Volle Partys, leere Konzerte
Die Schwierigkeiten der Veranstalter-Branche
Partys, Karnevalsfeiern und Kirmes-Events platzen wieder aus allen Nähten, der Besuch von Konzerten ist aber - trotz nachweislich erfolgreicher Hygienekonzepte und hoher Disziplin beim Publikum - immer noch sehr zurückhaltend. Nicht zuletzt für die mit kleinem Budget haushaltenden Jazzkonzert-Veranstalter wird eine Rückkehr zur Normalität dadurch besonders schwierig - ganz abgesehen von der augenblicklichen Ungewissheit, was in den nächsten Wochen noch oder wieder bevorstehen wird. Dies bestätigt ein Stimmungsbild des Verbandes der Musikspielstätten in Deutschland LiveKomm aufgrund vieler geführter Gespräche in der Veranstalter-Branche.
"2G" wird positiv angenommen
An den vielfach eingeführten 2G-Regelungen bei Konzerten kann die schwache Nachfrage nach Live-Events nicht liegen. So hat LiveKomm ermittelt, dass 2 G überwiegend positiv angenommen worden ist: "Die Besucher sind dankbar für die Klarheit, die durch die 2G-Regel geschaffen wurde und nehmen entsprechende Angebote, insbesondere für Partys, gerne an. Beschwerden vor Ort sind äußert selten, im Gegenteil: die meisten Besucher befürworten die Vorgehensweise"kommentiert Daniel Nagel, Chefredakteur des Netzwerkes backstage pro stellvertretend die Umfrageergbnisse des LiveKomm-Verbandes.
Im Internet zeige sich zwar teilweise ein anderes Bild. Nach der Ankündigung nur noch 2G-Events zu veranstalten, mussten die Betreiber sich massiver Kritik auf Facebook oder anderen Social-Media-Plattformen stellen. Viele Verantwortliche zweifeln aber stark daran, dass es sich bei den vornehmlich auf Social Media aktiven Kritikern tatsächlich um regelmäßige oder auch nur gelegentliche Besucher von Konzertveranstaltungen und Clubs handelt.
Volle Partys, leere Konzerte
Der Trend sei aber klar: Während die Gäste nach fast eineinhalb Jahren Zwangspause großen Nachholbedarf an Partys haben, sind sie aktuell beim Kauf von Konzertkarten zurückhaltend, vor allem wenn diese Konzerte erst weit in der Zukunft stattfinden.
Das macht sich auch an einem anderen Phänomen bemerkbar. Bei einigen Konzerten erscheinen zwischen 20 und 40% der Kartenkäufer nicht zum eigentlichen Konzert, berichtet Axel Ballreich Erster Vorsitzender der Livekomm und selbst betreiber eines großen Konzertbüros. Vor Corona habe diese Quote weniger als 5% betragen.
Das sei, so Ballreich, "ein ziemliches Drama", da es sich bei fast allen dieser Veranstaltungen um verschobene Konzerte handele. Das habe zur Folge, dass die Besucher nach deutschem Recht eine dreijährige Frist zur Rückgabe der Konzertkarten gegen volle Rückerstattung des Ticketpreises hätten. In England betrage diese Frist sogar fünf Jahre.
Abrechungs-Wirrwarr
Ein Problem, mit dem Veranstalter leben müssen, könnte man meinen. Tatsächlich ist aber die hohe Quote an "No-Shows" auch für die Künstler problematisch, wenn der Veranstalter eine prozentuale Abrechnung mit den Künstlern vereinbart hat.
Der Abrechnungsprozess erstreckt sich dann über Monate, weil völlig unklar ist, wie viele der nicht-erschienenen Besucher noch von ihrem Rückgaberecht Gebrauch machen. Tatsächlich “spenden” viele Zuschauer auch ihre Karte, wenn sie nicht kommen können oder wollen, weil sie um die schwierige Lage der Branche wissen.
Warum die Besucher eine Karte erworben haben, aber nicht das Konzert besuchen, ist nicht klar. Hier komme wohl eine nach wie vor andauernde Verunsicherung bezüglich der Pandemie ins Spiel. Bei anderen Konzerten sei hingegen eine annähernde Rückkehr zur Vor-Corona-Realität zu beobachten. Ein eindeutiges Muster vermag er noch nicht zu erkennen.
Rückkehr zur Normalität verzögert sich
Anders gesagt ist das Problem der Clubs aktuell nicht, dass die wenigen ungeimpften Erwachsenen keine Karten kaufen, sondern dass ein Teil des (geimpften) Stammpublikums aus Vorsicht keine Konzerte besucht.
Die Entwicklung dürfte sich in den nächsten Wochen noch verschärfen. Schon jetzt lasse sich beobachten, wie steigende Inzidenzen dazu führen, dass beunruhigte Käufer bereits erworbene Karten für Konzerte zurückgegeben, sagt der Konzertveranstalter Claus Berninger. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass sich die Rückkehr zur Normalität verzögert. Felix Grädler rechnet nicht vor Herbst 2022 mit einer weitgehenden Normalisierung der Lage. Angesichts des aktuellen Runs auf Partys warnt er zur Vorsicht. Grädler sieht darin ein "Strohfeuer" und plädiert für nachhaltige Planung. Die aktuelle Entwicklung scheint seine Einschätzung zu bestätigen.
Quelle: backstage pro
https://www.backstagepro.de/