. So auch mein Weg in Moers. Selbstverständlich habe ich mir ein anderes Ende meiner Tätigkeit für das moers festival gewünscht, doch manchmal hat man es einfach nicht mehr in der Hand.
Seit dem Wechsel im Amt des Bürgermeisters hat es in Moers einige personelle Veränderungen gegeben, die sich leider auch unmittelbar auf das Festival ausgewirkt haben. Dazu gehörte der Rückzug von Uli Greb als Geschäftsführer der Moers Kultur GmbH zum Ende des vergangenen Jahres. Die fünfjährige Zusammenarbeit mit Uli Greb war von gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung geprägt und hat es ermöglicht, Festival und Festivalhalle auf das Niveau zu heben, auf dem sie heute sind.
Ich musste nun erkennen, dass die sich seit Beginn diesen Jahres eklatant veränderten Arbeitsbedingungen in Moers keine verlässliche Perspektive für meine Weiterarbeit geboten haben. Und weitergehende Einschnitte, als die bereits vorgenommen worden sind, wollte ich nicht hinnehmen.
Aber ich will Moers nicht im Zorn verlassen. So habe ich angeboten, meine bereits weit fortgeschrittenen inhaltlichen Planungen für ein Festival in 2017 zur Verfügung zu stellen und bei der Suche nach einer/m Nachfolger/in behilflich zu sein.
Es war mir eine große Ehre und eine große Freude für dieses aus meiner Sicht wichtigste Musikfestival der Welt elf Jahre lang die künstlerische Verantwortung tragen zu dürfen. Ich möchte mich hiermit sehr herzlich bei allen bedanken, die mich dabei bis zum Schluss tatkräftig unterstützt haben. Ganz besonders bei meinem Team, ohne das meine Arbeit in Moers nicht denkbar gewesen wäre.
Und natürlich möchte ich mich bei Euch bedanken, für Euer Interesse, Eure Leidenschaft und Euren Ansporn, jedes Jahr ein noch besseres Programm zu machen.
Ich bin sicher, dass wir uns bald irgendwo wiedersehen. Darauf freue ich mich!
Mit herzlichem Gruß aus Köln,
Euer Reiner Michalke“.