Jazz muss jedem Autokraten suspekt sein
Ein Synonym für Freiheit?
TEXT: Heinz Schlinkert |
Jazz und Politik – das ist ein altes Thema, das immer wieder die Gemüter bewegt. Johannes Kunz bemüht in seinem Essay in der Wiener Zeitung zum diesjährigen 'Internationalen Tag des Jazz' vor allem die Zeitgeschichte.
Kunz war Informationsintendant im österreichischen Fernsehen und hat mehrere Bücher zu politischen Themen und Jazz, darunter Biografien über Frank Sinatra und Ella Fitzgerald, geschrieben.
Unter dem Titel Synonym für Freiheit - Eine (politische) Betrachtung zum Internationalen Tag des Jazz beschreibt er zunächst recht pauschal die bekannte Rolle von Blues und Jazz in der rassistischen US-Gesellschaft und bezieht sich dabei u. a. auf Eric J. Hobsbawm. Auch das Jazz-Verbot der Nazis als "jüdische Negermusik" und die stalinistische Auffassung des Jazz als Ausdruck des "amerikanischen Kulturimperialismus" werden erläutert.
In Anlehnung an Joachim-Ernst Berendt wird behauptet, der Jazz sei- wegen des ihm innewohnenden Elements der Freiheit (Improvisation, Free Jazz) - auch heute noch für Autokraten suspekt. Diese würden diese Charakteristik oft viel eher ‚wittern‘ als seine Anhänger.
Auch die politische Bedeutung von Funk und Soul in der US-Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre, in den Irak-Kriegen und unter der Trump-Regierung wird thematisiert, auch die Rolle des Jazz in Europa im Zuge des erstarkten Rechtspopulismus wird erwähnt.
In einem abschließenden Resumée wird eine treffende Gesamteinschätzung geliefert: „Der Jazz in all seiner Vielfalt, mit seinen verschiedenen Stilen und scheinbaren Stilbrüchen, spiegelt musikalisch die diversen Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung wider.“
Wegen der Integration europäischer, asiatischer und lateinamerikanischer Einflüsse sei er als „Begleitmusik der Globalisierung“ längst zur "Weltmusik" geworden.
Insgesamt ist dies ein interessanter Artikel, der zwar wenig Neues bietet, aber die Thematik auf der Achse der Zeitgeschichte gut zusammenfasst.
Weitergehende Aspekte - z. B. die Frage, ob die Musik des Jazz an sich politisch, wenn nicht gar fortschrittlich ist - wurden schon 2019 beim 16. Darmstädter Jazzforums diskutiert. Unter dem Titel POSITIONEN! Jazz und Politik in den ‚Darmstädter Beiträgen zur Jazzforschung Band 16‘ (hrsg. von Wolfram Knauer) wurden sie veröffentlicht.
link:
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/vermessungen/2145588-Synonym-fuer-Freiheit.html