Jazz und Faschismus
Könnte auch der Jazz betroffen sein?
TEXT: Bernd Zimmermann |
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."
(Zitat: Martin Niemöller)
Ob das Thema Deportation nur von einer kleinen rechten Gruppe in einer Veranstaltung, die Assoziationen an die Wannsee-Konferenz weckt, erörtert wurde oder ob es bereits ein großer Teil der Gesellschaft ist, der diesen verrückten, unser Land zerstörenden Ideen nachhängt, werden die kommenden Wahlen in diesem Jahr zeigen. Also ein Grund, sich über die politische Zukunft des Jazz Gedanken zu machen?
Könnte AUCH DER JAZZ betroffen sein?
1935 sprach der damalige Reichssendeleiter Eugen Hadamowsky das Verbot aus, Jazz-Musik im Radio zu spielen. Wenn damals Gestapo-Leute in einen Club kamen, wurde aus dem Jazz augenblicklich deutscher Schlager. Zum Glück waren die Jazzmusiker jederzeit dazu in der Lage.
Jazz wurde als "die Musik der Halbwilden" oder als "entartete Musik" bezeichnet. Wer ihn spielte oder hörte, musste mit Konsequenzen rechnen. Allerdings ging dieses Vorhaben damals ordentlich daneben. Nicht nur, dass man besonders den Jazz, anders als Bücher oder Bilder, nicht verbrennen konnte - nein, der Jazz war zu dieser Zeit in Deutschland in der breiten Bevölkerung und sogar der politischen Führungsriege sehr beliebt. Er war so beliebt, dass sogar Wehrmachts-Sender diese Musik spielten, um die Soldaten an der Front zu unterhalten.
Dies ist heute völlig anders. Jazzmusik spielt im öffentlichen Interesse eine untergeordnete Rolle - ja, kommt in Rankings bei den beliebtesten Musikformen oft nicht einmal vor. Auch würde ein Sendeverbot heutzutage wenig Sinn machen, weil Jazz sowieso nur in spätabendlichen Sendeformaten versteckt wird und die Programme mit solchen Inhalten durch vermutlih sogar noch weiter reduziert werden. Dass es keinen Jazz mehr gibt, würde also nur einer Minderheit überhaupt auffallen. Anders könnte es für die Jazzmusiker*innen und Veranstalter*innen von Livemusik-Veranstaltungen aussehen, wenn zum Beispiel öffentliche Förderungen gestrichen und öffentliche Spielorte nicht mehr zur Verfügung gestellt werden würden. Der Umgang mit freier Kultur in Ländern, in denen rechtspopulistische Regierungen an die Macht gekommen sind, werfen hier als bedrohliches Beispiel ihre Schatten voraus.
Insofern hat das Zitat von Martin Niemöller für Jazzakteur*innen und -publikum nicht nur im allgemeinen politischen Diskurs eine brandaktuelle Bedeutung, sondern fordert auch ganz persönlich dazu auf, sich diesbezüglich zu positionieren und laut zu äußern.
Mehr zum nationalsozialistischen Gedankgut über "Entartete Musik".