Grundrente als Mogelpackung
Allianz der Freien Künste fürchtet „systembedingte Altersarmut“
Die Regierung rühmt sich gerade, mit dem neuen Grundrenten-Modell gegen drohende Altersarmut durchzugreifen. Für viele freiberufliche Kulturschaffende bleibt der Entwurf aber eine Mogelpackung: Die flexible Erwerbsbiografie gerade von freiberuflichen Jazzmusiker*innen bleibt weitgehend unberücksichtigt. Deswegen ist dringend Korrekturbedarf gegeben!
„Die bestehenden Sozialsysteme sind auf selbstgewählte, flexible Arbeitsformen unzureichend eingestellt. Die Kunst- und Kulturschaffenden sind mit einer Vielzahl systemischer Hürden und hohem bürokratischen Aufwand konfrontiert. Trotz erfolgreicher und hoch professioneller Arbeit bewegt sich eine Vielzahl der privatrechtlich organisierten Kunst- und Kulturschaffenden im unteren Einkommensbereich. Eine angemessene Altersvorsorge ist flächendeckend nicht möglich und dem Großteil der Akteur*innen droht eine systembedingte Altersarmut.“ so umreißt die Allianz der freien Künste das Problem.
Im Namen der 18 in ihr vertretenen Bundesverbände (unter anderem auch die Deutsche Jazzunion) weist die Allianz der Freien Künste mit Nachdruck darauf hin, dass die derzeit vorgesehene Ausgestaltung des Gesetzes dazu führt, dass tausende professionelle Kunstschaffende durch das Raster der Kriterien fallen, auch wenn sie über die entsprechenden Beitragsjahre verfügen.
Der zur Diskussion stehende Gesetzentwurf sieht vor, dass Beitragsjahre bei der Grundrente nur dann angerechnet werden, wenn die Versicherten jeweils mindestens 30 Prozent des von der Deutschen Rentenversicherung aktuell mit 37.873 Euro jährlichen Durchschnittsverdienstes aller Berufsgruppen in Deutschland erzielt haben. Tausende Künstler*innen werden aber das als Zugangsbedingung zur Grundrente definierte Mindesteinkommen von 11.361 Euro pro Jahr nicht erreichen.
Die Lebensleistung vieler Kunstschaffenden mit ihren typischen Erwerbsbiographien wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf prinzipiell in Frage gestellt.
Die aktuelle Statistik der Künstlersozialkasse (KSK) weist eine Gruppe von knapp 20.000 Künstler*innen aus, die durch die geplanten Kriterien vom Anspruch auf Grundrente ausgeschlossen sein werden, obwohl sie eine entsprechende Lebensleistung von mindestens 33 Beitragsjahren vorweisen können.
Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) weist als Mitglied der Allianz der Freien Künste in einem gemeinsam mit anderen Verbänden veröffentlichten und von knapp 8.000 Menschen unterzeichneten Appell auf die gravierenden Auswirkungen des jetzigen Gesetzentwurfes für viele Künstler*innen unter anderem in den Bereichen der bildenden und darstellenden Künste sowie der Musik hin. Sie fordern darin die Bundesregierung, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie den Bundesrat auf, das im Gesetzentwurf definierte Mindesteinkommen deutlich abzusenken und sich an den entsprechenden Regelungen im Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) zu orientieren.
Es geht jetzt darum, öffentlich für das einzutreten, was die Allianz der Freien Künste fordert: „Die Situation muss sich ändern! Es ist an der Zeit, dass die Politik soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen schafft, die der Leistung der Freien Künste und ihrem Anteil an der Kunst- und Kulturproduktion in Deutschland gerecht werden. Eine kontinuierliche Erwerbsbiografie muss – jenseits des Modells der Festanstellung – möglich sein. Die Arbeitssituation und die spezifischen Arbeitsweisen von Kulturschaffenden in der Freien Szene müssen in den Fokus genommen werden, Rechtssicherheit und die Möglichkeit der sozialen Absicherung müssen gegeben sein und bürokratische Hürden in den Sozialsystemen überwunden werden!“
nrwjazz e.V. möchte gerne Eure Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema sammeln!
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