Nicht nachhaltig
Spar-Hammer aus dem Bundeskulturministerium
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Es grenzte schon an Sprachakrobatik, wie oft Kulturministerin Claudia Roth bei ihrem Besuch auf der Jazzahead 2023 das Wort "Nachhaltigkeit" in ihre Sätze einzubauen wusste und sich dafür ausgiebig feiern ließ. Die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt und damit auch für das Bundeskulturministerium schwingen in einer sehr anderen Tonart – vor allem in Bezug auf die finanziell fragile freie Kulturszene und damit in erster Linie auch für alles, was mit Jazz zu tun hat.
Eine Pressemeldung der Deutschen Jazzunion führt vor, wie gerade der schöne Schein entzaubert wird: Am 17. Juli 2024 hat das Bundeskabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 beschlossen. Darin enthalten sind auch die Planungen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und damit eben auch für den Bereich Jazz und improvisierte Musik. Zwar hat das Gesamtbudget des BKM erfreulicherweise Aufwüchse erfahren (die Filmbranche kommt zum Beispiel ganz gut weg, was wir hier gar nicht schlechtreden wollen), doch stehen diesen Verbesserungen massive Kürzungen für die Musik, aber auch für sämtliche weitere Segmente der freien Kulturszene gegenüber. Das Budget der sechs Bundeskulturfonds, einschließlich des für die Jazz- und Improvisationsszene bedeutenden Musikfonds, soll von 32 Millionen auf 18 Millionen Euro reduziert werden. Betroffen von den Kürzungen ist die Existenzgrundlage zahlreicher Kulturinstitutionen, darunter der Musikfonds, der Deutsche Literaturfonds, der Deutsche Übersetzerfonds, der Fonds Darstellende Künste, der Fonds Soziokultur und die Stiftung Kunstfonds – für alle gemeinsam hat sich der Bundeskulturfonds bereits zu Wort gemeldet: „Die perspektivische Fortführung unserer Arbeit steht auf dem Spiel", heißt es in einem alarmierenden Statement, das auf die Unvereinbarkeit solcher Kürzungen mit dem Anspruch einer nachhaltigen Kulturförderung verweist – insbesondere in Bezug auf die soziale Lage von Freischaffenden.
Der Bundeskulturfonds unterstützt und fördert Projekte und Initiativen in verschiedenen Kunst- und Kulturbereichen. Sein Ziel ist es, kulturelle Vielfalt und Innovation zu sichern und die künstlerische Entwicklung in Deutschland zu fördern. Er stellt finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Realisierung von Kunstprojekten zu ermöglichen und somit einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Landschaft Deutschlands zu leisten.
Auch bei den Festivals soll gespart werden
Die geplanten Einsparungen im Haushalt bedrohen noch eine weitere Säule in der Kulturlandschaft: Der in diesem Jahr erstmals vergebene und schon jetzt nicht ausreichend ausgestattete „FestivalFörderFonds“ der Initiative Musik, der für die Unterstützung der Festivallandschaft wichtig ist, soll von fünf Millionen Euro im Jahr 2023 auf drei Millionen Euro im Jahr 2025 gekürzt werden. Während regelmäßig immer mehr Festivals mit einer Abschiedsausgabe ihrem Publikum für immer adieu sagen, weil die jahrelang geleistete Arbeit angesichts der allgemeinen Kostenexplosionen nicht mehr stemmbar ist, wirkt dies wie ein weiterer Tiefschlag.
Das alles verwundert umso mehr, wo den geplanten Einsparungen seitens des Bundeskulturministeriums gute Aufbruchssignale in die richtige Richtung gegenüber stehen: In NRW gelten bereits zum 1. Juli eingeführte verbindliche Honoraruntergrenzen für den Bereich Kultur und Medien. Da wirken die aktuellen Haushaltsbeschlüsse wie eine Torpedierung von oben. Entsprechend irritiert zeigt sich auch der Bundeskulturfonds, wo gerade erst neue Förderlinien und Programme, teilweise auch im Zusammenspiel mit Ländern und Kommunen entwickelt, erstmals ausgeschrieben wurden oder sogar noch erarbeitet werden“. (zitiert nach Spiegel online vom 23.7.2024).
Gut versus gut gemeint
Sich soziale Absicherung und faire Vergütung auf die Fahne zu schreiben, ohne die Umsetzung zu ermöglichen, ist auch und gerade in Zeiten klammer Kassen mehr als fahrlässig, vor allem, wenn man für den gesellschaftlichen Stellenwert der Kultur im Ganzen verantwortlich zeichnet. Als Mitglied des Musikfonds schließt sich daher auch die Deutsche Jazzunion als wichtigste Interessenvertretung den Forderungen des Bundeskulturfonds an: „Wir fordern den Deutschen Bundestag auf, die Kürzungen rückgängig zu machen, die dramatische Situation der Musiker*innen anzuerkennen und die dafür notwendigen Erhöhungen im Haushalt zu verankern," so Camille Buscot, Geschäftsführerin der Deutschen Jazzunion. Camille Buscot bringt die bekannten Fakten zur Sprache: „Die letzten Jahre haben aufgezeigt, dass die freie Musikszene und insbesondere auch die Jazzszene nicht resilient genug aufgestellt sind. Einkommen an der Armutsgrenze, wie in der Jazzstudie 2022 aufgezeigt, und viel zu wenige öffentlich geförderte Strukturen zeigen, wie viel hier noch zu tun ist."
Sollten die gerade erst beschlossenen Kürzungen nicht nochmals revidiert werden, bleibt wohl nur eine Form von Nachhaltigkeit übrig: Nämlich dass auch der Jazz bis auf weiteres seinen Status als chronisch unterfinanziertes, prekäres Kultursegment zementiert bekommt.