Bild für Beitrag: Nederlands Dans Theater 2 | The Big Crying zu Afunakwa und IMPASSE zu Ibrahim Maalouf.
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Nederlands Dans Theater 2

The Big Crying zu Afunakwa und IMPASSE zu Ibrahim Maalouf.

Köln, 04.10.2021
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Joris Jan Bos/Rahi Rezvani

Tanz Köln präsentiert in der Oper Köln ein Gastspiel des Nederlands Dans Theater 2 mit The Big Crying und IMPASSE.

Afrikanische Trommelrhythmen, ein einzelner Tänzer mit nacktem Oberkörper steht auf der Bühne vor einer lodernden Flamme und tanzt mit heftigen eckigen Armbewegungen auf der Stelle. Es erinnert an einen alten Film, der in Zeitraffer läuft. Mit diesem eindrücklichen Bild begleitet von einem hypnotischen Rhythmus beginnt The Big Crying vom Choreographen Marco Goecke (Weltpremiere 18.3.21 in Den Haag). Er ist Ballettdirektor am Staatstheater Hannover und assoziierter Choreograph des Nederlands Dans Theater. Die Fachzeitschrift tanz hat ihn als “Choreographen der Tanzsaison 20/21“ ausgezeichnet.

The Big Crying ist ein sehr persönliches Stück, das vom Tod seines Vaters im Herbst 2020, beeinflusst ist. Die Kostüme der Tänzer*innen sind in schwarz gehalten und drücken Trauer und Schmerz aus. Auch die Musikauswahl entspricht dem. Rorogwela von Afunakwa ist ein traditionelles Lied von den Salomonen im Südpazifik. Es handelt von Kindern, die ihre Eltern verloren haben. Im Lied bittet eine ältere Schwester ihre jüngeren Geschwister nicht mehr zu weinen. Ein Death Lullaby gehört ebenso zur Musik wie Blood Roses von Tori Amos. Melancholische Stücke mit Frauenstimme und Klavier.

Marco Goecke hat seine ganz eigene Körpersprache weiter verfeinert. Er setzt abgehackte mechanische Bewegungen ein, von „Körpern, die wie kaputte Motoren sind“, so Marco Goecke. Während in seinem Tanzstück Wir sagen uns Dunkles, das er im Januar 2020 in Köln aufführte (siehe Link unten), noch ein Zittern und Reißen durch die Körper ging, sind die Bewegungen nun weniger zerrissen und kohärenter. Der Tanz ist, trotz der schnellen und abgehackten Bewegungen, wesentlich dichter als in dem früheren Stück. Den Einsatz der Arme hat er weiter ausgearbeitet, er erinnert stellenweise an die symbolischen Handmudras des indischen Bharatanatyam Tanzes. Der Titel The Big Crying ist wörtlich zu nehmen, Schmerz und Trauer werden laut herausgeschrieen, von Einzelnen oder auch vom allen Tänzer*innen gemeinsam. Doch das Stück bleibt nicht in der Trauer stecken. Der Verlust, die Trauer wird expressiv verarbeitet. The Big Crying zeigt durch die Kraft des Tanzes die Kraft des Lebens und zeigt die Vergänglichkeit als Teil aller Lebendigkeit.

Marco Goecke fordert, wie immer, eine ungemeine körperliche Leistung von den jungen Tänzer*innen. Vielleicht arbeitet er deshalb auch besonders gern mit dem Nederlands Dans Theater 2 zusammen, deren Tänzer*innen 17 bis 21 Jahre jung sind. Ursprünglich 1959 als eine Talentschmiede für das Nederlands Dans Theater gegründet, hat es sich längst zu einer eigenen Kompanie entwickelt. Und viele renommierte Choreographen wollen gerade mit diesen aufstrebenden jungen Tänzer*innen arbeiten.

Der Schwede Johan Inger ist der Choreograph des zweiten Tanzstückes mit dem Titel IMPASSE (Sackgasse). Er hat selbst, vom königlichen Ballett Stockholm kommend, bis 2002 im Nederlands Dans Theater getanzt. Von 2003-2008 leitete er das Cullberg Ballet, für das er immer noch choreographiert. Johan Inger ist ein international gefragter Choreograph.

Er hat 2017 mit dem italienischen Aterballeto in der Oper Köln das Köln Concert von Keith Jarrett als Grundlage für ein Tanzstück verwendet (siehe Link unten). Auch für IMPASSE hat Johan Inger Jazzmusik ausgewählt, aus dem Album Diagnostic (2020) des libanesischen Trompeters und Komponisten Ibrahim Maalouf: Lily will soon be a woman, Maeva in wonderland, Your soul, Never serious und They don’t care about us. In den Jazz von Ibrahim Maalouf, der mit vielen Jazzpreisen ausgezeichnet wurde, mischen sich Einflüsse von arabischer Musik, Latin und anderen Musikstilen. Es ist vor allem sehr rhythmische Musik.

Johan Inger zeigt mit seinem Stück, dass Gruppenzwang und Konfrontation nicht die Probleme der Menschheit lösen können, sondern in eine Sackgasse führen. Seine Körpersprache ist durch fließende Bewegungen gekennzeichnet. Wenn wir Goeckes Tanzbewegungen als eckig empfinden, dann sind Ingers Bewegungen rund. Sein Stück entwickelt sich langsam. Zu Beginn ist nur eine Tänzerin auf der Bühne, dann ein Paar und dann zwei Paare. Langsam füllt sich die Bühne mit Tänzer*innen. Dann kommt eine bunte schrille Gruppe, als Clown, König oder Prinzessin maskiert dazu. Karneval, Rocky Horror oder einfach nur Ausdruck des Anders-seins. Verschiedene Gruppen geraten in Streit, ein Reiterkampf wird ausgefochten. Es gibt keine Sieger, die Konfrontation führt nicht weiter. Wilde Rhythmen, Hektik und Hysterie, führen immer wieder zu Gruppenbildung und zur Isolation Einzelner. Alle Zusammen könnten etwas verändern und bewegen. Aber kann die Menschheit zusammen wirken? Als der Vorhang zugeht stehen drei Tänzer*innen getrennt von der Gruppe vor dem Vorhang.

Jazziger Tanz von Johan Inger der mit viel Leichtigkeit und Komik daherkommt, aber auch Konflikte und Probleme aufzeigt.

Zwei sehr unterschiedliche Tanzstücke, herausragend getanzt von den achtzehn jungen Tänzer*innen des Nederlands Dans Theather 2. Ein großartiger Tanzabend in der Kölner Oper im Staatenhaus.

Link zum Bericht über Johan Inger mit dem Aterballetto:

https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2017/Golden_Days_Inger_u_Aterballetto_Oper_Koeln/

Link zum Nederlands Dans Theater 2020:

https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2020/Nederlands_Dans_Theater_im_Schauspiel_Koeln/

Weiteren Infos zu Tanz Köln: https://www.oper.koeln/de/

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