Moers-Festival findet analog statt
"Ihr könnt aber nicht in die Halle"
TEXT: Stefan Pieper |
„Ein Festival in diesen Zeiten? Das geht doch gar nicht! Doch, meinen wir, denn wir sind das Gegenmittel gegen Kulturverlust, Einsamkeit und Langweile!“ sagen die Macher des Moers-Festivals. Den aktuellen Stand der Planungen verkündete Tim Isfort auf einer erneuten online-Pressekonferenz: „Das Festival findet analog statt und wir können das teilen und erleben. Ihr könnt aber nicht in die Halle!“
Im Klartext: Möglichst viele der geplanten Konzerte finden statt, live in der Festivalhalle. Ohne Publikum, dafür mit Übertragungskameras, die den Livestream von Arte Concerts in Echtzeit bedienen.
Das alles hat in Moers mit Schadensbegrenzung zu tun, soll aber als Zeichen für die Unersetzbarkeit real physischer, analoger Konzerte auffallen. Tim Isfort : „Wenn wir auf Abenteuerfahrt gehen, ist dies eine passende Rettungsweste, die uns vor dem Untergang bewahrt.“
Er und sein Team haben schon Bilder im Kopf, wie es vom 29.5.-1.6. laufen wird: „Zwei Areale, einander gegenüber, in gebührendem Abstand. Kabelkilometer, Starkstrom, blubbernde Geräusche, fahle Schatten werfende Laboranten mit Schutzanzügen. Auf den leicht erhöhten Arealen immer wieder, aber nicht zu viel, zumindest nicht gleichzeitig (!): Stars aus all den Ländern, in denen es noch – oder wieder – Reisefreiheit gibt. Ha! Plötzlich bricht Jubel aus, überschwemmt die begeisterte Menge den Klangbildbrutplatz, bricht durch die Absperrungen! Doch halt, nein, fake, einEinspieler...In einer dunklen Ecke sitzt ein Typ feixend hinterm Mundschutz, mit merkwürdiger Brille und einem Tischlein voll bunter Knöpfchen vor sich.
Zurück auf die erhöhten Podeste: In respektvoller Distanz umkreisen Kameras und Mikros die Künstler*innen, fangen deren Klangblüten ein und senden sie zum Ü-Sammelplatz. Der wieder schickt das Bildtongemisch in den Arte-Äther, von wo aus es all die, die kommen müssten, aber nicht können, in sicherer Entfernung genießen können. Zu Hause am Laptop, im Park, Garten, Balkon – make your own moers! Bleibt gesund, haltet euch an die Regeln, aber verpasst nicht unser digitales Festival. Seid dabei! Überwindet social distance bei Einhaltung der physical distance. New ways to fly.“
Ambitioniert genug ist der Plan, möglichst viele der gebuchten Artists tatsächlich nach Moers zu holen. Der Abstand zwischen den Personen würde natürlich eingehalten, einige Künstler werden mit Masken spielen und auch die Hygieneregeln werden genau ausgeführt, erklärt Tim Isfort . Viele Festivals hätten sich in der Krise einen sicheren Hafen gesucht. „Wir nicht! Wir haben unser Schiff auf See geschickt. Mit der Crew und Miss Unimoers als Kapitänin“ bekräftigt Isforth seinen Anspruch, es anders machen zu wollen.
Die Absagen halten sich mit bislang vier von insgesamt fast 60 Acts in Grenzen. Sie betreffen allerdings den prominentesten Gast in Moers: John Zorn cancelte sein Kommen – und zwar in erster Linie aus Überzeugung, weil er ein Streaming seiner Konzerte von grundauf ablehnt. Zur Frage, wie man im Detail mit den Reisebeschränkungen umgehe, wollte Isforth keine Informationen preisgeben. Erfreulich bei der Gesamtplanung ist einmal mehr, dass auch viele Künstler und Formationen aus NRW zum Programm gehören. Gespannt sein können wir hier vor allem auf eine erstmalige Koopartion mit dem PENG-Festival.
Zu viele Variablen sind noch im Spiel, als dass jetzt schon ein Streamplan veröffentlicht werden kann - man muss sehen, was sich verwirklichen lässt. Auf Hochtouren wrd mit Engagement an einer möglichste kreativen Umsetzung dieser unfreiwilligen „Premiere“ für das Moers-Festival gearbeitet.
Die Förderer und Sponsoren des Festivals stehen hinter diesem Unterfangen und nehmen auch Ausfülle bei den Ticktkäufen in Kauf. Hier setzt aber wieder der nimmermüde Appell an die Solidarität mit der großen Sache an: Wer bereits ein Tickt hat, sei natürlich eingeladen, dieses nicht zurückzugeben – mehr noch, es können sogar Soli-Tickets erworben werden, mit der gleichzeitig eine „Sonderzuschauerurkunde“ übergeben wird. Der Erlös für den Verkauf vieler lustiger Mechandising-Artikel könnte ebenfalls helfen.
Ab sofort ist der online-Shop des Festival auf der Website. Wer etwas spendieren und dafür die Superzuschauerurkunde erhalten möchte, findet alle Informationen auf www.moers-festival.de. Hier lassen sich auch gekaufte Tickets stornieren – natürlich ohne Kosten.