Farewell Martial Solal
Einer der Größten und Schnellsten
FOTO: Hans Kumpf (jazzpages)
Er war einer der ganz Großen und vermutlich auch Schnellsten – mit seinen zehn Fingern ebenso wie in seinem musikalischen Denken: Der französische Pianist Martial Solal ist 14. Dezember im Alter von 97 Jahren verstorben. Mit seiner außergewöhnlichen Musikalität, seinem innovativen Spiel und seiner unerschütterlichen Leidenschaft für den Jazz prägte er über sieben Jahrzehnten hinweg die Musikszene nicht nur in Frankreich, sondern weltweit.
„Solals Spiel ist ein brillantes Zusammenspiel aus Intellekt und Emotion. Er versteht es, die Architektur des Jazz zu erweitern, ohne dabei seine Essenz zu verlieren. Ein wahres Genie der Improvisation.“ schrieb der renommierte Jazzkritiker Gary Giddins über den Franzosen, der eher zurückgezogen von der breiten Öffentlichkeit agierte, immer wieder wieder aus Neue Bahnbrechendes erschuf.
Solal wurde 1927 in Algerien geboren und wuchs in einer Zeit auf, die von den politischen Umwälzungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit geprägt war. Schon früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent, das ihn rasch in die Jazzszene katapultierte. Als Student des klassischen Klaviers und mit einer tiefen Kenntnis der Musikgeschichte verband er die strukturelle Klarheit der europäischen Musiktradition mit der improvisatorischen Freiheit des Jazz. Sein Spiel war von einer unbändigen Neugier und einem ständigen Streben nach musikalischer Entdeckung geprägt.
Komplexität, die den Hörer direkt ansprang
In den 1950er Jahren begann Solal, sich einen Namen in der Pariser Jazzszene zu machen. Er war ein Meister der Improvisation und arbeitete mit vielen Größen des Jazz zusammen, darunter der amerikanische Saxophonist Johnny Griffin und der Trompeter Miles Davis. Besonders bekannt wurde er für seine Zusammenarbeit mit dem Bassisten Pierre Michelot und dem Schlagzeuger Daniel Humair, mit denen er eine Reihe von Alben aufnahm, die als Klassiker des modernen Jazz gelten.
Solal war nicht nur ein virtuoser Pianist, sondern auch ein innovativer Komponist und Arrangeur. Seine Werke, darunter Stücke wie "The Paris Suite" und "Le Drapeau", sind durch ihre Komplexität und Vielschichtigkeit geprägt, ohne dabei die emotionale Tiefe und den unmittelbaren Zugang zum Hörer zu verlieren. Er verstand es, komplexe Harmonien und Rhythmen so zu verflechten, dass sie sich nie in abstrakte Übungen verirrten, sondern stets lebendig und hörbar blieben.
Seine Schärfe und Feinheit blieb bis zuletzt
Trotz seiner internationalen Erfolge zog sich Solal weitgehend aus der breiten Öffentlichkeit zurück und widmete sich vor allem seiner Musik. In den letzten Jahren seines Lebens blieb er aktiv und trat auf internationalen Bühnen auf, wobei sein Pianospiel auch in fortgeschrittenem Alter nichts von seiner Schärfe und Feinheit einbüßte. Solals Einfluss auf die Generationen von Jazzmusikern, die ihm folgten, ist unermesslich. Viele Pianisten, darunter Größen wie Brad Mehldau und Keith Jarrett, nennen ihn als eine ihrer größten Inspirationsquellen.
Solal war nicht nur ein Musiker, sondern auch ein Denker, der die Entwicklung des Jazz stets mit einem scharfsinnigen, intellektuellen Blick verfolgte. Er verband in seinem Werk eine tiefe Musikalität mit einer philosophischen Haltung zur Improvisation und zur Rolle des Musikers. Für ihn war der Jazz nie nur Unterhaltung, sondern eine fortwährende Auseinandersetzung mit der Welt und mit sich selbst.
Auch in NRW ein gern gesehener Gast
Martial Solal trat in den letzten Jahrzehnten seines Lebens regelmäßig weltweit auf, darunter auch in NRW. Besonders hervorzuheben sind seine Auftritte in Städten wie Köln, Düsseldorf und Essen. In Köln war der Kölner Stadtgarten, ein renommiertes Zentrum für Jazz, oft die Bühne für seine faszinierenden Konzerte, bei denen er seine Improvisationskunst und Innovationsfreude unter Beweis stellte. Auch in Düsseldorf konnte man ihn mehrmals erleben, vor allem in der Tonhalle, die regelmäßig hochkarätige Jazzgrößen beherbergt. Diese Auftritte gehörten zu den Höhepunkten des Jazz in der Region. Zudem war Solal auch in Essen zu Gast, etwa im Grillo-Theater und bei Veranstaltungen des Folkwang Musikfestes.