"Architekt der Musikwelt"
Farewell Quincy Jones
Los Angeles, 05.11.2024
FOTO: Bernd Zimmermann
FOTO: Bernd Zimmermann
Unter seinen Händen wurde vielleicht nicht alles, aber sehr, sehr vieles zu Gold. Quincy Jones war ein Musiker mit Herzblut, vor allem aber einer der wohl einflussreichsten Menschen "hinter" der Musik. Ohne ihn wären wohl die herausragendsten Großtaten der Popmusik nie in dieser Form passiert. Hinter dem sicheren Instinkt, Musik im Geiste der jeweiligen Zeit zu etwas Großem zu machen, verbarg sich ein einfühlsamer Mensch mit großer Aura. Gestern ist Quincy im Alter von 91 Jahren in Los Angeles verstorben.
Elder Statesman der Musikindustrie
In den letzten Jahrzehnten seines Lebens wurde Jones zum "Elder Statesman" der Musikindustrie, dessen Rat und Urteil hochgeschätzt wurde. Dabei vergaß er nie seine Jazz-Wurzeln: 2012 wurde er Ehrenbotschafter des Jazzfestivals im schwedischen Ystad - eine Rolle, die seine anhaltende Bedeutung für das Genre unterstrich. "Es war gigantisch und fantastisch, ihn hier zu haben", erinnert sich Festivalleiter Thomas Lantz an Jones' Präsenz, die das Festival prägte.
Wie sehr seine bloße Anwesenheit Menschen in ihren Bann zog, beschreibt auch Bernd Zimmermann, der Jones während dessen Festivalbesuch in Ystad erlebte: "Seine Ausstrahlung war bemerkenswert. Als er oben auf den Rängen des Zuschauerraums von der gerade spielenden Band wahrgenommen wurde, verstummten die Musiker einen Moment lang voller Ehrfurcht." Die Begegnung hinterließ bei Zimmermann einen bleibenden Eindruck: "Später im Backstage-Raum habe ich Quincy als einen extrem sympathischen Gesprächspartner kennengelernt." Es sind solche persönlichen Erinnerungen, die das Bild eines Mannes zeichnen, der trotz seines immensen Erfolgs nie die Bodenhaftung verlor.
Soundtrack für die Mondlandung
Der am 14. März 1933 in Chicago geborene Jones begann seine bemerkenswerte Karriere als Jazzmusiker - eine Prägung, die sein gesamtes späteres Schaffen beeinflussen sollte. Die Trompete war seine erste große Liebe, und bereits mit 19 Jahren feierte er seinen ersten Schallplattenerfolg: Sein Trompetensolo in "Kingfish" mit der Lionel Hampton Band markierte 1952 den Beginn dieser außergewöhnlichen Karriere. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits ein Studium am renommierten Berklee College of Music in Boston abgebrochen - das pulsierende Leben in den Clubs, auf Tourneen und Partys übte eine stärkere Anziehungskraft aus. Eine enge Freundschaft mit Ray Charles prägte diese frühen Jahre.
Was als Musikerkarriere begann, sollte sich bald in eine andere Richtung entwickeln. Reich und berühmt wurde Jones durch seine Arbeit als Komponist, Arrangeur und Produzent. Seine künstlerische Bandbreite war beeindruckend: vom Bebop über Pop bis zum Hip-Hop, von Aretha Franklin und Frank Sinatra bis zu Ice-T und Michael Jackson. Dabei schrieb er auch Musikgeschichte im wahrsten Sinne des Wortes: Als Buzz Aldrin 1969 mit Apollo 11 auf dem Mond landete, war es Jones' Arrangement von "Fly Me to the Moon" - eingespielt mit Frank Sinatra und Count Basie, von ihm elegant in einen 4/4-Takt übertragen - das als erstes Musikstück auf dem Erdtrabanten erklang.
"Wir haben alles in die Waagschale geworfen"
Besonders prägend wurde seine Zusammenarbeit mit Michael Jackson, den er kennenlernte, als dieser gerade einmal 12 Jahre alt war. Mit "Thriller" produzierten sie gemeinsam das bis heute meistverkaufte Album aller Zeiten. "'Thriller' war eine Kombination meiner Erfahrung als Koordinator, der Auswahl der Songs und Michaels gesamter Talente: singen, tanzen, unterhalten", erklärte Jones später in einem Interview mit dem US-Radiosender NPR. "Wir haben alles, was in uns steckte, in die Waagschale geworfen."
Seine Vielseitigkeit war legendär. 1985 bewies er sein Gespür für große Projekte gleich mehrfach: Als Filmproduzent engagierte er Steven Spielberg für "Die Farbe Lila", zu dem er auch die Musik komponierte. Im selben Jahr gelang ihm ein weiterer Meilenstein, als er 46 Superstars für die Charity-Single "We Are the World" zusammenbrachte - ein Projekt, das Millionen für die Hungersnot-Opfer in Äthiopien sammelte.
Doch Jones war mehr als ein Erfolgsgarant der Musikindustrie. Er nutzte seinen Einfluss, um Türen für andere zu öffnen, besonders für afroamerikanische Künstler. Als erster Afroamerikaner wurde er Vice President eines großen Plattenlabels. Die Liste seiner Auszeichnungen ist beeindruckend: 28 Grammy Awards, sieben Academy Award-Nominierungen und ein Emmy zeugen von der Anerkennung seiner Arbeit. Mit Quincy Jones verliert die Musikwelt einen ihrer größten Architekten.