Kölns Kulturkahlschlag
Die schleichende Erosion einer Musikmetropole
FOTO: Stefan Pieper
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung hat die Kölner Stadtverwaltung einen Sparplan vorgelegt, der die Kulturszene der Stadt in ihren Grundfesten erschüttert. Eine Schockstarre hat sich bei zahlreichen Kulturträgern breit gemacht, als ihnen das Ausmaß der drohenden Kürzungen bewusst wurde. Es zeichnet sich ein Bild der Verteilungskämpfe ab, ein „Hauen und Stechen", wie es in der Kölnischen Rundschau heißt, das die Zukunft der städtischen Kulturlandschaft fundamental bedroht.
Ein besonders dramatisches Beispiel ist das Festival Acht Brücken, ein Leuchtturmprojekt der zeitgenössischen Musikaufführung, das vor dem kompletten Aus steht. Louwrens Langevoort, Gesamtleiter des Festivals, beschreibt die dramatische Entwicklung: Von einem Betriebskostenzuschuss in Höhe von 421.500 Euro in diesem Jahr und 450.000 Euro für 2025 sollen die Zuschüsse 2026 auf null Euro reduziert werden. Diese Kürzung bedeutet nichts weniger als den Todesstoß für ein Festival, das sich in 14 Jahren zu einer international bekannten Marke entwickelt hat.
Die Besucherzahlen unterstreichen die Bedeutung des Festivals eindrucksvoll: Während das Festival 2024 15.000 Besucher und 2023 17.000 Besucher verzeichnete, erreichte es vor der Pandemie regelmäßig bis zu 24.000 Besucher in Kooperation mit KölnMusik, mit vollem Haus der Kölner Philharmonie. Langevoort hofft, dass die politischen Entscheidungsträger die Bedeutung des Festivals für die zeitgenössische Musiklandschaft erkennen werden.
Vor dem Scherbenhaufen
Nicht minder dramatisch ist die Situation der Cologne Jazzweek, die zuletzt den Deutschen Jazzpreis in Köln ausrichtete und nun ihre gesamte städtische Förderung zu verlieren droht. Von 250.000 Euro in 2024 soll der Zuschuss auf null reduziert werden. Janning Trumann , der vor fünf Jahren das Cologne Jazz Festival ins Leben rief, sieht sich vor dem Scherbenhaufen seiner Arbeit, darauf deutet seine Einschätzung hin, die er gegenüber der Kölnischen Rundschau abgab: „Ich weiß nicht, welche Perspektive ich meinem Team noch geben kann." Die internationale Aufmerksamkeit, die das Festival genießt, scheint plötzlich wertlos angesichts der drohenden Finanzierungslücke.
Die Sparmaßnahmen treffen jedoch nicht nur diese beiden Institutionen, wie aus den detaillierten Informationen, die der Kölnischen Rundschau vorliegen, hervorgeht. Die Akademie der Künste der Welt sieht sich mit einer Förderungsreduktion von 981.000 Euro in diesem Jahr auf 380.400 Euro im kommenden Jahr und dann auf null Euro konfrontiert. Janna Dittmeyer, Sprecherin der Akademie, befürchtet das Aus für Ausstellungsbetrieb und Residenzprogramme, die jährlich internationale Künstlerinnen und Künstler nach Köln bringen und den interkulturellen Austausch fördern. Besonders hart trifft die geplante Kürzung die Vermittlungsprogramme, die speziell Jugendliche und marginalisierte Gruppen erreichen.
Auch das Shalom-Festival steht vor dem Aus. Nach den Feierlichkeiten zu 1700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland, bei denen die Kölner jüdische Gemeinde als älteste nördlich der Alpen gefeiert wurde, droht nun der Kahlschlag. Claudia Hessel vom Kölner Forum für Kultur im Dialog beschreibt die Situation: „Es wurden große Feste gefeiert, danach ist alles wie ein Soufflé zusammengesunken." Das Festival, das 8000 Besucher in Köln und weitere 2000 im Rhein-Erft-Kreis anzieht, setzt ein wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus.
Der renommierte Klangkörper Concerto Köln, zweifacher Opus-Klassik-Preis-Träger, verliert ebenfalls seinen Zuschuss von 100.000 Euro. Für 2026 steht bereits eine Anfrage für ein Konzert in der Carnegie Hall in New York im Raum – eine Chance, die ohne finanzielle Unterstützung verstrichen zu sein droht. Alexander Scherf, künstlerlicher Leiter, warnt: „Wir müssten Personal entlassen, könnten keine Mindesthonorare mehr zahlen und auch keinen Manager beschäftigen." Das Ensemble, das 2024 allein 3500 Arbeitstage für freie Musiker generiert, steht vor dem Kollaps.
“Das kann so nicht bleiben!”
Die lokale Politik zeigt sich konsterniert. Lorenz Deutsch (FDP) kritisiert scharf: „Ich finde es schon ein starkes Stück, dass sämtliche inhaltliche Diskussion ausbleibt und die Kämmerei bestimmt, was gekürzt wird." Ralph Elster (CDU) betont: „Das kann so nicht bleiben, wir müssen da ziemlich viel korrigieren." Brigitta von Bülow (Grüne) sucht nach Gegensteuermaßnahmen, während Maria Helmis (SPD) von einem „Wortbruch" spricht, da man ursprünglich versprochen hatte, keine Strukturen abzubauen.
Die geplanten Kürzungen bedrohen nicht nur einzelne Kulturinstitutionen, sondern das gesamte kulturelle Ökosystem Kölns. Die internationale Sichtbarkeit, das kreative Potenzial und die Reputation als Musikstadt stehen auf dem Spiel. Was bleibt, ist die bange Frage: Wie wird Köln seine kulturelle Identität bewahren?