Farewell Carla Bley
Die Pianistin und innovative Komponistin verstarb im Alter von 87 Jahren
FOTO: Bernd Zimmermann
Die amerikanische Jazzpianistin und Komponistin Carla Bley ist am 17. Oktober im Alter von 87 Jahren verstorben. Auch viel NRW-Auftritte der sensiblen Musikerin, etwa auf dem Moers-Festival oder im Essener Grillo Theater bleiben unvergessen.
Als „sanfte Subversive“ bezeichnet sie Roland Spiegel in seinem Nachruf für den Bayerischen Rundfunk. „Eine tiefer berührende und dabei bewusst unspektakuläre Kunst konnte man im Zeitgenössischen Jazz nicht erleben“ lautet das Urteil des renommierten Münchener Jazzautoren.
Carla Bley wurde ebenso für kühne Avantgarde gefeiert, wie auch für tief empfundene Interpretationen im Mainstream Jazz. Ihr Spektrum reichte von Klavierstücken voller subtiler Schönheit, die längst Standards geworden sind, bis zu schrillen, auch politischen Werken für Großformationen. Ihre Jazzrockoper „Escalator over the Hill“ aus dem Jahr 1973 ist zu einem zeitlosen Monument geworden.
Im Jahr 2006/2007 war sie Artist in Residence an der Essener Philharmonie. Im Jahr 2012 gab es in Moers eine groß besetzte Neuauflage, die zwar nicht dem unerreichten Charisma besagter Jazzoper das Wasser reichen konnte, die aber, wie ein berührendes Oratorium ein großes Fazit vieler musikalischen Erfahrungen zog. Dasselbe galt für die Balladenkunst, welche sie in Moers zusammen mit Steve Swallow und dem Saxofonisten Andy Sheppard zelebrierte.
1936 in Oakland, Kalifornien als Lovella May Borg und Tochter eines Kirchenmusikers geboren, war sie ab dem dritten Lebensjahr vom Klavierspiel angefixt, spielte seit der frühen Jugend in Jazzclubs der Bay Area, zog mit 17 Jahren nach New York und bekam im Jazzclub Birdland einen Fuß in die Tür, um Miles Davis, John Coltrane und Count Basie zu hören.
Sie lernte den Pianisten Paul Bley kennen und heiratete ihn im Jahr 1957. Kooperationen mit Ornette Coleman und Don Cherry folgten und Carla Bley engagierte sich in der New Yorker Free Jazz-Szene. Ihr Credo: „Ich wollte gegen so viele Dinge wie möglich protestieren, die in der Welt des Jazz falsch liefen und das ganze System, das in der Musikwelt existierte, verändern", erklärte sie später. Politisch engagiert ging es im Jazz Composer's Orchestra und Charlie Haden`s Liberation Music Orchestra zur Sache, außerdem war Carla Bley an einer Gewerkschaft beteiligt, die sich für die Arbeitsbedingungen von Musikern einsetzte.
Auch die Welle der aufkommenden Rock und Pop-Kultur erfasst Carla Bley. Sie schrieb Musik für Nick Mason von Pink Floyd und arbeitete mit Robert Wyatt (Soft Machine) zusammen. Dann kam die Scheidung mit Paul Bley und auch mit dem zweiten Ehemann, Michael Mantler arbeitete sie intensiv zusammen. Schließlich wurde ihre Verbindung mit dem Bassisten Steve Swallow zur wichtigsten menschlichen und künstlerischen Verbindung im Leben dieser Musikerin.
In dieser Konstellation hat sie auch viele Releases auf dem Deutschen ECM-Label produziert. Ihre Arbeitsweise war intim, diskret und nie auf den grellen Effekt abonniert. Roland Spiegel findet mal wieder die passenden Worte für die unsterbliche Magie, die bei dieser Jahrhundert-Musikerin oft gerade zwischen den leisen Tönen schlummerte: „Sie drehte und wendete kleine Motive, verarbeitete sie, reduzierte sie wieder, brachte sie in Form, bis es die oft schlicht wirkende und dabei ungemein raffinierte Gestalt hatte, die man von ihren Arbeiten kannte. Immer ganz eigene Kontur, immer melodische Leuchtspuren.“