Köln beerdigt seine Kultur
Ein Nachruf auf das Acht Brücken Festival
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Es ist vollbracht. Die Stadt Köln hat geschafft, was selbst dem Zweiten Weltkrieg nicht gelungen ist: die systematische Zerstörung von Brücken – in diesem Fall von Brücken zwischen Szenen, künstlerischen Welten und Menschen. Mit der Streichung sämtlicher Mittel für das Acht Brücken Festival hat sich die vermeintliche Kulturmetropole am Rhein mal eben an die Pole Position in Sachen brutaler kulturpolitischer Kahlschläge gestellt.
Wer braucht schon internationale Festivals, wenn man stattdessen eine blitzblanke Haushaltsbilanz vorweisen kann? Politische Ambitionen werden selten mit Uraufführungen einer finnischen Komponistin oder frei improvisierten Konzerten zu Andy-Warhol-Stummfilmen befriedigt, dafür umso mehr mit schwarzen Zahlen und dem Beifall jener, die die Kultur ohnehin für überflüssigen Luxus halten. Mit der Effizienz einer McKinsey-Beraterin und dem kulturellen Feingefühl einer Abrissbirne wurde unter der Verantwortung der aktuell amtierenden Stadtkämmerin, einer promovierten Juristin, sogar gleich die Zerschlagung der Festival GmbH in Rekordzeit mit durchgezogen.
Fortschrittliches Festivalkonzept vs. lokalpolitischer „Weitblick"
Das Acht Brücken Festival – dieses unerhört fortschrittliche Konzept, das es wagte, verschiedene musikalische Welten nicht gegeneinander auszuspielen, sondern miteinander in Dialog zu bringen – musste, so hat es den Anschein, sterben, damit die städtischen Bilanzen schön aussehen. Ein Festival, das als bedeutende Säule Köln zur „Hauptstadt der Neuen Musik" machte und dabei auch die fragile freie Szene auf Augenhöhe mit internationalen Spitzenensembles präsentierte. Ein Festival, das auf der Partnerschaft von Stadt und WDR, aber auch anderen Netzwerken wie ON Neue Musik oder NICA gründete und auch zu einer gewichtigen Präsenz im Hörfunk führte. Das mit kostenlosen Konzerten, öffentlichen Proben, Vorträgen und speziellen Angeboten für Kinder ein breites Publikum erreichte und durch jährlich wechselnde Schwerpunkte Menschen dazu einlud, sich dem Unbekannten und Neuen zu nähern und dadurch mithalf, die Gegenwartskultur aus ihrem Nischendasein heraus zu reißen. Das vom Stadtgarten über die Kölner Philharmonie, das WDR-Funkhaus, die Kunststation Sankt Peter bis hin zu zahlreichen Kirchen, Clubs und Bars die ganze urbane Vielfalt Kölns bespielte. Das – welch Ironie der Sparlogik – für jeden städtischen Euro mittlerweile zwei weitere Euro von öffentlichen und privaten Förderern akquirierte. In einer Zeit, in der Millionen für fragwürdige Prestigeprojekte und Beraterverträge fließen, war für ein solches Erfolgsmodell, das seit Jahren mit vergleichsweise überaubarem finanziellen Aufwand Brücken zwischen klassischer und elektronischer Musik, zwischen Avantgarde und Tradition, zwischen etablierten Institutionen und freier Szene baute, kein Geld mehr übrig? Welch visionärer Weitblick von lokalpolitischen Entscheidungsträgern!
Sachzwänge (?) am Rande eines Milliardengrabs
Die Verantwortlichen werden nun die Worte „Sachzwänge" und „alternativlos" ausrufen. Als ob es jemals einen politischen Sachzwang gegeben hätte, der nicht das Ergebnis vorheriger politischer Entscheidungen gewesen wäre. Als ob die chronische Unterfinanzierung der Kommunen vom Himmel gefallen wäre und nicht das Resultat jahrzehntelanger Steuerpolitik zugunsten der Wohlhabenden ist.
Im Kontrast dazu stehen – nicht nur in Köln – repräsentative Prestigeprojekte, bei denen Kostenexplosionen als unvorhersehbare Naturereignisse abgetan werden. Während dem Acht Brücken Festival der Geldhahn zugedreht wird und mit der Streichung des Zuschusses von 450.000 Euro der kulturelle Tod eines ganzen Festivals in Kauf genommen wird – obwohl diese Mittel bis 2027 zugesagt waren –, versenkt die Stadt gleichzeitig Hunderte Millionen im nie endenden Sanierungsdrama der Kölner Oper und des Schauspielhauses. Ein Milliardengrab, dessen ursprünglich veranschlagte Kosten von 253 Millionen Euro sich mittlerweile auf 798 Millionen Euro mehr als verdreifacht haben – Tendenz weiter steigend, mit Gesamtkosten inklusive Finanzierung von über 1,5 Milliarden Euro.
Dieses Festival war innovativ, verbindend und visionär
Was bleibt vom Acht Brücken Festival? Die Erinnerung an ein kulturelles Experiment, das es wagte, Grenzen zu überschreiten. Die Trauer der zahlreichen Künstler und Kulturschaffenden, die hier eine Plattform gefunden hatten, spiegelt sich auch in den bitteren Worten des künstlerischen Leiters Louwrens Langevoort wider, wenn er in einem Interview mit dem WDR von einer „Politik der verbrannten Erde" sprach.
Rest in Peace, Acht Brücken! Du warst wohl zu innovativ, zu verbindend und zu visionär für diese Stadt. Die kulturpolitischen Totengräber werden vermutlich weitermachen – auf der Suche nach dem nächsten Opfer ihrer „Haushaltskonsolidierung".