Endlich auf die Straße gehen
Stumme Künstler in Dresden gehen mit gutem Beispiel voran
FOTO: meeco Communication Services / Hans-Joachim Maquet/ Jazztage Dresden gUG
Dies würde auch vortrefflich auf der Kölner Domplatte funktionieren: In Dresden gehen die Akteure der freien Szene auf die Straße, besetzen durch kreative Aktionen den öffentlichen Raum. Einfach dort stehen, schweigend, maulkorbbewehrt und großflächige Künstlerportraits präsentierend. Die Situation ist ohne weiteres auf die Lage in NRW und anderswo übertragbar. Denn es müssen Taten jenseits schöner Worte und freundlicher Gesten folgen, damit die Existenz zahlloser Kulturschaffender, nicht unaufhaltsam den Bach runter geht!
«Die Kultur darf nicht in zwei Lager gespalten werden: in diejenigen, die in der Krise unterstützt werden und dadurch diese Zeit überstehen einerseits und diejenigen, die nicht unterstützt werden und aus eigener Kraft diese unverschuldete Krise nicht überstehen können andererseits», heißt es in einer am Donnerstag in Dresden veröffentlichen Stellungnahme der Aktion «Stumme Künstler».
Man brauche beides, den überwiegend staatlichen geförderten Kulturbetrieb und ebenso den freien. Es braucht endlich maßgeschneiderte Hilfsangebote, um ein Überleben zu ermöglichen und den Schaden zu minimieren.
Zwar dürfen bald Veranstaltungen mit umfassenden Abstands- und Hygienevorschriften wieder stattfinden. Damit ist den meisten Veranstaltern aber nicht geholfen. «Wie soll ein freier Konzertveranstalter, ein freies Theater, die kleine Kulturbühne dies umsetzen? Wie soll dies wirtschaftlich funktionieren bei Veranstaltern und Theatern, die keine oder nur minimale staatliche Unterstützung erhalten», ist die große Frage.
Musikschulen und Hochschulen haben eine hervorragende Ausbildung für kreative Künstler geschaffen, die wiederum mit eigenen Mitteln in ihren künstlerischen Werdegang investieren. Was nützt jedoch die beste Ausbildung, wenn aktuell die Auftritte nicht stattfinden dürfen und in der Folge die freien Veranstalter reihenweise in der Insolvenz landen?
Die Dresdener Initiative "Stumme Künstler" nimmt eine Beispielrechnung anhand der Jazztage Dresden vor. Diese ist ohne direkte Hilfe von mindestens 20% des Vorjahres-Nettoumsatzes nicht mehr überlebensfähig. Mit rund 40.000 Besuchern steht das Festival vor dem Schicksal, nach aktuellem Insolvenzrecht ab September 2020 einfach von der Bildfläche zu verschwinden. Um dies sowohl bei den Jazztagen Dresden als auch bei vielen anderen Veranstaltern und Künstlern zu verhindern, haben die Jazztage Dresden ihre wöchentlichen Demonstrationen gestartet.
Es wird unzählige weitere Insolvenzen in der Kultur- und Veranstaltungsbranche geben, wenn nicht umgehend nachhaltige, flächendeckende Rahmenbedingungen zur Abwendung derselben geschaffen werden.
Im Moment können die stummen Künstler nur ein desolates Fazit geben: "Uns fehlen Worte und Stimme. Künstler und Veranstalter möchten wieder spielen und veranstalten, Steuern zahlen und vor allem für Sie, liebes Publikum, da sein und gemeinsam Kunst teilen. Bei den derzeitigen Hygiene-Vorschriften ist es jedoch wirtschaftlich, logistisch und oftmals künstlerisch unmöglich, Veranstaltungen durchzuführen"
Hier die wichtigsten Forderungen:
- Einführung eines Grundeinkommens für freie Künstler in Sachsen analog Bayern für den Zeitraum, in dem keinerlei Konzerte stattfinden durften und dürfen (ebenso bei nur eingeschränkter Erlaubnis).
- Anerkennung der persönlichen Lebenshaltungskosten für Soloselbstständige und Personengesellschaften in Höhe von 1.180 € je Monat/Person im Corona Soforthilfeprogramm des Bundes analog Baden-Württemberg. Ausweitung auf die noch folgenden Monate ohne Auftrittsmöglichkeiten. Unternehmerlohn muss möglich sein!
- Staatlich gezahlte Ausfallhonorare der freien Künstler in Höhe des Kurzarbeitergeldes für vertraglich gesicherte und wegen Corona stornierte Auftritte.
- Anerkennung der persönlichen Lebenshaltungskosten für Soloselbstständige und Personengesellschaften in Höhe von 1.180 € je Monat/Person im Corona Soforthilfeprogramm des Bundes analog Baden-Württemberg. Ausweitung auf die noch folgenden Monate ohne Auftrittsmöglichkeiten. Unternehmerlohn muss möglich sein!
- Bedarfsgerechte, direkte Finanzhilfen für Corona-bedingte Einnahmeausfälle für freie Veranstalter und Einrichtungen, die nicht zum überwiegenden Teil in öffentlicher Hand sind.
- Richtlinien die nachvollziehbar machen, nach welchen Kriterien Veranstaltungen wieder erlaubt sind. Inklusive der Vorgaben, wann und wie die Abstandsregeln aufgehoben werden. Dies ermöglicht eine erhebliche Schadensminimierung von Seiten der Veranstalter.
- Sofortige Schaffung rechtlicher Möglichkeiten für Veranstalter, Verträge, die vor der Corona-Krise geschlossen wurden, aufgrund höherer Gewalt zu stornieren oder nachzubessern. Hierbei müssen Ausfallhonorare für die freien Künstler analog des Kurzarbeitergeldes vom Staat gezahlt werden (siehe oben – staatlich zu zahlende Ausfallhonorare).
- Erlass der KSK Zahlungen für Veranstalter im Jahr 2020.
Die Kulturpolitik und die Kulturförderung muss alle Sparten und insbesondere auch die freien Künstler berücksichtigen. Gerade in der freien Szene ist die Grundfinanzierung oft viel zu niedrig. Durch niedrige Honorare können Künstler kaum Rücklagen bilden. Viele, auch hochrangige freie Künstler und Veranstalter werden aktuell in die Grundsicherung gedrängt - oder wechseln die Branche.
Kilian Forster, Intentand der Jazztage Dresden und freischaffender Musiker betont: "Die Forderungen sind im Ganzen zu betrachten als Pool von sinnvollen und möglichen Regularien, den freien Künstlern und Veranstaltern mit allen dazugehörigen Berufsgruppen und Professionen einen Weg durch diese existenzgefährdende Krise möglich zu machen. Diese Forderungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und können ggf. angepasst und ergänzt werden."
Die nächste Demo findet am 27. Mai am Elbufer statt!