Köln, 13.09.2022 | Brasilien hat eine vielfältige Musikkultur
Das brasilianische Musik weit mehr als Samba und Bossa Nova zu bieten hat, das zeigte das Duo Oltheten Gomide im Kölner Urania Theater. Aber weltweit wird die Musik Brasiliens leider meist auf Bossa Nova reduziert. So hat der große Bossa Nova Boom der 60er Jahre zwar das Interesse an Musik aus Brasilien in den USA und Europa geweckt, aber leider wurden durch die Dominanz der Bossa die vielen anderen Stile der Musik in den Hintergrund gedrängt.
Das Duo Oltheten Gomide will dazu beitragen, diesen Misstand auszuräumen. Sie stellen mit ihrer neuen CD die vielfältige Musik großartiger brasilianische Komponisten vor, die oft nur Wenigen (selbst in Brasilien) bekannt sind. Das Album mit dem Titel Brasis nahmen sie während der Zeit der Pandemie auf, in der alles stillstand und haben es nun im Urania Theater in Köln präsentiert.
Das Duo Oltheten Gomide wurde 2013 gegründet, als Daphne Oltheten (Violine) und Henrique Gomide (Klavier) am Königlichen Konservatorium von Den Haag (Niederlande) studierten. Sie haben bereits zwei CDs mit europäischer klassischer Musik veröffentlicht und in vielen großen Konzertsälen gespielt.
Henrique Gomide, ein Pianist, der aus Sao Paulo stammt, ist den Jazzfans der Region bekannt als Pianist des NAU Trios. Das Trio eröffnete die Hildener Jazztage 2019 und hinterlies einen tiefen Eindruck beim Publikum. Gomide ist noch in weiteren Jazz und Worldmusic Formationen aktiv.
Auf dem Konzert im Urania Theater brachte das Duo Oltheten Gomide mit seinem wundervollen Spiel wenig bekannte oder auch gänzlich unbekannte brasilianische Komponisten dem Publikum nahe. Die Musik bewegte sich nicht in engen Genregrenzen, sondern war eine Mischung aus Jazz, Klassik und traditioneller brasilianischer Musik. Wobei das Duo sehr behutsam mit der Musik umging. Sie wurde natürlich neu arrangiert für Klavier und Geige, obwohl sie ursprünglich für Gitarre oder Orchester geschrieben war, aber ihre rhythmische und melodische Struktur wurde respektvoll beibehalten. Dabei klang die Musik so stimmig, als sei sie ursprünglich für Klavier und Geige geschrieben. Bei drei Stücken war der Schlagzeuger Antoine Duijkers mit seinem afrikanischem Trommelset aus Mali und Senegal als Gast dabei. Er ist auch Schlagzeuger im NAU Trio. Antoine Duijkers ist auch auf einem Stück der CD zu hören. Antoine Duijkers gibt sich sehr behutsam ein und unterstreicht damit die feinsinnige Kammermusik.
Moacir Santos, Garoto und Mestre Camarao
Der Afro-Brasilianer Moacir Santos (1926-2006) war ein genialer Komponist, Songwriter und Saxophonist, der völlig unterbewertet ist. Der aus Pernambuco im Norden Brasiliens stammende Moacir Santos gilt als einer der wichtigsten Arrangeure der Musica Popular Brasileira, deren Harmonien er erneuerte. Wynton Marsalis, der auf seinem letzten Album Choros & Alegria (2005) mitspielte, sagte von Moacir, das er der Größte sei, von dem wir alle lernen können. Auf dem Konzert spielte das Duo Oltheten Gomide zwei Choros von diesem Komponisten, Flores, der nach Moacirs Geburtsort benannt ist und Valdoso.
Ein anderer Komponist und Musiker aus dem Norden des Landes ist Mestre Camarao, (1940-2015). Eigentlich heißt er Reginaldo Alves Ferreira, aber wegen seiner rötlichen Gesichtsfarbe wurde er Mestre Camarao, Meister Garnele, genannt. Er war ein herausragender Akkordeonspieler und machte sich verdient um die Musikkultur von Pernambuco, dafür erhielt er 2003 den Titel lebendes Erbe von Pernambuco. Das Duo Oltheten Gomide spielte von ihm das Forro Stück Canyoto.
Ein weiterer zu Unrecht wenig bekannter Komponist ist Garoto - Aribal Augusto Sardinha (1915-1955), der als der Vater der modernen brasilianischen Gitarre gilt. In den USA wurde er auch als Mann mit den goldenen Händen bezeichnet. Er arbeitete übrigens als Zahnarzt. Trotz seines viel zu frühen Todes mit 39 Jahren hatte er wegen seiner Bahn brechenden Gitarrentechnik und seiner Kompositionen enormen Einfluss auf die Entwicklung der brasilianischen Musik. Sein Stück Luar de Areal auf der CD Brasis, ist die erste kommerzielle Plattenaufnahme dieses Werkes. Bisher gab es nur einen Radiomitschnitt aus den 50er Jahren.
Von Hermeto Pasqual bis Baden Powell
Zu den klassischen Komponisten denen Tribut gezollt wird, zählt Elomar – Elomar Figueria de Melo (*1937). Das Auftaktlied aus seiner Oper Auto de Catingueira ist auch der Beginn des Konzertes und das Einleitungsstück der CD.
Eine andere lebende Legende ist Hermeto Pasqual (*1936), der auch in Europa einigen Musikfreunden bekannt ist, der Mann mit den langen weißen Haaren und einem mächtigen Rauschebart. Ein Multiinstrumentalist und Komponist, eine Jazzkoryphäe aus Brasilien, der besonders dem Avantgarde Jazz zugewandt ist. Karl Lippegaus nannte ihn “Brasiliens Antwort auf Sun Ra“.
Das Duo Oltheten Gomide spielte auch einige Stücke, die nicht auf der CD zu finden sind. Dazu gehört Musik von Carlos Gomes (1836-1896), ein weiterer klassischer Komponist, von dem Verdi sagte, dass er dort anfange, wo er (Verdi) aufgehört habe.
Der vielleicht bekannteste Musiker und Komponist, dessen Musik auf dem Konzert zu hören war, ist der Gitarrist Baden Powell de Aquino (1937-2000). Baden Powell hat in Deutschland viele Konzerte gegeben, auf dem Berliner Jazzfestival gespielt und in Zusammenarbeit mit Joachim Ernst Behrendt auch Schallplatten aufgenommen. Er lebte sogar einige Jahre zurückgezogen in Baden Baden um seine gesundheitlichen Probleme auszukurieren. Baden Powell war ein herausragender Gitarrist, der Klassiker der brasilianischen Musik geschrieben hat und einer der Vorreiter der Bossa Nova war. Seine Musik ist nicht auf der CD Brasis, aber auf dem Konzert im Urania spielte das Duo sein Stück Canto de Xango von 1966, aus dem Album Tristeza On Guitar. Das Stück ist dem Gott Xango aus der afro-brasilianischen Candomble Religion gewidmet.
Und es gab noch mehr wundervolle Musik, z.B. von dem Geiger Ricardo Herz, von Guinga oder eine Eigenkomposition von Henrique Gomide. Diese Beispiele zeigen, das Duo Oltheten Gomide hat das Publikum mit einem bunten Strauss an Stücken aus unterschiedlichen Musikrichtungen Brasiliens beschenkt. Abgesehen von der Hommage an die großen Komponisten, war das Konzert vor allem ein Abend mit wunderschöner Musik aus Brasilien, jenseits der Samba. Musik, die man nicht auf jeder Brasilien Kompilation CD findet. Die Zuhörer*innen bekamen eine Ahnung von der Vielfalt und dem Reichtum der brasilianischen Musik. Ein Abend mit kammermusikalischen Perlen, dargeboten von einem herausragenden Duo plus Gast.
Daphne Olthete, Henrique Gomide und Antoine Duijkers wurden mit Standing Ovation gefeiert und viele Zuhörer*innen kauften sich anschließend die CD.
Die aktuelle CD: Duo Oltheten Gomide – Brasis, GLM/Edel;Kultur
https://www.duoolthetengomide.com/de