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Alles oder nichts!

Interview mit der Sängerin und Bandleaderin Barbara Barth

Köln, 05.09.2023
TEXT: Stefan Pieper | 

Für einen Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert wurde das neue Album „All or nothing at all“, welches Barbara Barth zusammen mit dem Cellisten Veit Steinmann und dem Saxofonisten Sebastian Büscher für das Kölner jazzhaus-Label aufgenommen hat. Das Trio ist auch am Samstag 7. Oktober beim diesjährigen PENG-Festival zu erleben. Zeit für ein Gespräch mit der Sängerin und Bandleaderin...

Wie ging es los mit dieser Band?

Ich kenne die beiden schon recht lange. Vor allem mit dem Saxofonisten Sebastian Büscher habe ich schon viel Musik gemacht, aber auch mit dem Cellisten Veit Steinmann. Es ging mir nicht mehr aus dem Kopf, dass ich gerne mal etwas mit Cello machen möchte. Als ich dann nach Köln gezogen bin, haben Veit und ich zum ersten Mal zusammen gejammt. Es hat auf Anhieb super gepasst, aber wir dachten, da fehlt doch noch etwas. Mit einem dritten Instrument könnten wir noch viel mehr darstellen. So kam Sebastian mit seinem Tenorsaxophon wieder ins Spiel. Auch an ihm schätze ich diese große Offenheit, dass er nicht auf übliche Rollenverteilungen festgelegt ist.

Wie definierst Du die Rollenverteilung, die hier stattdessen vorherrscht?

Jeder mischt sich als eigenständiger Gestalter ein. Cello, Saxofon und Stimme agieren gleichwertig als Harmonie-, Melodie- und Rhythmusinstrument. Ich habe hier eine Besetzung gesucht und gefunden, die nicht die üblichen Wege geht, sondern gemeinsam einen Sound gestaltet. Es gibt einerseits festgelegte und komponierte Elemente. Andererseits entsteht viel aus dem Moment heraus, weil niemandem eine klassische Rolle zugewiesen ist. Das erlaubt eine große Bandbreite zwischen schönen und manchmal epischen Klangwolken und dann wieder Momenten, die genau das Gegenteil davon sind. Wo es vom Introvertierten oft zum Expressiven geht.

Wo liegt die Herausforderung?

Wenn man sich komplette Freiheit nimmt, liegt die hohe Kunst darin, alles auszutarieren. Wo ist es zu viel und wo zu wenig? Wo greift es gut ineinander? Ich denke, wir haben auf dem neuen Album erreicht, dass jetzt alles stimmig ist. Du kannst in jedes einzelne Instrument hineinzoomen, und genau hinhören, wie jeder seinen eigenen kreativen Part entfaltet und doch gibt alles ein rundes Gesamtbild.

Kannst Du das noch auf Deine eigene Rolle zuspitzen?

Ich möchte meine Melodien und Texte zum Ausdruck bringen, aber auf der anderen Seite mit meiner Stimme auch gleichberechtigtes Instrument sein und damit improvisieren. Wenn Du nach Entwicklung fragst, ich würde sagen, ich habe mit der Zeit mehr Mut für das alles bekommen.

In den Songs reflektierst du viel über das Leben. Ist das geplant oder entsteht das aus sich selbst heraus?

Ich gehe einfach viel von meinem Erleben und Denken aus. Nehmen wir das Stück „They Say“. Wir alle werden immer mit vielen Erwartungen und Rollenstereotypen konfrontiert, was man zu welcher Lebenszeit und in welchem Alter haben und machen sollte. Aber so etwas ist doch eigentlich Quatsch, wenn doch der Weg das Ziel sein soll. Ich finde, auch im Suchen liegt viel Energie. Oder nehmen wir zum Beispiel die Nummer „Smile“. Da stecken gleich zwei Aussagen drin. Einmal der Appell, alles nicht immer so schwer zu nehmen. Das Stück hinterfragt in meinen Augen gesellschaftliche Erwartungshaltungen: Man soll immer fröhlich sein und darf keine Schwäche zeigen, die Frage, wie es einem geht, ist oft eine Floskel. Ich finde es fragwürdig zu sagen, alle müssen immer happy und gut drauf sein.

Warum heißt die neue Platte „All or nothing at all“?

Das Stück „All or nothing at all“ habe ich zum Motto der Platte werden lassen, weil ich so auch das Musikmachen für mich definiere. Entweder, Du begibst Dich mit Deinem ganzen Sein voll in den Moment und gehst so auch ein Risiko ein, oder es bleibt irgendwie eine halbe Sache und nicht authentisch. Ich finde, so etwas lässt sich auch aufs ganze Leben beziehen. Eigentlich hast Du nur die Wahl, Dich selbst als Person, so wie Du bist, einzubringen, oder es bleibt immer irgendwie nicht komplett. Also gilt auch hier „ganz oder gar nicht“. Es geht darum, sich beherzt in die Musik zu werfen – wie auch ins Leben. Und genau das soll auch den Kosmos dieser Band aufmachen.



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