In NRW wird es still

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit?

Marl, 14.03.2020
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Die Frühlingssonne macht alle Sinne lebendig - zugleich hat sich die Lage in den letzten 24 Stunden dramatisch zugespitzt! Fast so, als würde gerade ein kriegsbedingter Ausnahmezustand verhängt. Es fühlt sich auf jeden Fall extrem surreal an in einer Welt, die vor wenigen Tagen noch frei und offen für alles war. Gerade stellen die Behörden das gesamt Kulturleben kalt. Wie gerechtfertigt dies ist oder nicht, soll und kann hier nicht diskutiert werden....

Die Lage IST ernst und die globale Schnelligkeit der Bedrohung und ihrer Maßnahmen dagegen eine neue Erfahrung. Wer wird bzw. kann das letzte Konzert vorm finalen Shutdown veranstalten? Auf diese Frage könnten fast schon Wetten angestrengt werden...

Besonders schade, dass einige ganz hoffnungsvolle Herzensprojekte für die NRW-Szene in allerletzter Minute nun doch noch gestorben sind. Gemeint ist vor allem die aufwändige Gemeinschaftsproduktion mit dem Fuchsthone-Orchestra. Unter Federführung von Caroline Thon und Christina Fuchs hatten gleich zwei große Formationen miteinander fusioniert – und viele tonangebenden Musikerinnen und Musikern der NRW-Szene vereint. Für Gestern und heute „standen“ gleich zwei Premieren in Dinslaken und Düsseldorf. In beiden Fällen lebte die Hoffnung, die Konzerte doch noch durchführen zu kommen, bis in die allerletzte Minute. Dass auch hier die Behörden ohne irgendeinen Vorlauf rigoros agierten, wirft nun doch einige Fragen auf: Gibt es nicht auch so etwas wie Verhältnismäßigkeit, wenn der Panik-Virus lodert? Wie hoch ist in diesem Fall der finanzielle Schaden für Musiker, Veranstalter und für die beiden Bandleaderinnen?

Schlimm genug: Man braucht an dieser Stelle garnicht mehr in die Details zu gehen, was alles abgesagt ist. Nahezu ALLES ist jetzt auf Eis gelegt. Dortmund hatte schon sehr früh dichtgemacht, Gelsenkirchen, Bochum und weitere Ruhrgebietsstädte folgten. Im Rheinland hielt sich die Hoffnung noch etwas länger – hier stand ja auch ein durchaus sinnvolles Modell im Raum, Veranstaltungen und Venues gemäß einer 13-Punkte Checkliste auf ihre Sicherheit hin zu bewerten. Ein Modell, dass mit kühlem Kopf gedacht, ein Weg für einen verantwortlichen Umgang mit den epidemologischen Risiken gewesen wäre. Bis vorgestern beriefen sich viele Kölner Veranstalter noch darauf, ebenso bekannte sich zum Beispiel die Düsseldorfer Jazzschmiede zu einem verantwortlichen Umgang mit dem faktischen Risiko.

Die nrwjazz.net-Redaktion versucht so gut es geht, den Veranstaltungskalender aktuell zu halten und Absagen sofort kenntlich zu machen. Wir empfehlen aber in jedem Fall, noch einmal bei einer Spielstätte per mail oder via facebook nachzufragen, was der genaue Stand der Dinge ist. Die neue Situation kam über uns alle so plötzlich, dass vielfach die Spielstätten-websites noch nicht aktualisiert wurden. Ebenso zögern viele Veranstalter sehr lange, bis sie den finalen Schritt tun und Programm-Absagen bekannt geben. Verständlich: Das finale Aus fühlt sich nicht nur in der Seele, sondern auch auf dem Bankkonto sehr bitter an.

Es gibt im Moment noch einige Nischen-Konzerte, die möglicherweise doch noch stattfinden, weil die Macherinnen und Macher bis zur letzten Minute dafür weiter kämpfen. Wir möchten dafür allerdings an dieser Stelle nicht zu viel öffentliche Bekanntmachtung betreiben. Denn das geht schnell nach hinten los, wo gerade die Ordnungsämter hellhörig sind. Hört euch um, studiert soziale Netzwerke, verhaltet euch achtsam, bleibt gesund!

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