Irritationen
"Spielstätten-Förderpreis" in der Kritik
TEXT: Bernd Zimmermann |
Hoch gelobt und mit Spannung erwartet wurde der erstmals auf Bundesebene mit 1 Million Euro dotierte "Spielstätten-Förderpreis" über die "Initiative Musik" ausgelobt und Ende September an 55 Spielstätten verliehen. Seitdem herrscht in der Szene große Aufregung. Selbst die Süddeutsche Zeitung schrieb am 14.10. "(Es) hätte also ein rundum gelungener Anfang sein können, wenn nicht Thomas Vogler (...) den Spielverderber gemacht hätte."
Thomas Vogler betreibt in München die frei finanzierte Vogler Jazzbar und hat auf seiner Internetseite seinem Ärger Luft gemacht. Auch nrwjazz.net erreichten Kommentare über die Ergebnisse der diesjährigen Preisverleihung.
Worum gehts eigentlich? Die "Bundesregierung", vertreten durch CDU-Minister Bernd Neumann, wollte erstmals mit einem "Spielstätten-Förderpreis" über die "Initiative Musik", dotiert mit insgesamt 1.000.000 Euro Steuergeldern, DIE Bühnen unterstützen, die "ohne oder mit nur wenig öffentlicher Förderung" versuchen, Live-Musik zu ermöglichen.
In der neun-köpfigen Jury für die diesjährige Preis-Verleihung der "Initiative Musik" saß u.a. der Geschäftsführende Gesellschafter und Programmchef des Kölner "Stadtgartens", Reiner Michalke und Karsten Schölermann, u.a. Vorstand des Hamburger "Clubkombinates e.V.", eines "Verbandes Hamburger Club-, Party- und Kulturereignisschaffender".
Mit Preisen bedacht wurden in diesem Jahr u.a. - der Kölner "Stadtgarten" und - gleich fünf Clubs aus dem Verband Hamburger Club-, Party und Kulturereignisschaffender, darunter: "Die Spielstätte des Jahres". Die Inhaber zweier ausgezeichneter Clubs sind gleichzeitig Vorstands-Kollegen von: Jury-Mitglied Schölermann.
Und genau dies hat für Vogler einen negativen Beigeschmack. Ina Keßler, Geschäftsführerin der "Initiative Musik" hierzu: „Auch Mitglieder aus der Jury dürfen für Ihre Spielstätte, oder einer Spielstätte an der sie beteiligt sind, einen Antrag stellen. Nur bei der Entscheidung dazu müssen sie sich enthalten und müssen bei der Diskussion darum die Sitzung verlassen. Und genau so ist es auch gemacht worden. Wenn jemand schon ehrenamtlich in der Jury sitzt, darf er nicht auch vom Verfahren ausgeschlossen und damit benachteiligt werden.“
Dies ist vom Grundsatz her sicherlich richtig. Dennoch muss sich die Initiative Musik natürlich die Frage gefallen lassen, warum diese Besetzung der Jury? Aber Vogler liefert noch weitere kritische Details, die nur zum Teil mit der Besetzung der Jury zu tun haben.
"88.000,- Euro (!) Steuergelder kostete die Party zur Preis-Verleihung! 68.000,- Euro gingen davon allein an den Hamburger Club "Uebel & Gefährlich". Bei 55 Preisträgern eine mehr als stolze Summe. Hat der Club zusätzlich auch noch einen Preis bekommen: Ja, in Höhe von 30.000,- Euro (damit gingen knapp 100.000,- Euro = 10% der von der Bundesregierung zur Unterstützung von gering oder gar nicht subventionierten Bühnen zur Verfügung gestellten einer Million Steuergelder an nur einen Club). - Ist das "Uebel & Gefährlich" Mitglied in Schölermanns "Clubkombinat": Ja. - Ist der Inhaber des "Uebel & Gefährlich" ein Vorstands-Kollege von Schölermann: Ja."
Ein weiterer Angriffspunkt: Die Förderrichtlinien. "Bewerben durften sich nur Bühnen, die innerhalb von drei Jahren "nicht mehr als 200.000 Euro öffentliche Beihilfe erhalten", nur dann "kann der Spielstättenprogrammpreis in Anspruch genommen werden. Scheinbar hat sich die "Initiative Musik" wohl nicht an ihre eigenen Bewerbungs-Richtlinien gehalten. Vogler: "Eine ganze Reihe Clubs wurden ausgezeichnet, die weit über der Subventions-Grenze von 200.000,- Euro liegen. Darunter sind Clubs, die bis zu knapp 800.000,- Euro Subventionen jährlich erhalten ("Alte Feuerwache Mannheim") oder der "Karlstorbahnhof" in Heidelberg mit jährlich über 500.000,- Euro Subventionen."
Egal wie hier die Faktenlage im Detail nun aussehen mag, zeigt die Diskussion doch besonders Eines: Ein bundesweiter mit gerade mal 1 Million Euro ausgestatteter "Spielstätten-Förderpreis" ist in Anbetracht der allgemeinen Finanzsituation und der Vielzahl der Spielstätten nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Und genau hier ist die Diskussion anzusetzten. Es kann nicht allein darum gehen, das Vergabeverfahren zu kritisieren und darzustellen, wie sich verdienstvolle Kulturakteure um ein paar Euro balgen Zu kritisieren ist, mit welchen Summen eine freie Szene in Deutschland bedacht wird. Schließlich geht es hier doch fast einzig und allein um die Frage, wie viele Auftrittsmöglichkeiten zu welchen Konditionen für Kulturschaffende ermöglicht werden. Das zeigt, wieviel der Bundesregierung und unserer Gesellschaft die freie Kultur, die die Basis unseres kulturellen Lebens ist, wert ist. Wäre allein jeder Jazzspielort in Deutschland aus dieser Fördersumme bedacht worden, wären hier nicht einmal 1000 € überwiesen worden.
Den gesamten Text und eine Reihe von Reaktionen von Clubs aus ganz Deutschland kannst Du unter: http://www.jazzbar-vogler.com/initiative-musik.html