“Miniaturen der Zeit“ im WDR
Wegweisende Reihe mit sozialen, politischen und ökologischen Themen
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
In einem Pressegespräch hat der WDR den Neuen Musikzyklus „Miniaturen der Zeit“ vorgestellt. Diese neue Reihe wurde von Valerie Weber, der Programmdirektorin für Wissen und Kultur in NRW in Zusammenarbeit mit Harry Vogt, dem Redakteur der Reihe „Musik der Zeit“ und Christian Macelaru, dem Chefdirigenten des WDR Sinfonieorchesters, entwickelt.
Es wurden 12 Kompositionsaufträge an Komponistinnen und Komponisten in aller Welt vergeben, das Ziel war ein hohes Maß an Diversität zu erreichen.
Die Kompositionen sind fünf Minuten lang und greifen soziale, politische und ökologische Fragen der Gegenwart auf. Macelaru führte aus, dass Musik, immer die Zeit, in der sie entstanden sei, abbilde. Das sei bei Beethoven und Mozart so gewesen und solle auch in der Gegenwartsmusik spürbar sein. Musik soll unsere Zeit repräsentieren. Musik erzähle immer die Geschichte der Menschheit. Gerade in Zeiten der Pandemie habe dies eine besondere Bedeutung, da sich durch die digitalen Verbreitungsformen das Publikum globalisiert habe. Heute schaue die ganze Welt, was in NRW an Musik gemacht werde.
Dem Chefdirigenten des Sinfonieorchesters ist es ein persönliches Anliegen, das experimentelle und zeitgenössische Musik in NRW gespielt werde.
Er richtete damit den Blick nicht nur auf die Einschränkungen, sondern auch auf neue Chancen, die sich während der Pandemie ergeben haben.
Harry Vogt, führte aus, wie erstaunt er war, dass die Komponistinnen und Komponisten so schnell bereit gewesen wären, mit ihren Kompositionen auf Themen der Zeit einzugehen.
Die in Berlin lebende britische Komponistin Charlotte Bray, deren Beitrag als erster am 28.5. im WDR zu hören sein wird, machte deutlich, dass es auch eine Erleichterung für sie war, während der Pandemie arbeiten zu können. Es erfordere allerdings auch Mut, eine politische Arbeit zu gestalten. Es war ihr erster Kompositionsauftrag aus Deutschland und sie freue sich, über ihre Musik sich mit vielen Menschen verbinden zu können. Am Beispiel des schmelzenden Eises in Grönland hat sie in ihrer Komposition das Thema Erderwärmung aufgegriffen.
Die Uraufführungen der Kompositionen werden in der Sendung Tonart im WDR 3 stattfinden. Im Vorfeld werden Gespräche mit den Komponistinnen und Komponisten, Ausschnitte aus den Proben und Einblicke in den Prozess der Entstehung der jeweiligen Musikminiaturen gesendet. Damit wird Neue Musik mitten am Tag im Rundfunk repräsentiert und nicht erst am späten Abend oder in der Nacht.
Die Miniaturen sollen eine Brücke zu der Neuen Musik Reihe “Musik der Zeit“ bilden. Sie werden in den Abo Konzerten gespielt und sollen das Publikum auf neue Musik neugierig machen und auch für die “Musik der Zeit“ Interesse wecken.
Die “Miniaturen der Zeit“ sind ein wegweisendes Projekt im Bereich der Neuen Musik. Es lohnt sich auch für Musiker*innen aus dem Bereich Jazz und Improvisationsmusik sich damit auseinanderzusetzen. In der zeitgenössischen Jazzmusik ist der politische und soziale Aspekt in den letzten Jahren stärker in den Hintergrund gerückt. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie das FuchsThon Orchestra, das aktuelle Themen in seiner Musik aufgreift. Ein Bespiel ist die Komposition Iceland von Christina Fuchs, die sich ebenso wie die Komposition von Charlotte Bray mit dem Klimawandel auseinandersetzt. Aber die Big Band von Christina Fuchs und Caroline Thon hat auch viele Schnittmengen mit Bereichen der Neuen Musik. Ein anderes Bespiel aus dem Jazz in NRW war ein musikalisches Projekt von Sebastian Gramms, das sich mit Migration und Flüchtlingselend auseinandersetzte. In den USA finden wir deutlich mehr Jazzmusiker*innen, besonders afro-amerikanische, die aktuellen Themen bearbeiten, wie den Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. So können Projekte wie die “Miniaturen der Zeit“ Denkprozesse bei Künstler*innen anregen und auch in der Jazzszene in NRW den Blick für politische und ökologische Themen schärfen. Es wird sicher spannend werden zu erleben, wie Klimakrise oder Artensterben sich in der Gegenwartsmusik anhören, nicht nur in der Neuen Musik, sondern vielleicht auch im Jazz.
Das Programm: 28. Mai 2021 live, WDR 3 Tonart 15-16 Uhr Charlotte Bray Where Icebergs Dance Away
11. Juni 2021 live, WDR 3 Tonart 15-16 Uhr Dai Fujikura Entwine
Für die weiteren Erstaufführungen auf WDR 3 sind Werke von u.a. Dai Fujikura, Vito Žuraj, Birke Bertelsmeier, Malika Kishino, Sarah Nemtsov und Nico Muhly geplant. Die meisten Stücke sind bereits in Auftrag gegeben, für zwei Plätze in dem aktuellen Zyklus können Komponist*innen noch Vorschläge einreichen. Weitere Informationen stehen unter www.wdr.de/k/miniaturen-der-zeit zur Verfügung.