Kultur gibt Halt!
Statement zum Ende eines bewegten Jahres
TEXT: Stefan Pieper, Bernd Zimmermann |
Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende zu – manchmal hat man das Gefühl, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Die Einschläge in unserer saturierten und zivilisierten Welt kommen näher. Unlängst ist sogar ein friedliches Musikereignis zum Schauplatz blutigen Terrors geworden.
Zugleich haben fortschreitende Ungleichverteilung, Globalisierung und Kriege in bislang unvorstellbarem Maße Migrationsbewegungen freigesetzt. In diesem Zusammenhang erscheint es schon als „Luxusproblem“, über die materielle Situation von Jazzmusikern und die Finanznöte von Spielstätten nachzudenken - merkte unlängst ein Musiker aus der Szene an. Ja, jedem freiberuflich, existierenden Menschen in unserem Land geht es noch vergleichsweise gut, verglichen mit den Abermillionen Entwurzelten, Verzweifelten, Heimatlosen, Kriegsopfern, Verhungerten, die unsere Weltordnung stetig produziert.
Aber sind deswegen kulturelle Werte weniger wichtig? Wir sagen Nein! Die Geschichte zeigt, dass gerade in schwierigen Zeiten ein besonderer Hunger nach Kultur besteht. Kultur, Halt und dem Mensch-Sein an sich eine grundlegende Orientierung. Kultur, die aufrichtig daherkommt, befreit das Denken und stellt Humanität her. Wenn kulturelle Grundwerte ins Kreuzfeuer hysterischer Sparzwänge geraten, ist dies kurzsichtig und fahrlässig gedacht. Der Jazz in all seiner Freiheit ist eine wesentliche Säule dieser Kultur. Immer neue Stile und Varianten widersetzen sich der Gleichmacherei durch den kommerziellen Mainstream. Jazzmusiker agieren idealtypisch, wenn es um das Integrieren neuer, scheinbar fremder Einflüsse geht. Jazz steht symbolhaft für Toleranz, und gerade die muss in diesen Tagen neu erlernt werden. Auch die Akteure tragen eine Verantwortung: Ihre künstlerischen Botschaften können sensibilisieren für gesellschaftliche und politische kritische Reflexionen.
Wie einflussreich und lebendig die sogenannte „Nische“ des Jazz ist, zeigen die etwa 1000 Musikerinnen und Musiker allein in unserem Bundesland. Und: den Musikern und Konzertveranstaltern steht ein aufgeschlossenes Publikum, gegenüber, das gerne an den musikalischen Reichtümern partizipiert. Durchaus hat man den Eindruck, dass hier noch vieles mehr aneinander angeschlossen werden könnte. Dass es im Ganzen betrachtet mehr Bewegung, Transparenz, Kommunikation und frische Ideen geben könnte. Auch, dass die materielle Situation dringend zu verbessern ist, ebenso der Wert eines künstlerischen Ergebnisses, hinter dem viel menschliche Arbeit steht, dringend einer (Werte-)Diskussion bedarf. nrwjazz hat im Rahmen einer Forschungsstudie aus vielen Perspektiven und in allen Richtungen nach Meinungen und Rahmenbedingungen gefragt. Dabei haben uns viele Musikerinnen und Musiker, Veranstalter und ganz viele Konzertbesucherinnen und -besucher in ungeahnter unterstützt. Dafür danken wir allen sehr herzlich!
Ein besonderer Dank geht vor allem an die vielen engagierten Veranstalter im Lande - vor allem die, die mit viel ehrenamtlichem Engagement, ohne Förderungen oder Spielstättenprämien - Auftrittsmöglichkeiten für unsere Musiker schaffen und dem Publikum verlässlich Gelegenheiten geben, den Jazz immer wieder neu zu erleben.
Allen Akteurinnen und Akteuren der Jazzszene wünschen wir fürs neue Jahr viel Mut, Inspiration und Freiraum für großartige Projekte! Unserem Jazzpublikum viel Freude beim Entdecken der ganzen Vielfalt improvisierter Musik und viel Neugier, auch die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Dafür wird nrwjazz weiterhin einen guten Leitfaden liefern.
Jazzige Weihnachten und einen ebensolchen Start in 2016 wünschen
Euer Redaktionsteam