'Latente Talente' im Bochumer Kulturrat

Volles Haus im Bochumer Kulturrat am 26. April beim Konzert der inklusiven Band PIANO PLUS. 13 MusikerInnen füllten die Bühne mit einer interessanten Konstellation von Instrumenten. 

PIANO PLUS

Drei Sängerinnen vorneweg, zwei Keyboards auf der rechten Seite, links drei Violinen und mittig ein Cello. Dazu kommen für den Groove Schlagzeug, E-Bass, Congas und E-Gitarre -  ein außergewöhnliches Line-Up, das die Musikschule Bochum nun schon seit 2011 auf die Beine stellt.
 
Zu Beginn des Konzerts singt Antonia Wohlgemuth, die sich auch NIA nennt, mit ihrer Gitarre drei selbst komponierte Stücke im Stil von Joan Baez. Und sie kann dort gleich stehen bleiben, denn sie gehört auch zum Gesangstrio von Piano Plus. Die Band beginnt mit der Melodie des berühmten ‚Concierto de Aranjuez’ von Joaquín Rodrigo, doch das ist erst das Intro zu ‚Spain' von Chick Corea. Schon hier zeigt die Band, was sie drauf hat: erstaunlich dieser jazzige Groove und die Stimmen, Violinen und Cello zu diesem Stück sind sicher einmalig. Und so geht es weiter, manchmal durchgängig groovig, dann wieder sehr melodiös. Für die Band 'Freylekhs', die eigentlich auch heute hier auftreten sollte, haben sie passenderweise ein Klezmer-Stück ins Programm genommen.
Die Leiterin Claudia Schmidt bleibt bescheiden im Hintergrund, steht rechts vor der Bühne und zeigt die Einsätze an. Sie hat Sonderpädagogik mit Musik studiert und arbeitet seit 1996 an der Bochumer Musikschule. Die inklusiven Bands „just fun“, „piano plus“ und „Tanzorchester Paschulke“ hat sie aufgebaut und leitet sie weiterhin mit großem Engagement. Sie schreibt auch die Arrangements, die den jeweiligen Fähigkeiten der MusikerInnen gerecht werden.
Inklusiv ist diese Band in vielerlei Hinsicht: Männer und Frauen gehören selbstverständlich dazu, eine der Sängerinnen sitzt im Rollstuhl, MusikerInnen aus verschiedenen Kulturen im Alter von 14 bis 40 Jahren spielen hier zusammen. Doch auch das Repertoire ist in gewissem Sinne ‚inklusiv‘, weil es mehrere Genres umfasst.

Bochumer Modell und Latente Talente

Das 'Bochumer Modell' entstand vor 25 Jahren erst als Modellversuch und bildet inzwischen eine Abteilung der Musikschule Bochum. SchülerInnen mit Einschränkungen können grundsätzlich jedes an der Musikschule angebotene Instrument erlernen. Die Lehrkräfte sind InstrumentalpädagogInnen, zum großen Teil mit einer Zusatzausbildung, oder SonderpädagogInnen mit dem Fach Musik. Im Sinne der 'Teilhabe' spielen Menschen mit und ohne Einschränkungen in Bands zusammen. Das Musizieren ist deshalb nicht nur ein Freizeitangebot, denn es erschließt neue soziale Kontakte, auch für die Eltern.
'Latente Talente' ist eine Initiative des Bochumer Kulturrats, der im Rahmen der Nachwuchsförderung schon seit vielen Jahren jungen Musikern Auftrittsmöglichkeiten bietet.Angefangen mit 'Jugend musiziert' ('Preisträgerkonzerte') und aktuell mit der Reihe 'Latente Talente' in Kooperation mit der Bochumer Musikschule. Die jungen Musikern können sich ausprobieren und Bühnenerfahrung sammeln, um sich weiterzuentwickeln. Die Förderung der Talente ist nicht stilistisch gebunden. Beim ersten Konzert der Reihe standen Musiker der Klassikabteilung der Bochumer Musikschule auf der Bühne - Pop und Jazz waren in der Folge zu hören.

Vorbild Snarky Puppy?

In der Pause spreche ich mit dem E-Gitarristen Philipp Kreperat. Er erzählt mir, dass die Band vor allem Filmmusik, Minimal Music und Jazz spielt. Einmal die Woche trifft sie sich in der Musikschule, auch in wechselnden Konstellationen. Stücke aus der Filmmusik wie ‚Children of Sanchez’ aus dem gleichnamigen Film und ‚Amadeus‘ aus dem Mozart-Film bilden den Kontrast zu den jazzigen Stücken, sind aber auch exzellent für die Band arrangiert. Den Höhepunkt bildet ein Stück im Stil der Minimal Music. Zwei Stücke von Philipp Glass und Chilly Gonzales sind sehr anspruchsvoll arrangiert und kombiniert. In der Ausführung bietet sich trotz der scheinbar immer gleichen Wiederholungen eine Art fulmanter Klangteppich, über den sich immer wieder changierende Solopartien einzelner Instrumentengruppen legen. Bravo!
Ebenso eindrucksvoll ist ‚Shofukan’, eine Komposition von Michael League vom letzten Album von Snarky Puppy ‚We Like It Here‘. Snarky Puppy ist eine große amerikanische Jazz-Fusion-Band mit Bläsern und vielen Gitarren; manchmal auch mit Streichern, die Jazz, Funk und Weltmusik zusammenbringt. Stücke dieser Band bieten sich geradezu an, weil auch PIANO PLUS instrumentell breit aufgestellt ist und mehrere Genres verbindet. Vielleicht ein Vorbild für die Musikschul-Band? Jedenfalls bringt PIANO PLUS 'Shofukan’ überzeugend rüber, u. a. mit einem tollen Gitarrensolo von Philipp Kreperat.
Wieder ganz anders ‚La Silvana‘, hier singt  Antonia Wohlgemuth auf Kurdisch, teilweise in hoher Stimmlage. Mit ‚A Child‘s Tale’, dem Soundtrack aus dem Film "Wenn Fliegen träumen“ von Bukahara endet das eindrucksvolle Konzert. Ob einige Bläser den Gesamtsound noch verbessern könnten? Auf jeden Fall spielt PIANO PLUS auf hohem Niveau!