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Gräben statt Brücken

GEMA-Reform vorerst auf Eis gelegt

München, 23.05.2025
FOTO: Bildquelle: Gema

Die lang diskutierte und heftig umstrittene Reform der GEMA-Kulturförderung, die mit der Aufhebung der traditionellen Trennung zwischen E-Musik und U-Musik einhergehen sollte, ist bei der Mitgliederversammlung Mitte Mai in München gescheitert. Der Antrag 22a verfehlte die notwendige Zweidrittelmehrheit in zwei der drei Kurien: Bei den Komponisten stimmten 64,4 Prozent für den Antrag, bei den Musikverlagen 61,2 Prozent – für eine Annahme wären jeweils 66,7 Prozent erforderlich gewesen. Lediglich bei den Textdichtern wurde mit 99,1 Prozent eine überwältigende Zustimmung erreicht.

Ironie der Geschichte: Angetreten war die Reform mit dem erklärten Ziel, die historisch gewachsenen Gräben zwischen sogenannter E-Musik ("Ernste Musik") und U-Musik ("Unterhaltungsmusik") zu überwinden. Doch das Ergebnis ist das genaue Gegenteil. Die kontroverse Debatte der letzten Monate hat die Fronten verhärtet und tiefe Konflikte zwischen den verschiedenen musikästhetischen Lagern aufbrechen lassen.

Die Reform: Zwischen Modernisierung und Systemwechsel

Der vom GEMA-Vorstand und Aufsichtsrat eingebrachte Reformantrag sah vor, ab 2026 die bisherige kategorische Unterscheidung zwischen E- und U-Musik aufzuheben und durch ein neues System zu ersetzen. Die Reform sollte die Kulturförderung der GEMA "transparent, zielgerichtet und nachhaltig" gestalten und "Repertoire aus allen Musikbereichen und Genres offenstehen", wie die GEMA in ihren offiziellen Mitteilungen betonte. Die bisherige privilegierte Förderung der E-Musik sollte einer genreübergreifenden Förderung weichen, bei der die musikalische Vielfalt im Vordergrund steht. Ein Kernelement war dabei die Umwandlung des E-Musik-Bereichs in eine neue "KUK"-Kategorie (Kunstmusik-Konzerte), die jedoch nach Ansicht der Reformkritiker nur ein "Gnadendasein" hätte fristen können.

Argumente für die Reform

Die Befürworter der Reform, darunter viele Vertreter der U-Musik, kritisierten die bestehende Förderpraxis als nicht mehr zeitgemäß. Sie argumentierten, dass die Grenzen zwischen E- und U-Musik zunehmend verschwimmen und viele Werke sich nicht mehr eindeutig einer Kategorie zuordnen lassen. Daniel Flamm vom Vorstand VERSO begrüßte die Reform als "zeitgemäße Antwort auf den Wandel in der Musikszene und die zunehmende Verschmelzung von Genres". Ein weiterer Kritikpunkt am bestehenden System waren die komplexen bürokratischen Prozesse. Die Cellistin und Musikverlegerin Susanne Wohlleber beschrieb, dass "bis zur Einordnung eines Werkes in die Sparte 'E' ein jahrelanger, bürokratischer, oft entwürdigender Kampf nötig" sei – eine Hürde, die besonders junge und unbekannte Komponisten benachteilige.

Auch wiesen Reformbefürworter darauf hin, dass der Bereich der E-Musik aktuell mit etwa 15 Millionen Euro jährlich von der U-Musik subventioniert werde, während die eigenen Beiträge zum Fördertopf stetig abnähmen. Die GEMA selbst argumentierte, dass E-Komponisten bei Verteilungseinnahmen zwischen 3.500 und 4.500 Euro durchschnittliche Förderungen von 32.500 Euro erhielten – eine Schieflage, die nach Ansicht der Reformbefürworter nicht mehr tragbar sei.

Widerstand und Kritik

Auf der anderen Seite standen die Kritiker der Reform, allen voran Vertreter der E-Musik. Sie sahen in dem Reformvorhaben eine existenzielle Bedrohung für die zeitgenössische Kunstmusik. Charlotte Seither, Mitglied im GEMA-Aufsichtsrat und im Präsidium des Deutschen Musikrats, rechnete vor, dass "70 bis 90 Prozent" des Einkommens von E-Komponisten mit Umsetzung der Reform wegfallen könnten. Die vorgesehenen Änderungen bedeuteten nach ihrer Einschätzung "eine historische Zeitenwende" innerhalb der GEMA und potentiell das Aus für den Beruf des E-Komponisten. Besonders das neue "Inkasso-Prinzip" hätte demnach katastrophale Folgen für Aufführungen in kleinem Rahmen gehabt, die dann nur noch extrem niedrige Ausschüttungen generieren würden.

Moritz Eggert, Präsident des Deutschen Komponistenverbandes (DKV), kritisierte die Reform ebenfalls scharf und warnte vor einer Umwandlung der GEMA in "eine autokratische Diktatur anstatt zu einem Verein für ALLE Mitglieder". Er befürchtete, dass besonders innovative und experimentelle Musik, die ohnehin schon am Rande des Marktes existiere, noch weiter marginalisiert werden könnte.

Tiefe Gräben statt Brückenbau

Die heftige Auseinandersetzung um die Reform offenbart grundlegende Konflikte innerhalb der Musikwelt, die weit über technische Fragen der Tantiemenverteilung hinausgehen. Es geht um das Selbstverständnis von Komponisten, um die Frage nach dem kulturellen Wert verschiedener Musikformen und letztlich um die Zukunft der musikalischen Vielfalt in Deutschland. Paradoxerweise hat gerade der Versuch, die historische Trennung zwischen E- und U-Musik zu überwinden, die Gräben zwischen den Lagern vertieft. Was als Modernisierung gedacht war, wurde von vielen als existenzielle Bedrohung wahrgenommen. Die teils unsachliche und emotionale Debatte der letzten Monate hat Wunden aufgerissen, die nicht so schnell heilen werden. Dabei herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass eine Reform notwendig ist. Die GEMA erklärte nach der Abstimmung: "Auch nach der heutigen Versammlung bleibt der Reformdruck weiterhin bestehen. Darüber bestand Einigkeit in der Mitgliedschaft, auch wenn der Antrag die notwendige Zweidrittelmehrheit knapp verfehlt hat."

Ausblick: Neuer Anlauf 2026

Die Frage der Reform wird die GEMA weiter beschäftigen. Für 2026 ist eine erneute Abstimmung geplant, bis dahin soll "die weitere Ausgestaltung der Kulturförderung diskutiert werden", wie die GEMA mitteilte. Der Deutsche Musikrat begrüßte die Ablehnung der Reform als "Chance für einen gemeinsamen Prozess" und betonte die Notwendigkeit, "mit allen relevanten Gruppen in den Dialog zu gehen – transparent, fundiert und mit der notwendigen Ruhe."

Moritz Eggert, der als Präsident des DKV sowohl U- als auch E-Musik vertritt, erklärte nach der Abstimmung: "Als Präsident des DKV repräsentiere ich sowohl U als auch E, daher bin ich grundsätzlich für eine Reform. Die vorliegende Reform hätte jedoch viele Probleme für beide Sparten mit sich gebracht und vor allem dem sehr großen E-Musik-Umfeld irreparablen Schaden zugefügt. Die Kulturschaffenden müssen in eine solche Reform einbezogen werden, denn das Thema ist zu groß, um es hinter verschlossenen Türen zu besprechen."

Ob es gelingen wird, bis zur nächsten Abstimmung einen tragfähigen Kompromiss zu erarbeiten, bleibt abzuwarten. Die fundamentalen Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Musiksparten werden nicht einfach zu überbrücken sein. Ironischerweise könnte gerade das Scheitern der aktuellen Reform die Chance bieten, in einem neuen, inklusiveren Prozess echte Brücken zu bauen, statt neue Gräben zu ziehen. Doch der Weg dahin ist steinig und wird viel Dialogbereitschaft aller Beteiligten erfordern.

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