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Mit Sachverstand und Liebe

Eine Rückschau auf die Konzerte in der werkstatt

Gelsenkirchen, 31.12.2024
FOTO: Franziska Götzen, Jürgen Nobel

Nicht laut und reißerisch, aber dafür mit umso mehr Liebe und Kennerschaft - so lässt sich der Kulturbetrieb der Werkstatt in Gelsenkirchen beschreiben. Ein kleines, ehemaliges Ladenlokal, das zugleich auch als Ausstellungsraum dient - seit Jahrzehnten betrieben vom "werkstatt Verein zur Förderung von Kunst und Kultur e.V.", der 1976 (!) gegründet wurde. Mehr braucht es nicht, dass hier immer wieder Großes passiert. Unser Vorsatz fürs Neue Jahr lautet auf jeden Fall, über die Live-Ereignisse auf dieser kleinen, aber feinen Kulturbühne im nördlichen Ruhrgebiet häufiger zu berichten. Hier sei dem Verein gedankt, dass er uns eine Jahresrückschau geliefert hat, die wir gerne hier veröffentlichen und deren wertschätzendem Urteil wir uns nur vertrauensvoll anschließen können - allein die Namen, die alle einen hervorragenden Klang in NRWs Musikszene haben, sprechen für sich:

Mit 26 Konzerten hat dieser kleine, aber feine Kulturort in Gelsenkirchen-Buer wieder einmal bewiesen, dass Größe nicht alles ist. Einen hochkarätig-empfindsamen Jahresabschluss lieferte ausgerechnet ein Projekt, das gerade erst aus der Taufe gehoben wurde: "Lyckträff" - eine Verbindung des Essener Bassisten Moritz Götzen mit der schwedischen Sängerin Anna Lundqvist und Gitarrist Jonas Hemmersbach. Nach nur drei Probentagen zauberten sie einen magischen Moment, der in Thad Jones' "A Child Is Born" gipfelte.

Feuerwerk der Rhythmen

Dass manchmal die schönsten Dinge aus der Not geboren werden, bewies die Werkstatt gleich zweimal: Als bei "Hammer + 3" kurzfristig der Bassist ausfiel, sprang Johannes Nebel ein und verzauberte mit Soli, die jeden Gedanken an einen "Ersatz" vergessen ließen. Noch spektakulärer geriet der Notfall-Einsatz von Fethi Ak - statt geplanter Videoprojektionen entfachte der Dombak-Virtuose ein regelrechtes Feuerwerk der Rhythmen. Die Werkstatt wagte sich auch auf Neuland: Eine Podcast-Aufnahme vor Publikum - "These Cats" machte den Anfang und pflegte den kulturpolitischen Diskurs. Und wenn beim experimentellen Trio "Toxodon" nur wenige Zuhörer den Weg fanden, wurden sie mit einer packenden Mischung aus Komposition und freiem Spiel belohnt. Tiefgang bewies das Haus mit "kẑrme", einem bewegenden Beitrag zur Reihe "Auschwitz vor Gericht".

Auch Soundtrips NRW hat hier einen idealen Standort

Das ganze Jahr war eine große Bandbreite angesagt: Der Hammondorgel-Magier Jo Aldinger war gleich zweimal zu Gast, einmal mit "Downbeatclub", dann mit dem "ma|tov|trio". Die Dynastie der indischen Musikerfamilie Khan - Imran an der Sitar, Naim an den Tablas sind in der 8. und 9. Generation ihrer Kunst verpflichtet und realisierten in der Werkstatt eine Sternstunde der klassischen indischen Musik – solche Ereignisse haben Seltenheitswert! Zweimal war die Werkstatt Schauplatz der renommierten Improvisations-Reihe „Soundtrips-NRW": hier die samtweiche Improvisation von Nils Wogram mit Saadet Türköz, dort das elektrisierende Industrial-Gewitter von Farida Amadou & Julien Desprez.

Die "Blues Brawler" brachten mit zwei Jahrhunderten geballter Musikerfahrung den Laden zum Kochen - bis das kühle Bier zur Neige ging. Ivan Petricevic bewies, dass klassische Gitarre pure Lebenskunst sein kann. Der "accordeon fighter" Yegor Zabelov schuf seinen eigenen Kosmos, Maren Montauk eroberte die Bühne im Sturm, und das "Kozmic Trio" mit Imke Johanne Spöring und André Meisners magischer Duduk webte Klangträume zwischen Jazz und Folklore.

Ohne Christian Hammer läuft hier nichts

Und auch Christian Hammer selbst, ohne den wohl kaum etwas in der Werkstatt laufen würde, brachte engagierte Begegnungen im zeitgenössischen Jazz an diesem Ort auf die Bühne: Sein "Now and Then" Projekt mit Matthias Bergmann , Ingo Senst und Stefan Bauer bewies eine entspannte Meisterschaft, die sich nichts mehr beweisen muss.

Und 2025? Da wartet schon Henning Neidhardt mit seiner faszinierenden Mischung aus Piano, Synthesizer und Field-Recordings. "Hammer + 3" verspricht eine spannende Fusion von Jazz und persischer Tradition, Tunja bringt Soul-Jazz-Hip-Hop, und die "Motherfunkers" werden die Werkstatt in pure Funk-Energie tauchen. Das sind alles nur die musikalischen Darbietungen – die Bandbreite im Kulturprogramm der Werkstatt geht mit Literatur und bildender Kunst weit darüber hinaus, um ein unverzichtbarer Anlaufpunkt für echte Kultur im Ruhrgebiet zu bleiben.

Historie

1976 wurde am alten „Marientor“ in Gelsenkirchen-Buer von 5 Künstlern, 2 Zeichnern und Grafikern, einem Bildhauer und 2 Goldschmieden, die „Künstlergemeinschaft-werkstatt“ gegründet. Nach dem Abriss des Gebäudekomplexes im Rahmen des Stadtumbaus im Jahre 1980 fand die Gruppe eine neue Unterkunft an der Hagenstr.34, wo 2016 der 40. Jahrestag der Gründung gefeiert wurde. Im Frühjahr 2009 drohte der „werkstatt“ das Aus. Eine kleine Gruppe von Freundinnen und Freunden gründete nach dem Bekanntwerden der Nachricht von der drohenden Schließung den Trägerverein „werkstatt Verein zur Förderung von Kunst und Kultur e.V.”, der seither für das Programm verantwortlich zeichnet.

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