Das kam aus der Tiefe
Laja Genc solo im Ruhrfestspielhaus
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Das war wieder ein Höhepunkt in der lebendigen Jazzreihe in Recklinghausen, mit der Ingo Marmulla vor allem der produktiven Jazzszene in NRW Gehör verschafft. Für die Pianistin Laja Genc und ihr Publikum auf der Hinterbühne wurde dieses Solo-Recital zu einem ganz besonderen Abend.
Wenn sich Jazzer auf einen Soloklavierabend einlassen, geht es um das große Ganze – und so nimmt sich auch Laja Genc eher selten und keinesfalls beiläufig dieser Herausforderung an. Dabei ist ihr die Kommunikation mit dem Publikum ausgesprochen wichtig. Sie erzählt in Recklinghausen nicht nur ihre ganzen persönlichen Geschichten, die hinter der Musik stehen, sondern hat auch eigene Songs geschrieben, bei denen sie – zur Überraschung ihres Publikums – ihre sensible Gesangsstimme zum Einsatz bringt.
Und ihr Spiel erst! Von Melancholie ist das fließende Gewoge geprägt, mit dem sie „an ihrer persönlichen Haltung“ partizipieren lässt, wie sie es selbst formuliert. Der weiche, geschmeidige Fluss mäandert in Gedankenlabyrinthe. Und vor allem in progressiveren Improvisationen suggeriert ein ungestümer Vorwärtsdrang viel Lebenslust. Auch fasziniert ihre Anschlagskultur voller kammermusikalischer Eleganz. So funktioniert ein aufmerksamer Dialog zwischen den Tönen, der im Einklang mit der tiefen Empfindung dieser Musikerin steht.
Hörbar in Laja Gencs Spiel ist ihre Prägung durch den britischen Pianisten John Taylor, bei dem sie einst in Köln studierte. Aber diese Musikerin ist aus solch einem Fahrwasser heraus mit viel Weitblick und noch mehr Empathie zu eigenen künstlerischen Ufern aufgebrochen. Das stellt sie in Recklinghausen auch in einem Stück aus Chick Coreas Children’s Songs-Zyklus unter Beweis, ebenso in einer virtuosen Hommage an Rita Marcotulli. Schließlich verleiht sie der stürmischen, rauen Atmosphäre im Norden Schottlands entsprechende Klangbilder in John Taylors Kultstück Amble Side. Aber noch viel weiter reichte die Fantasie, die Laja Genc und ihr Publikum an diesem Abend gemeinsam teilten – vor allem, als sie zu Klangexperimenten mit mechanischer Saitenpräparation des Flügels aufbrach, was wiederum zu einer selten gespielten Komposition von Sergej Prokofiew überleitete. Ja, all dies lässt die Frage aufkommen, ob es nicht vielleicht mal Zeit für ein Soloalbum wäre. Und tatsächlich: Im Gespräch danach verriet Laja Genc, dass sie genau dies fürs nächste Jahr plant.